Martin Fröst
Martin Fröst (* 14. Dezember 1970 in Sundsvall) ist ein schwedischer Klarinettist. Zudem ist er als Dirigent und als Entwickler von multimedialen Projekten mit Musik, Choreografie und Lichtdesign tätig, in denen er als Klarinettist, Dirigent, Texter und Conférencier auftritt. Er gilt als experimentierfreudiger musikalischer und medialer Grenzgänger.[1][2][3]
Ausbildung
Im Alter von sechs Jahren begann Fröst Geige und mit neun Jahren Klarinette zu spielen. Nach Abschluss der Grundschule zog er im Alter von 15 Jahren nach Stockholm, um an der dortigen Musikhochschule Klarinette bei Sölve Kingstedt zu studieren. Später setzte er seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Hannover bei Hans Deinzer fort, bei dem auch etwa 10 Jahre zuvor Sabine Meyer studiert hatte.[4][5]
Karriere
Als Klarinettist
Als Klarinettist trat Fröst mit vielen Orchestern in Europa, den USA, Japan und China auf. Von der Saison 2006/07 bis 2008/09 war er Künstler der Reihe „Junge Wilde“ am Konzerthaus Dortmund.[5] Zu seinem Repertoire sagt Fröst: „Ich habe eigentlich so gut wie alles gespielt, was für die Klarinette recht und gut ist.“[2] Dazu gehören auch Werke zeitgenössischer Komponisten, die diese eigens für ihn geschrieben haben, zum Beispiel Krzysztof Penderecki, Kalevi Aho, Rolf Martinsson, Victoria Borisova-Ollas, Karin Rehnqvist, Sven-David Sandström und Bent Sørensen. Auch sein jüngerer Bruder Göran schreibt für ihn, vor allem Klezmer-Musik. Mit Aufführungen des Klarinettenkonzerts „Peacock Tales“ von Anders Hillborg mit Elementen aus Pantomime und Tanz betritt Fröst (mit einer gezackten Maske) 2013 Neuland.[6][7][8]
Preise
Fröst erhielt die nachstehend genannten Preise:
- 1. Preis Concour de Geneve (1997)[9]
- Nippon Music Award (1997) für die Einspielung des Klarinettenkonzerts von Carl Nielsen[9]
- den Preis der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter's Culture Award
- Borletti-Buitoni Trust Award (2003)
- BBC Radio 3 New Generation Artist (2003–2005)
- Litteris et Artibus (2012)
- Léonie-Sonning-Musikpreis (2014)[10][11]
- ECHO Klassik Instrumentalist of the Year Award in der Kategorie Klarinette 2016 für die CD "Roots"[12]
- Opus Klassik Instrumentalist of the Year Award in der Kategorie Klarinette 2021 für die CD "Vivaldi" (2019/2020)[13]
Aufnahmen
Zu den Einspielungen Frösts gehören die Klarinettenkonzerte von Mozart (auf Bassettklarinette), Crusell, Weber, Nielsen, Hindemith, Copland und Aho sowie Werke für Klarinette und Klavier, darunter die Sonaten op. 120 von Brahms, zusammen mit dem Pianisten Roland Pöntinen. Auf seiner 2016 aufgenommenen CD „Roots“ erforscht der Künstler teils als Solist, teils mit Orchester- und Chorbegleitung Musik von den „Gregorianischen Gesängen und Stücken von Hildegard von Bingen und Telemann und führt über Zigeunermusik, Klezmer- und Volksmusik verschiedener Länder, Tango (Piazzolla) und Klassik (Brahms ‚Ungarischer Tanz Nr. 14‘, Schumanns ‚Fünf Stücke im Volkston‘, Bartóks ‚Rumänische Volkstänze‘) bis hin zu neuen Werken von Hans Ek, Göran Fröst und Anders Hillborg.“[14] Auf seiner neusten CD (April 2020) spielt er auf einer Klarinette aus Buchsbaum, eigens für ihn eingerichtet, zusammen mit dem Ensemble Concerto Köln, Stücke aus Opern und Oratorien von Antonio Vivaldi, zu dessen Zeit es noch keine Klarinette gab.[15]
Als Dirigent
Seit der Saison 2019/20 ist Fröst für zunächst drei Jahre Chefdirigent des Schwedischen Kammerorchesters.[16] Zuvor hatte er als Gastdirigent verschiedene Orchester dirigiert. Zudem war er künstlerischer Leiter von Musikfestivals.[17] Fröst sagt in einem Interview im Mai 2018: „Ich kam von unterschiedlichen Seiten zum Dirigieren, also habe ich viel ausprobiert. Ich habe versucht zu dirigieren und dann zu spielen, ich habe versucht nur zu spielen und überließ das Orchester sich selbst und ich habe sogar etwas getan, das ich ,Conductography’ nenne. Ich gebe Werke mit einer bestimmten Choreographie in Auftrag und das Orchester reagiert auf meine Bewegungen – und das hat ebenfalls funktioniert… Natürlich braucht man sehr gute Ohren und Führungsqualitäten und man muss wissen, wie man Musik formen kann, wie man Klänge formen kann.“[18]
Projekte
Seit 2013 hat Fröst alle zwei bis drei Jahre ein Projekt auf die Bühne gebracht, bei dem er als Klarinettist, Dirigent, Texter, Zeremonienmeister[19][20] Schauspieler und gelegentlich auch als Tänzer auftritt und die er in Zusammenarbeit mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Komponisten, Choreographen und Lichttechnikern entwickelt. Die vorgestellten Projekte tragen die Namen Dollhouse, Genesis, Retropia und Exodus.
Dollhouse (2013)
Bei Dollhouse werden Kompositionen von Göran Fröst, Paul Dukas, Bent Sörensen, Manuel de Falla und Anders Hillborg einerseits sowie Choreographie und Licht eine Einheit. Es ist die erste Zusammenarbeit von Fröst mit dem Lichtdesigner und Choreographen Linus Fellbom. Die Uraufführung war im Oktober 2013 mit einer Aufführungsdauer ca. 1:35 h. Eine Dokumentation, die Angabe aller Stücke und ein Video der Aufführung sind lesen bzw. zu sehen auf konserthuset.[21]
Der Künstler sagt dazu auf seiner Website: „Bei Dollhouse geht es sehr um Befreiung, sowohl in ihrer physischen als auch in ihrer symbolischen Form, um die unsichtbaren Fäden, die uns an der Erde festhalten, zusammenbinden und wegtragen können. Es ist ein Konzert mit Bewegung als Zentrum, eine Metapher auf den Spuren von Petruschka und Pinocchio.“[22]
Genesis (2015)
Genesis ist ein Programm von Werken aus einem Jahrtausend Musikgeschichte, angefangen von griechischer Musik des 2. Jahrhunderts (Mesomedes) über Kompositionen von Hildegard von Bingen, Telemann, Piazzolla, Messiaen, Lutoslawski und Hillborg, um nur einige zu nennen. Dazwischen volkstümliche Musik von Bartok und Klezmer-Tänze von Goran Fröst. Alte und neue Musik und Musik aus aller Welt wird vereint. "Es hängt alles zusammen und die Musik spiegelt auch Menschen wider", so Fröst.[23]
Die Aufführungsdauer beträgt ca. 1:42 h; eine Dokumentation mit Angabe aller Stücke und ein Video der Aufführung finden sich auf konserthuset.[23]
Retropia (2018)
Retropia, Retro und Utopia, Rückblick, aber auch Entwurf künftiger Formen der Musik. Wir hören im rückblickenden Teil die Ouvertüre zu Mozarts Hochzeit des Figaro, gefolgt von der Vierten Sinfonie Beethovens. Die Gegenwart der Musik bilden ab: Exodus: Abflug für Soloklarinette (Premiere) der in Russland geborenen aber in Schweden lebenden Komponistin Victoria Borisova-Ollas, Angelus novus für Kammerorchester des schwedischen Komponisten Jacob Mühlrad und Nomadia für Klarinette und Kammerorchester von Göran und Martin Fröst, während sich die Zukunft in Emerge für Klarinette, Orchester und Gestrument[24][25] von Jesper Nordin andeutet. Bewegungssensoren an der Klarinette bewirken, dass jede Bewegung Frösts in Musik umgewandelt wird. "In Emerge haben ich und Martin versucht, die Zukunft der Musik zu finden, Technologie durch mein technologisches Instrument Gestrument - Gesten-Instrument - beizumischen, mit dem man auf einem virtuellen Orchester spielen kann, während man auf seiner Klarinette spielt und das Live-Orchester dirigiert und neue Wege des Ausdrucks findet", sagt Nordin.[20]
Fröst: „Das Stück sieht ein Gestrument vor, es nennt sich ,Space in the Air’ und beinhaltet Musik-DNA. Wenn ich die Luft berühre, wird es zu Klang, erzeugt durch eine Infrarotkamera. Ich kann in der Luft mit meinen Fingern spielen, wozu ich einen Choreographen für die Bewegungen brauche. Und auch das ist eine Art der Zukunft der Musik. Zu Beginn des Stückes sage ich ,Wohin geht die Musik?’ Kann ich sie fühlen? Geht sie in die Zukunft? Kann ich sie berühren? Und dann führe ich buchstäblich meine Hand in die Luft zwischen mir und dem Publikum und plötzlich entsteht ein Klang. Es ist also ein Gespräch zwischen mir, dem Gestrument, dem Raum und dem Orchester hinter mir. Es ist eigentlich ziemlich aufregend.“[26]
Premiere war am 18. Mai 2018 in Stockholm. Eine Dokumentation mit Angabe aller Stücke und ein Video finden sich auf konserthuset.[27] Die Aufführungsdauer beträgt ca. 1:45 h mit Zugabe des Klezmer-Tanzes Nr. 2 für Klarinette und Streichorchester von Göran Fröst.
Martin Fröst Foundation
Fröst gründete 2019 eine Stiftung, deren Ziel es ist, Kindern und Jugendlichen in Schweden und anderen Ländern die Möglichkeit zu geben, Musikunterricht und Zugang zu Instrumenten zu erhalten. Hauptsponsor ist die Firma Buffet Crampon, die Instrumente spendet und finanzielle Unterstützung gewährt. Im übrigen kann jeder die Stiftung durch einmalige oder monatliche Zuwendungen fördern.[30]
Privates
Fröst ist verheiratet, hat mehrere Kinder und wohnt in Stockholm.
Weblinks
Einzelnachweise
- Video: Martin Fröst, ein musikalischer Grenzgänger
- Manuel Brug: Ich habe alles gespielt (de). In: Die Welt, 13. Februar 2016. Abgerufen im 29. Januar 2021.
- George Lomis, A Clarinet Virtuoso on a Quest for New Experiences, 31. August 2014 The New York Times
- Biografie bei hamburgersymphoniker.de (Memento vom 6. Februar 2013 im Webarchiv archive.today)
- Martin Fröst 50. Geburtstag
- Peacock Tales - Clarinet Concerto
- Video Peacock Tales
- Aufführung mit Maske
- Martin Fröst, Biografie
- Martin Fröst
- Biografie Martin Fröst
- ECHO KLASSIK 2016 Gewinner. Abgerufen am 1. Februar 2021.
- „Opus Klassik“
- |Sony Classical Roots
- Vivaldi Fröst
- Fröst blir ny Chefsdirigent för Svenska Kammarorkestern
- Buffet Crampon, Martin Fröst
- Interview Mai 2018
- Philipp Quiring, 11. Juni 2016, niusic.de "Der Zeremonienmeister",
- Breaking musical boundaries: Martin Fröst's daring journey
- Besprechung und Video Dollhouse
- Website, Dollhouse
- Konserthuset, Besprechung und Video Genesis
- Gestrument – the revolutionary gesture instrument
- Gestrument, interactive music tool
- „Es ist der schmale Grat zwischen Stille und Klang“: Martin Fröst über die Seele der Klarinette
- Besprechung und Video Retropia
- Konserthuset Stockholm, Exodus med Martin Fröst
- Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Exodus
- Website, Foundation