Marktdynamik
Unter Marktdynamik versteht man in den Wirtschaftswissenschaften die Veränderungen am Markt durch Marktein- und -austritte, sowie die Reaktion der Wirtschaftssubjekte auf die Gewinne/Renten, welche ausschlaggebend für die Marktpreisbildung sind.
Der Begriff hat seit den 1980er Jahren[1] zunehmend an Bedeutung gewonnen, da politische Rahmenbedingungen und technologische Innovationen das Nachfrageverhalten der Akteure und die Reaktionsgeschwindigkeit von Unternehmen in immer kürzeren Zyklen beeinflussen.[2]
Historische Entwicklung des Begriffs
Grundlegend wird das Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfragen mit der „Unsichtbaren Hand“ nach Adam Smith (1723–1790) erklärt. Die daraus resultierenden Marktpreise sollen stets zu einem Marktgleichgewicht führen. In seinem Werk „The Wealth of Nations“ beschreibt Smith zudem den Markt als selbstregelnd. Er erkannte jedoch, dass ein Gleichgewicht zeitlich begrenzt ist und dieser Prozess einer ständigen Veränderung unterliegt.[3]
Schumpeter beschrieb in seinem bekannten Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, dass sich der Marktprozess in einem fest eingerichteten Kreislauf befindet. Änderungen dieses Gleichgewichts sind nur durch exogene Einflüsse möglich, endogene Mechanismen hätten somit keine Auswirkungen. Später revidierte Schumpeter seine Aussagen und beschrieb 1942 den Prozess der schöpferischen Zerstörung, welcher als wesentlicher Kern des Kapitalismus gilt. Er beschreibt zudem einen starken Aufschwung, wenn eine Vielzahl an Imitatoren in den Markt einsteigen, welcher nach einiger Zeit wieder deutlich abschwächt.
Im geschichtlichen Rückblick gilt Schumpeter somit als Vorreiter der theoretischen Erklärung wirtschaftlicher Entwicklungen. Nach Schumpeter griffen einige Ökonomen, u. a. Baumol, Stewart (1971) mit ihrer Sicht der Verhaltensweise über Unternehmen oder Nelson (1991), welcher die Auswirkungen von Entscheidungen im Verlauf der Zeit betrachtete, Schumpeters Theorie auf.[4] Zudem wurde diese mit zusätzlichen Indikatoren wie Marktperformance, Wettbewerbsintensität oder Innovationsgrad erweitert.
Ökonomische Theorie der Marktdynamik
Die Grafik zeigt ein Modell zur Erklärung der am Markt herrschenden Dynamik in Form von Industriezyklen. Wenn ein Markt am Anfang seiner Entwicklung steht, findet eine Vielzahl von Marktzutritten statt, in der so genannten Einführungs- und Wachstumsphase. Die Zahl der Netto-Marktzutritte ist in diesem Fall positiv. In dieser Phase ist nur begrenzt spezifisches Wissen zum neuen Produkt bekannt, weshalb Wettbewerb vorerst hauptsächlich über die Qualität der Produkte stattfindet. Auf Grund des Zutritts einer Vielzahl an Anbietern, insbesondere auch Kleinunternehmen, wird diese Phase „Entrepreneurhaftes technologisches Regime“ oder auch „Schumpeter Mark I-Regime“ genannt.
In der zweiten Phase findet eine Anpassung der Produkte statt. Die Qualität befindet sich nun auf einem annäherungsweise ausgeglichenen Niveau, was folglich dazu führt, dass der Wettbewerb nun über den Preis stattfindet. Wie die Grafik zeigt befindet sich die Marktentwicklung jetzt im „routinierten Regime“ bzw. „Schumpeter Mark II-Regime“. Es kommt zu einem deutlichen Abschwung, welcher besagt, dass eine Vielzahl von Anbietern den Markt verlässt. Die etablierten, in geringer Anzahl vorhandenen Unternehmen, sorgen mit ihren Größenvorteilen dafür, dass Marktzutritte kaum mehr möglich sind. Die Zahl der Netto-Marktzutritte ist jetzt negativ.
Marktbeispiel
Beispielhaft für ein routiniertes Regime ist die aktuelle Automobilindustrie. Hier sind die Markteintrittsbarrieren hoch. Ursache dafür ist eine sehr kapital- und forschungsintensive Produktion, welche einen Markteintritt erschwert. Durch die Verbindung kleinerer, spezialisierter Unternehmen mit den großen Konzernen, sind die Chancen für ein Neuunternehmen sich gegen die Etablierten durchzusetzen sehr gering. Möglich ist jedoch eine Innovation einer neuen Beförderungstechnologie/-möglichkeit.[5]
Ein Entrepreneurhaftes Regime stellt u. a. die Internetökomie seit den 1990er Jahren dar. Hier zeigt sich, dass die üblichen Markteintrittsbarrieren stark abgeschwächt sind. Institutionelle Restriktionen wie Zölle, Normen etc. können im Internet umgangen werden. Marktteilnehmerbezogene Hindernisse wie Kostenvorteile, Kapitalbedarf etc. verringern sich ebenfalls. So können Newcomer auf dem Markt durch geringe Kosten schnellen Zutritt erlangen und den Markt auch schnell wieder verlassen. Übliche, kapitalintensive Investition sind somit nicht mehr erforderlich.[6]
Relevanz der gegenwärtigen Marktveränderungen für Unternehmen
Die Theorie und die Beispiele haben den Vorgang einer Marktveränderung durch die teilnehmenden Wirtschaftssubjekte verdeutlicht. Entscheidend ist der Trend, welcher sich um den Faktor Zeit entwickelt hat. Es zeigt sich, dass die Zeitspanne des anhaltenden Booms bis zum Abschwung immer weiter abnimmt. Aus Sicht der Unternehmen hat sich die Reaktionszeit auf Veränderungen des Marktes im Zeitverlauf somit stark verringert.
Es gilt daher seitens der Konzerne eine Strategie zu entwickeln, mit der auf neue Innovation und Trends schnell reagiert werden kann ohne vom Markt verdrängt zu werden.
Siehe auch
Literatur
- Marietta Babos: Evolutionäre Betrachtung der Marktdynamik: Märkte und Unternehmen im Evolutionstest. 2013, ISBN 978-3-658-10360-6, S. 15–24.
- K. Bleicher: Zum Zeitlichen in Unternehmenskulturen. In: Die Unternehmung. 40. Jg., Heft 4, 1986, S. 259–288.
- Michael Fritsch: Entrepreneurship – Theorie, Empirie, Politik. 2015, ISBN 978-3-662-45393-3, S. 30–32.
Einzelnachweise
- H.-G. Baum, A. G. Coenenberg, T. Günther: Strategisches Controlling. 4. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2007, S. 138.
- K. Bleicher: Zum Zeitlichen in Unternehmenskulturen. In: Die Unternehmung. 40. Jg., Heft 4, 1986, S. 259ff.
- K. E. Boulding: What is evolutionary economics? In: Journal of Evolutionary Economics. Band 1, Nr. 1 1991, S. 12.
- Jerry Ellig, Daniel Lin: A Taxonomy of Dynamic Competition Theories in Dynamic Competition and Public Policy: Technology, Innovation, and Antitrust. 2001, S. 22.
- Anke Mönning: Die Automobilindustrie - Gute Wachstumsperspektiven trotz zukünftiger Herausforderungen. In: GWS Themenreport. Nr. 2, 2011, S. 12.
- Wolfgang Fritz: Markteintrittsstrategien in der Internet-Ökonomie. (= Arbeitspapier. No. 99/21). Technische Universität Braunschweig, Institut für Marketing, 1999, S. 15–17.