Marker Wadden
Die Marker Wadden sind eine künstlich geschaffene Inselgruppe im Markermeer, einem durch Trockenlegung der ehemaligen Zuiderzee ebenfalls künstlich entstandenen See in den Niederlanden. Die Inseln befinden sich etwa vier Kilometer vom Houtribdijk entfernt, der Enkhuizen in der Provinz Noord-Holland und Lelystad in der Provinz Flevoland miteinander verbindet, politisch gehören sie zu Flevoland. In ihrer Gesamtheit sind sie Teil des 2018 eröffneten Nationalparks Nieuw Land. Zur Schaffung der Marker Wadden wurden Sand, Lehm und Schlick aus dem Markermeer selbst verwendet. Hauptziel des Projektes ist die Renaturierung des biologisch armen Sees, der als Folge der Eindeichung vor allem unter der Ablagerung von Schlick leidet. Dieser erstickt das Tier- und Pflanzenleben am Grund des Sees und sorgt für eine erhebliche Trübung des Wassers, wodurch die ökologische Qualität des Gebiets erheblich zurückging. Fische, Krustentiere und Wasserpflanzen haben so nur geringe Überlebenschancen, was indirekt auch zu einem Rückgang der Populationen an Wasser- und Seevögeln führte.
Marker Wadden | ||
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Gewässer | Markermeer | |
Geographische Lage | 52° 35′ N, 5° 22′ O | |
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Anzahl der Inseln | zur Zeit 5 | |
Gesamte Landfläche | 10 km² | |
Einwohner | unbewohnt | |
Die erste Projektphase sah die Schaffung eines ersten Archipels aus fünf Inseln mit einer Gesamtgröße von etwa 1000 Hektar vor und wurde im Jahr 2020 vorerst abgeschlossen. Auf der größten dieser Inseln, der sogenannten Hafen- oder Hauptinsel befindet sich eine Anzahl an Gebäuden, die zusammen die Nederzetting op Marker Wadden (deutsch: „Siedlung auf den Marker Wadden“) formen, eine dauerhafte Besiedelung mit Wohngebäuden ist jedoch nicht vorgesehen.[1] Bei vollständiger Ausführung der Pläne soll ein Natur- und Erholungsgebiet von circa 10.000 Hektar entstehen, was einem Siebtel der Oberfläche des Markermeers entspricht. Davon sollen allein 5500 Hektar auf renaturierte Unterwasserlandschaften entfallen. Damit handelt es sich um eines der größten Naturprojekte in West-Europa. Die Durchführung des Projekts obliegt der Vereniging Natuurmonumenten und der Verkehrsbehörde Rijkswaterstaat.
Die erste neue Insel besitzt eine Größe von 250 Hektar und wurde am 24. September 2016 durch Staatssekretär Martijn van Dam offiziell eröffnet.[2] Seit 2018 ist diese Insel auch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Obwohl es der Name suggeriert, sind die Marker Wadden aus geologischer Sicht kein Wattengebiet, stattdessen stammt das niederländische Wort wadden vom lateinischen Begriff vadum ab, was soviel wie „seichte Stelle“ oder „Furt“ bedeutet.[3] Der Begriff wird hier metaphorisch aufgrund der Landbildung, des Archipelcharakters und des ökologischen Werts des neu entstehenden Gebiets verwendet.
Hintergrund
Das Markermeer entstand im Jahr 1976 durch den Bau des Houtrib- oder Markerwaarddijks, durch den es vom nordöstlich gelegenen IJsselmeer getrennt wurde. Im Normalfall wird das Wasser des Markermeers über das IJsselmeer abgeführt, kann jedoch bei Bedarf auch über eine Reihe von Kanälen in Flevoland in die Veluwerandmeere geleitet werden. Dies wird gelegentlich gemacht, um die Konzentration an Nitraten und Phosphaten in den mehr oder weniger abgeschlossenen Randmeeren rund um die flevoländischen Polder zu senken. Nichtsdestotrotz ist auch die Wasserqualität des Markermeeres selbst alles andere als optimal: Etwa seit den 1990er-Jahren sammelt sich im See in Folge der Eindeichung und des dadurch reduzierten Abflusses zunehmend Schlick an, was insbesondere die Biotope am Seeboden beeinträchtigt. Eine Trockenlegung des Sees zur Schaffung des Polders Markerwaard wurde über viele Jahre diskutiert und geplant, im Jahr 2003 jedoch schließlich endgültig verworfen. Seitdem richten sich die Planungen zunehmend auf eine Verbesserung der ökologischen Situation des Markermeers, unter anderem auch mit dem Ziel, das Gebiet für den Tourismus attraktiver zu machen.
Geschichte
Die Vereniging Natuurmonumenten veröffentlichte 2012 erste Pläne, ein Naturschutzgebiet im nordöstlichen Teil des Markermeers, nicht weit südlich des Houtribdijks, mit einer Reihe von Sandbankinseln als Kernelementen zu errichten. In Anlehnung an das gezeitenabhängig trockenfallende Watt vor der niederländischen Küste wurde der Name „Marker Wadden“ für die neue Inselgruppe vorgeschlagen. Das Markermeer besitzt mangels Gezeitenkräften keine wirklichen Wattbereiche, allerdings fallen bei starkem Wind immer wieder Stellen kurzzeitig trocken, die im niederländischen als windwadden bezeichnet werden. Obwohl die Niederländer über große Erfahrung beim Wasserbau verfügen, gilt die Realisierung des Projekts als technisch schwierig. Der Projektleiter Roel Posthoorn wird hierzu wie folgt zitiert:
“Het Markermeer is 4,5 meter diep en de bodem een grote blubberpoel. Dat is een groot verschil met het opspuiten van eilandjes in meren met een zandbodem. Dit is technisch veel lastiger.”
„Das Markermeer ist 4,5 Meter tief und der Boden ein großer Schlammpfuhl. Das ist ein großer Unterschied zum Aufspülen von Inseln in Seen mit Sandboden. Das ist technisch viel schwieriger.“
Zu Beginn der Baumaßnahmen im Jahr 2016 begann die Firma Royal Boskalis Westminster damit, mit einem Cutterbagger Rinnen am Seeboden zu graben, in denen sich Schlick sammelte, der mit Hilfe der Strömung an die gewünschten Stellen geleitet wurde. Wenn nötig unterstützte man diesen Prozess mit Hilfe von Hochdruckwasserstrahlern. Dadurch entstanden Bedingungen, wie sie auch bei der natürlichen Bildung bestimmter Formen von Atollen herrschen. Zunächst bildeten sich auf diese Weise Unterwasserdämme, an denen sich in der Folge zügig weiterer Schlick ablagerte. Ergänzend begann man mit der Zugabe von Lehm, um den Aufbau der ersten Insel zu beschleunigen.[5] An der Westseite der neuen Insel, wo Strömung und Wind am stärksten sind, wurde der Unterwasserdamm durch einen Wall aus Steinen verstärkt, der über die Wasseroberfläche hinausragt und als „Anker“ der Insel dient. Des Weiteren schützt er heute auch den Rest des Archipels. Nach seiner Fertigstellung wurden an beiden Seiten zusätzliche Sanddämme aufgeschüttet, die im Laufe der Zeit zu etwa zwei bis drei Meter hohen Dünenreihen mit breiten Sandstränden an ihren Füßen anwuchsen. In ihrer Gesamtheit führten diese Maßnahmen zur Bildung eines Areals, das im Nordwesten durch den Steindamm und die Dünenreihen, im Norden, Osten und Süden durch Unterwasserdämme sowie im Südosten durch eine lange Dünenreihe begrenzt ist. Dieser geschützte Bereich ist im Westen und Süden also stärker abgeschlossen als an den übrigen Seiten und enthält heute alle fünf bisher realisierten Inseln. Südwestlich dieses künstlichen Atolls wurde des Weiteren ein Kanal gegraben, über den Schlick in eine Grube im Nordwesten geleitet wird, wo er sich sammeln kann und für weitere Baumaßnahmen zur Verfügung steht. Seit Dezember 2016 fuhr täglich ein Schiff von Monnickendam mit Baggergut zur Baustelle. Die beiden Häfen in Monnickendam mussten hierfür extra vertieft werden. Bis April 2017 wurden so rund 50.000 Kubikmeter Baggerschlamm von Monnickendam zu den Marker Wadden transportiert. Für den Bau der ersten Phase wurden insgesamt 10 Millionen Kubikmeter Schlick und Lehm benötigt, der aus der unmittelbaren Umgebung herangeschafft wurde.
Die eigentliche Konstruktion der Hauptinsel begann im März 2016[6], bereits am 11. Mai war das erste Stück neues Land oberhalb der Wasseroberfläche zu sehen. Natuurmonumenten bezeichnete dieses Ereignis in einer Pressemitteilung als „Meilenstein“ des Projekts.[7] Eine dauerhafte, zu keiner Zeit mehr überspülte Insel entstand allerdings erst nach einer Reihe weiterer Aufspülungen im September 2016. Im Anschluss begann die Gestaltung und Aufforstung des neu geschaffenen Landes mit Sumpf- und Schilfgebieten sowie von Weiden dominierten Wäldchen. Auf Grund der gemachten Erfahrungen bei der Trockenlegung der großen Polder des IJsselmeers fokussiert sich die Entwicklung mittlerweile auf die Schaffung von Schilffeldern, da sich diese als sehr positiv für die Entwicklung der Landschaft herausgestellt haben. Die Ausbreitung der Weidenwäldchen wird verhindert, stattdessen soll über eine Anhebung des Wasserstands die Bildung von Schorren begünstigt werden. Seit dem 8. September 2018 ist die Hauptinsel für die Öffentlichkeit zugänglich, hier befinden sich mittlerweile neben einem Netzwerk aus Wanderwegen ein Jachthafen – was der Insel auch den Namen „Hafeninsel“ einbrachte – sowie ein Besucherzentrum, Spielplätze für Kinder und ein Aussichtsturm.[8] Ihre offizielle Eröffnung erlebte die Insel einige Wochen später am 24. September 2016 durch Staatssekretär Martijn van Dam.
Im März 2017 meldete Natuurmonumenten, dass die Finanzierung für die Schaffung weiterer vier Inseln gesichert sei. Diese neuen Inseln wurden bis 2020 realisiert und bilden nun gemeinsam mit der Hafeninsel einen kleinen Archipel, sind jedoch anders als diese nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Nach dem Trockenfallen im Sommer 2018 bildete sich hier eine ungestörte Sumpfvegetation.[9] Am 20. April 2019, Karsamstag, fuhr das erste reguläre Fährboot von Lelystad zu den Marker Wadden.[10]
Naturentwicklung
Für Natuurmonumenten war es das Hauptziel des Projekts, die Bedingungen für Zug- und Wasservögel im Markermeer zu verbessern. Voraussetzung hierfür war es zunächst eine intaktere Unterwasserfauna als Nahrungsgrundlage wiederherzustellen, wobei besonders den Beständen des Stints eine bedeutende Rolle zukommt.
Beobachtungen der Ökosysteme rund um die Marker Wadden über einen Zeitraum von mehreren Jahren haben gezeigt, dass das Projekt bereits weitgehend als Erfolg bezeichnet werden kann. Laut einem Zwischenbericht von Mai 2020 ist der Effekt der Inseln für die umliegende Natur positiv. So habe etwa die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Wasser erheblich zugenommen, was zu einer Bestandszunahme bei verschiedenen Insektengruppen und Kleinstlebewesen wie Algen und Wasserflöhen geführt hat. Diese wiederum dienen als Nahrung für Fische und Vögel. Im Jahr 2018 wurden auf den Inseln circa 120 verschiedene Vogelarten gezählt, was eine erhebliche Zunahme zu den Vorjahren darstellte. 17 Arten, darunter vor allem Säbelschnäbler, Flussseeschwalbe und Lachmöwe, nutzten die Marker Wadden bereits als Brutgebiet. Im September 2018 wurden an einem einzelnen Tag 17.000 individuelle Vögel gezählt.[11]
Literatur
- Endre Timár: Marker Wadden. Eilanden van morgen. Fontaine Uitgevers, Amsterdam 2021, ISBN 978-94-6404033-3.
Weblinks
- Raumplanung der Marker Wadden bei ruimtelijkeplannen.nl (niederländisch)
- Umweltverträglichkeitsbericht bei lelystad.nl (niederländisch, PDF)
- Marker Wadden bei natuurmonumenten.nl (niederländisch)
Einzelnachweise
- Unieke zelfvoorzienende nederzetting op Marker Wadden. In: monumentaal.com. 3. Juli 2020, abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch).
- Een nieuw stukje Nederland: de Marker Wadden zijn open. In: nos.nl. Nederlandse Omroep Stichting, 24. September 2016, abgerufen am 17. September 2020 (niederländisch).
- The Wadden Sea. In: lancewad.org. Abgerufen am 24. September 2020 (englisch).
- Marker Wadden van saaie bak water naar interessant natuurgebied. In: nos.nl. Nederlandse Omroep Stichting, 23. September 2015, abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).
- Ontwerp Marker Wadden. In: ruimtelijkeplannen.nl. Abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch).
- Marker Wadden Café in Lelystad over bouw van eerste fase van Marker Wadden. In: destentor.nl. 7. April 2016, abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch).
- Allereerste 'ieniemini-begin' van Marker Wadden is boven water. In: nos.nl. Nederlandse Omroep Stichting, 11. Mai 2016, abgerufen am 25. September 2020 (niederländisch).
- Marker Wadden open voor publiek: een nieuwe recreatieve bestemming in het Markermeer. In: rijkswaterstaat.nl. Rijkswaterstaat, 8. September 2018, abgerufen am 23. September 2020 (niederländisch).
- Extra eilanden voor Marker Wadden (Memento vom 9. März 2017 im Internet Archive), abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch)
- Eerste veerboot vertrekt naar Marker Wadden. In: hartvannederland.nl. 20. April 2019, abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch).
- Wilco Meijers: Al 120 vogelsoorten geteld op Marker Wadden. In: natuurmonumenten.nl. Stichting Natuurmonumenten, 19. Januar 2019, abgerufen am 24. September 2020 (niederländisch).