Mario Martinoni
Mario Martinoni (* 26. November 1896 in Minusio; † 8. Februar 1981 in Lugano) war ein Schweizer Offizier. Er war Oberst und Kommandant des Gebirgsinfanterieregiments 32 am Ende des Zweiten Weltkrieges.
Kommandant im 2. Weltkrieg
Auf direkte Weisung des Bundesrates hin[1] verhandelte Oberst Martinoni in den Tagen kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am 27. und 28. April, zwischen ca. 300 deutschen Soldaten, die sich einer Internierung durch die Alliierten oder Festnahme durch italienische Partisanen durch einen eventuell gewaltsamen Grenzübertritt bei Chiasso entziehen wollten, und dem zuständigen alliierten Truppenkommandanten Major Joseph McDivitt in Como. Durch dieses Vorgehen erleichterte Martinoni die Kapitulation der an der Grenze massierten deutschen Truppen gegenüber den Amerikanern, und reduzierte so den Internierungsdruck auf die Schweiz in seinem Sektor stark. Ohne seine Intervention hätten Stadt und Bevölkerung von Chiasso möglicherweise schwere Schäden genommen.[1]
Gleich anschliessend wurde sein Regiment, wie vorher geplant, von der Grenze weg verlegt. Der übermüdete Martinoni erlitt einen Nervenzusammenbruch und äusserte im Schockzustand einem Arzt gegenüber den Wunsch, seinen Vorgesetzten zu töten. Daraufhin wurde er seines Kommandos enthoben.[2][3]
Spätere Beurteilung
Öffentlichkeit und Geschichtsschreibung gingen später im Unwissen über die Weisung des Bundesrates – die aus Neutralitätsgründen geheim blieb – und über Martinonis psychische Erkrankung davon aus, dass Martinoni als disziplinarische Sanktion für sein vermeintlich eigenmächtiges Handeln des Kommandos enthoben wurde.[2] Dies führte im Tessin zu Unmut.
Erst 2010 zeigte der Militärhistoriker Jürg Stüssi-Lauterburg anhand von Zeitdokumenten die wahren Begebnisse auf.[3] In der Antwort auf eine daraufhin eingereichte Motion des Tessiner Ständerates Filippo Lombardi anerkannte die Landesregierung Martinonis Leistung und sprach ihm ihren Dank aus; sie hielt fest: „Hier hat sich ein Kommandant um seine Truppe, um seinen Auftrag, um sein Land, um Menschenleben verdient gemacht.“[1]
Ein Gedenkstein, enthüllt 65 Jahre nach Martinonis Intervention, erinnert in Chiasso an diese Begebenheit.[4]
Literatur
- Elena Aga-Rossi, Bradley F. Smith: Operazione Sunrise. La resa tedesca in Italia 2 maggio 1945. Mondadori, Milano 2005.
- Teodoro Amadò: Una brillante carriera stroncata dalla ragion di Stato. In: «Bollettino della società storica locarnese», Nummer 14, Tipografia Pedrazzini, Locarno 2011, S. 70–94.
- Giuseppe Luigi Beeler: In grigioverde agli ordini del Col Martinoni. In: Rivista Militare, Nummer 2, April 2010, S. 3–5.
- Gemeinde Chiasso: I fatti di Chiasso.[5]
- Chiara Gerosa: Quando il col Martinoni salvò Chiasso dalla guerra. In: Giornale del Popolo. 24. April 2010, S. 6.
- Stefano Giedemann, Luca Filippini: Storia delle truppe ticinesi ricorrendo i 130 anni del Bat fuc mont 95.
- Erich Kuby: Il tradimento tedesco. Übersetzung von Lydia Magliano, (Collana Storica Rizzoli), Rizzoli, Milano 1983, 467 Seiten.
- Vigilio Massarotti: Una vita in grigioverde. Dal caduceo alle spighe. Edizioni Pedrazzini, Locarno 2009.
- Eric Morris: La guerra inutile. La campagna d’Italia 1943–1945. Longanesi, Milano 1993.
- Rivista militare della Svizzera italiana: Chiasso 1945 – Riconoscimento dei meriti del colonnello Mario Martinoni. LXXXII Jahrgang, Nummer 5, settembre-ottobre 2010.
- Alessandro Zanoli: Chiasso, scene dalla guerra. In: Azione, settimanale della Cooperativa Migros Ticinese, 19. April 2010, S. 5.
Archiv
- Archivio cantonale, Truppe ticinesi fondo Martinoni: verschiedene Dokumente, Bellinzona.
Einzelnachweise
- 10.3491 – Motion Filippo Lombardi, Anerkennung der Verdienste von Oberst Mario Martinoni bei den Ereignissen von Chiasso vom 28. April 1945
- Verhandlungen des Ständerates vom 29. Oktober 2010 zur Motion Lombardi, Votum Bundesrat Maurer
- Der Offizier, der Chiasso rettete – und zum tragischen Helden wurde, Tages-Anzeiger, 29. April 2010
- «Die Ereignisse von Chiasso» – Späte Rehabilitierung für Tessiner Oberst Mario Martinoni, NZZ, 27. April 2010
- 28. April 1945. I fatti di Chiasso. (Memento des Originals vom 1. Mai 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Website zum Jubiläum 2010 (italienisch) Hrsg. Gemeinde Chiasso 2010