Loxstedter Totentanz
Der Loxstedter Totentanz ist ein Deckengemälde aus dem 15. Jahrhundert in der St.-Marien-Kirche in der Ortschaft Loxstedt, die zur gleichnamigen Gemeinde Loxstedt gehört und südlich von Bremerhaven im niedersächsischen Landkreis Cuxhaven gelegen ist.
Die Kirche war im Jahr 1371 nach der zweiten Pestwelle im damaligen Erzbistum Bremen, der sogenannten „Kinderpest“, als Kapelle mit drei Jochen gebaut worden. Die Gewölbe wurden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ausgemalt. Thema der Bilder im mittleren Gewölbe ist der schnelle, der plötzliche Tod, dem die Menschen zur Zeit der Pestepidemien ausgesetzt waren.
Totentanz
Der Loxstedter Totentanz im mittleren Gewölbe ist ein Gruppenbild mit drei Personen. Dargestellt wird ein Paar, zwischen dem trennend der Tod steht. Anders als bei anderen Darstellungen des Themas, wo der Tod mit den Menschen im Reigen tanzt (zum Beispiel Lübecker Totentanz), lässt der enge Raum auf der Gewölbekappe eine so großflächige Darstellung hier nicht zu.
Mann und Frau sind als reiches, höfisches Paar in der damaligen Mode gekleidet, abgebildet. Das Spruchband über der Frauendarstellung lautet: lust unde vrolichheit begehrik uppe düsser erde (= neuhochdeutsch etwa: „Lust und Fröhlichkeit begehre ich auf dieser Erde“). Das Spruchband über der männlichen Figur wiederholt den Satz, zusätzlich war hier eine Jahreszahl angegeben, von der das Jahrzehnt fehlt: 14?8. „Lust und Fröhlichkeit“ waren bei vielen Menschen zu jener Zeit das Lebensmotto. Man lebte so, als ob jeder Tag der letzte wäre.
Zwischen den beiden steht der Tod. Er ist nicht in der üblichen Weise als Skelett dargestellt. Welkes Fleisch liegt auf den Knochen. Die Haut wirkt ledern und mumifiziert. Die Körperhöhlen sind ausgeweidet. Zum Beweis, dass es sich um einen toten Körper handelt, sitzen Kröten im Bauchraum und auf dem Brustkorb. Schlangen winden sich um Arme und Beine und sehen aus den Augenhöhlen heraus. In der Hand hält er eine Sense. Ein Bild, was den Menschen vertraut war. Das Spruchband über dem Tod lautet: O Minsch an de Erden wat ick bün dat wisstu werden (= neuhochdeutsch etwa: „O Mensch auf der Erde: was ich bin, das wirst du werden“).
Diese Bußpredigt hatten die Menschen stets vor Augen, denn das Bild befindet sich an hervorgehobener Stelle, in Blickrichtung zum Altar, über dem sich eine Darstellung des Jüngsten Gerichts befand.
Bilder im Kontext
Der Totentanz steht allerdings nicht isoliert. Auf die Bußpredigt folgt für die Menschen eine Lösung: Die Anrufung von Heiligen als Schutzpatrone gegen die Pest soll Hilfe bringen. So ist auf der nördlichen Gewölbekappe der bekannteste Pestheilige abgebildet, St. Sebastian. Auf dem südlichen Gewölbefeld finden wir die Steinigung des Stephanus.
Dem Totentanz genau gegenüber, auf der westlichen Kappe, befindet sich eine monumentale Darstellung des Hl. Christophorus. Er gilt als Patron für ein seliges Sterben. Mit dem Christuskind auf der Schulter ist er symbolisch der Träger der Seelen in das Paradies. Dieses Bild erinnert an den Fährmann Charon aus der griechischen Mythologie.
Weitere Entwicklung
Als die bisherige Kapelle im Jahr 1451 zur Pfarrkirche erhoben wurde, wurde sie nach Osten um ein Chorquadrat verlängert. Das Gewölbe über dem neuen Altar wurde im Zeitgeschmack des damals einsetzenden Annenkultes mit einem Bild der Heiligen Sippe ausgemalt, das heutzutage als sehr gut erhaltene Darstellung bekannt ist.[1]
Die übrigen Motive im neuen Chor sind im Norden die Georgslegende, im Süden die Anbetung Jesu durch die Heiligen Drei Könige und im Westen die Erschaffung Evas, der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies mit einem Cherub mit Flammenschwert.
Bereits im 16. Jahrhundert wurden die Gemälde im Zuge des Bildersturms der Reformationszeit übertüncht. Erst 1910 wurden sie wiederentdeckt und freigelegt, bis auf einige Fehlstellen in der Darstellung des Jüngsten Gerichts und des westlichsten Joches. 1965 wurden sie gründlich restauriert, wobei Zusätze der ersten Restaurierung wieder entfernt wurden. Im Jahr 1999 wurden die Bilder gereinigt und die Bögen und Gewölberippen neu ausgemalt.
Literatur
- Dietrich Diederichs-Gottschalk: Der spätmittelalterliche Pestzyklus in der ev.-luth. St. Marien-Kirche zu Loxstedt. In: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern. Nr. 71, Bremerhaven 1992, Hrsg.: Männer vom Morgenstern, ISSN 0931-8313, S. 29–40.
- Rolf Schmonsees: 300 Jahre lang verdeckt vom Kalk – Kirchenmalerei wird restauriert und Kröten als Zeichen des Todes – Loxstedter Totentanz steht im Mittelpunkt des Pestzyklus'. In: Nordsee-Zeitung. 5. August 1998.
- Publikationen im Niederdeutschen Heimatblatt
- Ulrich Euent: Anna Selbdritt und Heilige Sippe. Ein rätselhaftes Bild aus der Zeit des Vorabends der Reformation. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 815. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven November 2017, S. 1–2 (Digitalisat [PDF; 6,6 MB; abgerufen am 6. Juli 2019]).
- Ulrich Euent: Die Bilder sind uralt, die Botschaft ganz aktuell. Die Totentanz-Darstellung in der St.-Marien-Kirche in Loxstedt. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 845. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven Mai 2020, S. 1–2 (Digitalisat [PDF; 3,5 MB; abgerufen am 1. August 2020]).
Weblinks
- Kirche St. Marien in Loxstedt kirchengemeinde-loxstedt.de
- Kirchenschiff kirchengemeinde-loxstedt.de
- Kurzbeschreibung der Kirche auf der Website von TOURILOX – Verein für Tourismus und Heimatpflege e. V., Loxstedt
Einzelnachweise
- Ulrich Euent: Anna Selbdritt und Heilige Sippe. Ein rätselhaftes Bild aus der Zeit des Vorabends der Reformation. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 815. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven November 2017, S. 1–2 (Digitalisat [PDF; 6,6 MB; abgerufen am 6. Juli 2019]).