Locher
Ein Locher (oder Perforator) ist ein Hilfsmittel im Büro, um in einem definierten Abstand Löcher in den Rand von Papierbögen zu stanzen. Zweck der Löcher ist das Abheften des Papiers in einen Aktenordner, Schnellhefter oder Terminplaner.
Der Locher ist ein Stanzwerkzeug. Für dickere Papierstapel werden zum Lochen Papierbohrer verwendet.
Geschichte
Der Sauerländer Friedrich Soennecken erfand in Bonn[1] den ersten mechanischen und tragbaren Locher für Papier. Am 14. November 1886[2] erteilte ihm das Kaiserliche Patentamt das Patent DRP 40065 für einen Papier-Locher für Sammelmappen, Briefordner u. dergl.[3] Der erste separate Handperforator („Phoenix“) wurde 1901 von der Stuttgarter Firma Leitz verkauft, die zuvor bereits den nach ihr benannten Leitz-Ordner erfunden hatte, dessen Urform allerdings ebenfalls aus dem Hause Soennecken stammte.[4] Ab dem Jahr 1904 verkaufte Leitz den Dokumentenlocher für Behörden,[4] 1925 ist dieser Papierlocher mit einer Mittelmarkierung versehen worden.[5]
Technisches
Zum Zentrieren der Löcher wird das Papier entweder an eine verstellbare Schiene angelegt oder man nutzt eine Mittenmarkierung (Linie, spitzen Zacken am Locher). Indem man es der Hälfte nach an der zu lochenden Seite knickt und dann die Mittenmarkierung an dem Knick ansetzt, zentriert man das Blatt, so dass man es jetzt lochen kann.
Der Abstand zwischen den Löchern ist durch den Perforator vorgegeben. Er beträgt zum Beispiel bei den Papierformaten A4 und A5 acht cm (Mitte Loch zu Mitte Loch gemessen), die Mitte befindet sich bei 148,5 mm bzw. 105 mm. Die Löcher selbst haben einen Durchmesser von etwa 6 mm. Der Abstand von der Blattkante zur Lochmitte beträgt nach ISO zwischen 11 und 13 mm.
Für Papierbögen im A4-Format gibt es Locher mit zwei oder vier Löchern (3×80 mm), für A5-Seiten ebenfalls (die Vier-Loch-Variante hat hier die Abstände 45-65-45 mm). Für Spezialzwecke gibt es auch andere Locher, etwa für das Format DIN A5 sechs Löcher, die in zwei Dreiergruppen angeordnet sind (→Filofax-Terminplaner).
Die Stahlstifte, welche die Löcher in das Papier stanzen, bezeichnet man als Lochpfeifen.
Um einen Papierstapel von 85 Blatt (85 g/m²) mit einem 2-Lochsystem-Locher zu lochen, müssen die Lochpfeifen mit 765 daN durch das Papier gedrückt werden. Hierbei sind auftretende Reibungskräfte berücksichtigt. Die Locher sind darauf ausgelegt, dass eine Druckkraft der bedienenden Person von maximal 45 daN ausreicht, um die angegebene Maximal-Blattanzahl angenehm lochen zu können. Bei scharfen (also neu produzierten) Stahllochpfeifen kann durchaus weniger Kraft benötigt werden. Außerdem hängt die benötigte Bedienkraft von der Form des Lochpfeifenkopfes ab.
Es gibt verschiedene Locher-Modelle für den Hausgebrauch, das Büro und besonders flache und platzsparende Ausführungen für unterwegs. Viele kleine und mittelgroße Locher haben in der Hebelplatte eine ungefähr rechteckige Aussparung, die als Kapselheber dient, so derjenige im Bild „Benutzung eines Papierlochers“.
In der badischen Justiz wird ein spezieller badischer Locher verwendet, mit welchem Aktenstücke an der linken oberen Seite gelocht werden können (vgl. Badische Aktenheftung).
Ausführungen
- Einfachlocher
- Verschiedene Lochermodelle
- Vierfachlocher
- Locher für größere Stapel Papier
- Massiver Registraturlocher mit hölzernem Sockel
- Industrielocher mit Motorantrieb
Internationale Standards und Lochsysteme
ISO 838
Der am weitesten verbreitete Standard für Lochgröße und -abstand ist im internationalen Standard ISO 838 beschrieben. Die Löcher haben einen Durchmesser von 6±0,5 mm. Die Lochmitten liegen 80±0,5 mm auseinander und haben einen Abstand von 12±1 mm zur Papierkante. Die Mitte der Lochung liegt in der Mitte der Papierkante.
Die Lochung nach ISO 838 eignet sich für alle Papierformate mit einer Höhe von mindestens 100 mm, also ISO A7 und größer. Die Breite des Lochrandes ist mit 20 bis 25 mm vorgesehen.
„888“, 4-Loch-Erweiterung von ISO 838
Es gibt eine Erweiterung der ISO-838-Lochung, bei der vier Löcher verwendet werden. Die mittleren beiden werden dabei nach ISO 838 platziert, zwei weitere Löcher werden im Abstand von jeweils 80 mm darüber und darunter gesetzt, sodass alle Löcher im Abstand von 80 mm liegen. Daher wird diese Lochung oft als 888 bezeichnet. Sie ist jedoch nicht offiziell standardisiert.
Diese Erweiterung wird zum Teil in Ringbüchern verwendet, um den Blättern besseren Halt zu geben. Nach dieser Erweiterung gelochte Blätter passen auch in ISO-838-Ordner. Einige ISO-838-Locher haben eine Anlegeschiene mit "888"-Markierung oder auch "3×8"-Markierung und lassen sich so auch für diese Lochung nutzen. Dabei werden zunächst die unteren beiden, dann auf dem gewendeten Papier die oberen beiden Löcher gestanzt.
Diese Lochung eignet sich für alle Papierformate mit einer Höhe von mindestens 260 mm, also ISO A4 und größer. Bei Ringbüchern im Format A5 mit 4-fach-Lochung ist die o.g Vorgehensweise nicht möglich, da der Lochabstand hier 45-65-45 mm beträgt. Um dennoch einen Normallocher mit Anschlagschiene zu verwenden, lässt sich die 3×8- bzw. 888-Markierung nur für die äußeren Löcher nutzen (wie bei A4-Format wird auch hier jedes Blatt mit der Vorderseite und mit der Rückseite am Anschlag gelocht), wobei 2 Löcher entstehen, die überflüssig sind. Für die inneren Löcher muss die Anschlagschiene so eingestellt werden, dass sie etwas weiter als für die A5-Lochung ist. Einige Anschlagschienen haben 7,5 mm von der A5-Raste nach innen einen unmarkierten Rastpunkt. In dieser Stellung kann wieder Vorderseite und Rückseite gelocht werden, so dass die 4-fach-Lochung möglich wird. Allerdings ergeben sich schließlich je Blatt 4 überflüssige Löcher.
Schweden und Finnland
In Europa sind Schweden und Finnland die einzigen Länder mit einem abweichenden System. Dort findet ein Vierlochsystem (triohålning) Anwendung, das aus zwei Löcherpaaren besteht. Der Name triohålning (Triolochung) stammt von dem dazu passenden Trio-Ordner. Die inneren Löcher liegen 70 mm auseinander und die äußeren um 21 mm weiter außen. Dieses System wurde im Jahre 1889 vom Kaufmann Andreas Tengwall in Helsingborg erfunden und ein Jahr später patentiert.
Diese Lochung eignet sich für alle Papierformate mit einer Höhe von mindestens 146 mm, also ISO A6 und größer.
Nordamerika
In den USA, Kanada, Mexiko und auf den Philippinen verwendet man ein Dreilochsystem. Die Löcher liegen 108 mm (4,25 Zoll) auseinander. Im Gegensatz zur ISO 838 ist diese Lochung nicht exakt standardisiert.
Diese Lochung eignet sich für Papier mit einer Höhe von mindestens 240 mm, also Letter-Format und größer.
Außerdem gibt es ein Zweilochsystem, wobei die Löcher 70 mm (2,75 Zoll) auseinander liegen.
Konfetti
Konfetti ist das Abfallprodukt, das beim Lochen von Papier entsteht. Für Karneval und ähnliche Zwecke wird es aber meist industriell hergestellt. Allerdings gibt es auch Speziallocher (sog. Motivlocher), die Konfetti in verschiedenen anderen geometrischen (Dreiecke, Sterne, …) oder sonstigen Formen (Blumen, Schmetterlinge, …) erzeugen.
Weblinks
Einzelnachweise
- Poppelsdorfer Heimatsammlung Stöcker. Soennecken. (Memento vom 19. Juli 2011 im Internet Archive). In: poppelsdorf.de, Öffnungszeiten.
- Xaver Frühbeis: Geburtstag des Lochers (14.11.1886). (Memento vom 2. September 2004 im Internet Archive) In: Kalenderblatt, Bayern2, 14. November 2000, (RTF-Datei, 8 kB).
- Kaiserliches Patentamt: Patentschrift No. 40065. In: espacenet.com / Europäisches Patentamt
- Markenüberblick. Geschichte. (Memento vom 24. Juli 2009 im Internet Archive). In: leitz.com.
- Markenpartner stellen sich vor – Leitz. Eine Marke schreibt Büro-Geschichte. (Memento vom 25. März 2013 im Internet Archive). In: pbs-akademie.com.