Liste der Nationalschätze Japans (Burgen)
Die Sengoku-Zeit, auch Zeit der streitenden Reiche, war ein bewegter Zeitabschnitt der japanischen Geschichte, der nahezu ununterbrochen von militärischen Auseinandersetzungen geprägt war. Feudalherrscher (Daimyō), wie Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi oder Tokugawa Ieyasu, bekämpften einander, um Japan zu einen. Im Verlaufe dieses Zeitabschnittes wurden durch die fortwährenden Auseinandersetzungen viele Festungen und Burgen gebaut. Das Urbild einer japanischen Burg entstammt daher aus den sich anschließenden Zeitabschnitten, der Azuchi-Momoyama- (1573–1603) und der frühen Edo-Zeit.
Ein neues Zeitalter des Burgenbaus begann, als Fürst Nobunaga von 1576 bis 1579 die Burg Azuchi errichtete. Frühere Festungsanlagen der Kamakura- (1185–1333) und Muromachi-Zeit (1336–1573) waren einfache und raumgreifende Konstruktionen. Anders die Burg Azuchi, die mit prächtigen Verzierungen und einer Höhe von sieben Stockwerken zum Vorbild des Burgenbaus jener Zeit wurde. Diese Burg stellte zugleich einen Wechsel in der Funktion von Burgen dar: Burgen waren nun nicht mehr nur Festungen und militärische Garnisonen, sondern Mittelpunkt des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Geschehens. Diese neuen Burgen dienten den Feudalherren jetzt auch als Residenzen für die gesamte Familie und die treuesten Gefolgsleute. Diese Burgen wurden aus Holz und Mörtel auf einem steinernen Fundament erbaut. Im Allgemeinen wurde der Tenshu, der Donjon bzw. Bergfried, am höchsten Punkt errichtet und von ineinander verzahnten Konstruktionen wie Vorburgen, Wällen und Gräben umgeben. Wohngebäude befanden sich in der Regel in der Vorburg. Der Daimyō hielt sich zumeist in der Zitadelle auf.
Alleine in den fast 20 Jahren zwischen 1596 und 1615 wurden 100 bedeutende Burgen erbaut. Der Bau von Burgen erreichte zwischen 1600 und 1615 seinen Höhepunkt. 1600 hatte Tokugawa Ieyasu den Toyotomi-Klan in der Schlacht von Sekigahara besiegt und dessen Truppen bis zur Belagerung von Ōsaka (1615) vollständig aufgerieben. Japan war damit geeint und die Edo-Zeit brach an. In der Folge begrenzte das Tokugawa-Shogunat die Anzahl der Burgen auf eine je Provinz und untersagte 1620 den Bau neuer Burgen gänzlich. Zum Zeitpunkt der Meiji-Restauration, Ende des 19. Jahrhunderts, wurden die Burgen nicht mehr genutzt und sie verwahrlosten. Als Symbol der Herrscher vergangener Zeiten wurden einige Burgen demontiert und sogar als Feuerholz verkauft. Andere wurden von Feuersbrünsten, Erdbeben und Wirbelstürmen zerstört. Lediglich 12 Burgen besitzen noch ihren ursprünglichen Bergfried.
Ausgewiesene „materielle Kulturgüter“ können in Japan seit 1897 auch zu Nationalschätzen erhoben werden. Die Definition und die Kriterien für einen Nationalschatz haben sich im Laufe der Zeit verändert. Alle hier aufgeführten Burgen genügen den aktuellen Bestimmungen des Kulturgutschutzgesetzes, das seit dem 9. Juni 1951 angewendet wird. Die Ernennung zum Nationalschatz erfolgt aufgrund des „besonders hohen geschichtlichen oder künstlerischen Wertes“ und durch den Minister für Bildung.[1][2] Die Liste umfasst vier Burgen mit acht Nationalschätzen, die von der Momoyama-Zeit bis zur frühen Edo-Zeit erbaut wurden. Die Anzahl der Nationalschätze ist de facto also höher, da einzelne Gebäudeteile unter einer Registrierungsnummer zusammengefasst wurden. Die Liste umfasst Wehrtürm (Donjon), (Wach)Türme (Yagura) und Verbindungsgänge.[2]
Kennzahlen
Die acht Nationalschätze sind auf vier Burgen verteilt: Die Burg Himeji besitzt fünf, die Burgen Hikone, Inuyama und Matsumoto je einen. Die Burgen können entsprechend ihrer Lage in drei Burgentypen unterteilt werden: in Höhenburgen (山城, yamajiro), wenn sie auf einer natürlichen landschaftlichen Anhöhe stehen, in Niederungsburgen (平城, hirajiro) und in Motten (平山城, hirayamajiro), wenn sie auf einer künstlich angelegten Anhöhe stehen.
Der Donjon kann in zwei Weisen ausgeführt sein: in der älteren „Bōrōgata-“ (望楼型)[3] oder „Sōtōgata-Bauweise“ (望楼型).[4] Bei der älteren Bauweise wurde ein Wachturm auf ein Wohngebäude oder einen Wohnturm aufgesetzt. Bei der Sōtōgata-Bauweise handelt es sich um Wehrtürme, die ähnlich einer Pagode ein gedecktes Walmdach je Stockwerk besaßen. Diese Bauweise findet man bei der Burg Matsumoto, die ein nahezu quadratisches Fundament hat, wobei sich die Stockwerke nach oben hin verjüngen.[5]
Der Donjon stand selten frei und unverbunden zu anderen Gebäudeteilen. Meist ist er mit Wachtürmen (Yagura) als zusammengesetztes Ensemble (複合式天守, Fukugōshiki Tenshu) aus einem großen (大天守, Daitenshu) und einem kleinen Turm (小天守, Kotenshu) arrangiert und bisweilen durch einen Verbindungsgang (渡櫓, Watariyagura) verbunden.[6] Sind die Türme durch einen Gang direkt miteinander verbunden, spricht man von (連結式天守, Renketsushiki Tenshu).[7] Ein typischer Donjon besaß zwischen drei und sieben äußerlich erkennbare Stockwerke. Die Anzahl der innenliegenden Geschosse kann, wie auch in der europäischen Bauweise, von der Anzahl der Stockwerke verschieden sein.
Legende
Die Spalten der nachfolgenden Tabelle sind mit Ausnahme der Bilderspalte sortierbar.
- Bezeichnung: Bezeichnung des Bauwerks entsprechend der Datenbank für Nationale Kulturgüter.[Anm. 1][Anm. 2]
- Burg: Name der Burg.
- Bauart: Bauart mit allgemeinen Anmerkungen inklusive der Anzahl an Stockwerken / Geschossen.
- Zeitabschnitt: Zeitabschnitt der Erbauung, sortiert nach dem Jahr. Ist kein genaues Datum bekannt, ist das Jahr, in dem der Zeitabschnitt beginnt, hier genannt.
- Ortsangabe: Stadt, Präfektur und geografische Koordinaten des Bauwerks, sortiert nach Präfekturname.
- Bild: Abbildung des Bauwerks; die relevante bauliche Struktur ist durch einen blauen Rahmen gekennzeichnet.
Nationalschätze
Bezeichnung | Burg | Bauart | Zeitabschnitt | Ortsangabe | Bild |
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Donjon (天守, Tenshu)[Anm. 1][8] | Burg Hikone | 本瓦葺): Dabei werden flache, konkave Ziegel mit halbzylindrisch konvexen Ziegel kombiniert.[9] | Donjon, drei Stockwerke mit Kellergewölbe und Eingangshalle. Das Dach ist im Hongawarabuki-Stil eingedeckt (Momoyama-Zeit, 1606 | Hikone, Präfektur Shiga 35° 16′ 35,2″ N, 136° 15′ 6,6″ O |
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Anbauturm (附櫓, Tsukeyagura) und Tamon-Turm (多聞櫓, Tamonyagura)[10][Anm. 1] | Burg Hikone | Wachtürme, Hongawarabuki-Dach. | eingeschossigeMomoyama-Zeit, 1606 | Hikone, Präfektur Shiga 35° 16′ 35,7″ N, 136° 15′ 6,7″ O |
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Großer Donjon (大天守, Daitenshu)[11] | Burg Himeji | [Anm. 3] | Donjon, fünf Stockwerke/sechs Geschosse, im Westen verbunden mit dem ni-Gang, im Norden mit dem i-Gang.Momoyama-Zeit, 1608 | Himeji, Präfektur Hyōgo 34° 50′ 21,7″ N, 134° 41′ 38,7″ O |
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Nordwestlicher, kleiner Turm (乾小天守, Inui Kotenshu)[12] | Burg Himeji | [Anm. 3] | Donjon mit drei Stockwerken, im Osten verbunden mit dem ro-Gang, im Süden mit dem ha-Gang.Momoyama-Zeit, etwa 1609 | Himeji, Präfektur Hyōgo 34° 50′ 22,6″ N, 134° 41′ 37,7″ O |
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Westlicher, kleiner Turm (西小天守, Nishi kotenshu)[13] | Burg Himeji | [Anm. 3] | Donjon, drei Stockwerke, im Osten verbunden mit dem ni-Gang, im Norden mit dem ha-Gang.Momoyama-Zeit, etwa 1609 | Himeji, Präfektur Hyōgo 34° 50′ 21,8″ N, 134° 41′ 37,6″ O |
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Östlicher, kleiner Turm (東小天守, Higashi kotenshu)[14] | Burg Himeji | [Anm. 3] | Donjon drei Stockwerke, an der Westseite mit dem ro-Gang verbunden, im Süden mit dem i-Gang.Momoyama-Zeit, etwa 1609 | Himeji, Präfektur Hyōgo 34° 50′ 22,4″ N, 134° 41′ 39,1″ O |
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Verbindungsgänge I, Ro, Ha, Ni (イ, ロ, ハ, ニの渡櫓, i, ro, ha, ni no watariyagura)[Anm. 3][Anm. 4][15] | Burg Himeji | I-Gang: zwischen dem großen Turm und dem östlichen, kleinen Turm, Höhe 9,03 m auf einem 8,88 m hohen Steinwall, |
Verbindungsgang, zwei Stockwerke.Momoyama-Zeit, etwa 1609 | Himeji, Präfektur Hyōgo 34° 50′ 22,1″ N, 134° 41′ 38,2″ O |
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Donjon (天守, Tenshu)[16] | Burg Inuyama | m, mit eingeschossigen Wachtürmen. | Donjon, drei Stockwerke, Höhe ca. 25Momoyama-Zeit, 1601 | Inuyama, Präfektur Aichi 35° 23′ 18″ N, 136° 56′ 21″ O |
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Donjon (天守, Tenshu)[Anm. 2] | Burg Matsumoto | Donjon, fünf Stockwerke. | Edo-Zeit, frühe Genna-Ära | Tenshu: früheMatsumoto, Präfektur Nagano 36° 14′ 19″ N, 137° 58′ 7,9″ O |
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Kleiner, nordwestlicher Turm (乾小天守, Inui Kotenshu)[Anm. 2] | Burg Matsumoto | Zweiter Wehrturm, drei Stockwerke. | Momoyama-Zeit, Bunroku-Zeit (1592–1596) | Matsumoto, Präfektur Nagano 36° 14′ 19,7″ N, 137° 58′ 7,8″ O |
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Verbindungsgang (渡櫓, Watari yagura)[Anm. 2] | Burg Matsumoto | Verbindungsgang, zwei Stockwerke. | Edo-Zeit, etwa frühe Genna-Ära | früheMatsumoto, Präfektur Nagano 36° 14′ 19,4″ N, 137° 58′ 7,8″ O |
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Südöstlicher Verbindungsturm (辰巳附櫓, Tatsumi tsukeyagura)[Anm. 2] | Burg Matsumoto | Verbindungsturm, zwei Stockwerke. | Edo-Zeit, Kan'ei-Ära (1624–1643) | früheMatsumoto, Präfektur Nagano 36° 14′ 18,8″ N, 137° 58′ 8,3″ O |
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Mondschau-Turm (月見櫓, Tsukimi yagura)[Anm. 2] | Burg Matsumoto | Verbindungsturm, ein Stockwerk | Edo-Zeit, Kan'ei-Ära (1624–1643) | früheMatsumoto, Präfektur Nagano 36° 14′ 18,8″ N, 137° 58′ 8,6″ O |
Siehe auch
Literatur
- Jean-Sébastien Cluzel: Architecture éternelle du Japon - De l'histoire aux mythes. Editions Faton, 2008, ISBN 978-2-87844-107-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- William Howard Coaldrake: Architecture and authority in Japan. Routledge, 1996, ISBN 0-415-05754-X (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- William E. Deal: Handbook to life in medieval and early modern Japan. Oxford University Press, New York 2007, ISBN 0-19-533126-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Kazuo Nishi, Kazuo Hozumi: What is ja architecture? Kodansha International, 1996, ISBN 4-7700-1992-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Peter Dennis, Stephen Turnbull: Japanese castles 1540–1640. Osprey Publishing, 2003, ISBN 1-84176-429-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
Einzelnachweise
- Cultural Properties for Future Generations. (PDF; 1,1 MB) Amt für kulturelle Angelegenheiten, März 2011, archiviert vom Original am 13. August 2011; abgerufen am 26. Januar 2012.
- 国指定文化財 データベース (Datenbank landesweiter Kulturgüter). Amt für kulturelle Angelegenheiten, 1. November 2008, abgerufen am 16. April 2009 (japanisch).
- bourougatatenshu. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 26. Januar 2011.
- soutougatatenshu. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 26. Januar 2011.
- Main Keep. Jcastle - Guide to Japanese Castles, 2011, archiviert vom Original am 18. Dezember 2012; abgerufen am 26. Januar 2011 (englisch).
- watariyagura. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 26. Januar 2011.
- renketsu tenshu. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 9. November 2009.
- 彦根城 (Burg Hikone). jcastle.info, archiviert vom Original am 16. Februar 2009; abgerufen am 26. Januar 2011 (japanisch).
- hongawarabuki. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 26. Januar 2011.
- fukugou tenshu. JAANUS Architekturdatenbank, abgerufen am 28. Januar 2011 (englisch).
- 姫路城大天守 (Großer Donjon der Burg Himeji). Himeji, abgerufen am 26. Januar 2012 (japanisch).
- 姫路城乾小天守 (Nordwestlicher, kleiner Turm der Burg Himeji). Stadt Himeji, abgerufen am 26. Januar 2011 (japanisch).
- 姫路城西小天守 (Westlicher, kleiner Turm der Burg Himeji). Stadt Himeji, abgerufen am 25. Januar 2011 (japanisch).
- 姫路城東小天守 (Himeji Castle East Small Tower). Stadt Himeji, abgerufen am 17. November 2009 (japanisch).
- 姫路城イ・ロ・ハ・ニの渡櫓附台所1棟 (Himeji Castle I, Ro, Ha, Ni-corridors and one attached kitchen). Himeji, abgerufen am 23. Januar 2011 (japanisch).
- Inuyama Castle. Japanese National Tourism Organization, abgerufen am 22. Januar 2011.
Anmerkungen
- Die Bauwerke und Teile, die zur Burg Hikone gehören, sind unter einer Nummer und nur als ein Nationalschatz registriert. Dieser Nationalschatz wird hier der besseren Lesbarkeit wegen in zwei Einträgen aufgelistet.
- Die Bauwerke, die zum Nationalschatz der Burg Matsumoto gehören, sind als ein Nationalschatz unter einer Registrierungsnummer verzeichnet. Hier wird dieser Nationalschatz der besseren Übersichtlichkeit wegen in fünf Teile aufgegliedert.
- Die vier Verbindungsgänge der Burg Himeji sind nach dem Iroha-System mit „I“, „Ro“, „Ha“, „Ni“, entsprechend im Deutschen mit „A“, „B“, „C“, „D“ bezeichnet.
- Die Küche gehört ebenfalls zu diesem Teil des Nationalschatzes.