Lette-Verein
Der Lette-Verein ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts für schulische Berufsausbildungen sowie Träger von drei Berufsfachschulen, einer Fachschule und drei Schulen des Gesundheitswesens in Berlin.
Lette-Verein Stiftung des öffentlichen Rechts | |
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Schulform | Fachschule (privat), Berufsfachschule (privat), Berufsschule (privat) |
Schulnummer | 07P03 |
Gründung | 1866 |
Adresse |
Viktoria-Luise-Platz 6 |
Ort | Berlin-Schöneberg |
Land | Berlin |
Staat | Deutschland |
Koordinaten | 52° 29′ 46″ N, 13° 20′ 28″ O |
Leitung | Petra Madyda |
Website | www.letteverein.berlin |
Geschichte
Am 27. Februar 1866 gründete Wilhelm Adolf Lette den Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts.[1] Der Verein stand unter dem Protektorat der Kronprinzessin Viktoria von Preußen, die den Verein auch finanziell unterstützte. Er war Mitglied im Bund Deutscher Frauenvereine.
Unverheiratete Frauen aus dem Bürgertum hatten zur Zeit der Vereinsgründung nur wenige Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt angemessen zu verdienen, so zum Beispiel als Lehrerin oder Gouvernante. Der Verein unterstützte die Öffnung weiterer Berufsfelder für Frauen. Dazu förderte er Ausbildungsstätten und -institutionen sowie Absatzmöglichkeiten für von Frauen hergestellte Produkte.
Im Unterschied zu dem 1865 in Leipzig von Frauen gegründeten Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF), der sich für ähnliche Ziele einsetzte, stand der Lette-Verein zunächst unter männlicher Leitung. Der Gründungsvorsitzende, Wilhelm Adolf Lette, setzte sich für die Mädchen- und Frauenbildung ein, lehnte aber die politische Emanzipation der Frauen ab. Die Erwerbstätigkeit von Frauen sollte ihre Rolle in der Familie nicht beeinträchtigen, sondern das Leben unverheirateter Frauen sozialökonomisch sichern. In diesem Sinne arbeiteten auch die führenden Frauen des Vereins, u. a. Jenny Hirsch, Ulrike Henschke, Franziska Tiburtius, Katharina von Haxthausen, die in der Ausbildung junger Mädchen und Frauen die persönliche intellektuelle Entwicklung zur Unterstützung ihres natürlichen Berufs als Mutter und Hausfrau hervorhoben.
Erst in der ersten Hälfte des 20. Jh. setzte sich die Ansicht durch, dass eine Erwerbstätigkeit auch Beruf für eine Frau sein kann. Marie Kundt und Anna Köppen waren wesentlich an der Gründung und Entwicklung des ersten Berufsverbandes Technischer Assistentinnen beteiligt. Das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ begann unter der Leitung von Clara von Simson in den 1950er Jahren eine Rolle zu spielen.
Nach dem Tod Wilhelm Adolf Lettes 1868 übernahm seine Tochter Anna Schepeler-Lette den Vereinsvorsitz. Unter ihrer Leitung wurde der Verein zum Schulträger und begann ab 1872 mit einer eigenen Lehrtätigkeit. Ausbildungen in den Bereichen Handel und textiles Gewerbe spielten zunächst eine zentrale Rolle. Es wurden Telegraphistinnen, Elektroassistentinnen, Handelskorrespondentinnen, Setzerinnen, Buchbinderinnen, Kunststickerinnen, Gutssekretärinnen, Diätassistentinnen, Handarbeits- und Gewerbelehrerinnen, Modezeichnerinnen und -direktricen und andere ausgebildet.
1890 wurde unter der Leitung von Dankmar Schultz-Hencke die Photographische Lehranstalt gegründet. Bürgerlichen Frauen, denen noch kein Zugang zu universitärer Bildung möglich war, konnten sich hier auf wissenschaftlicher Grundlage ausbilden lassen, um später in Forschung und Entwicklung an der Seite männlicher Wissenschaftler zu arbeiten. Es entwickelten sich zahlreiche Berufe, die auf der Technik bildgebender Verfahren beruhen und bis heute von hoher Relevanz sind. Dazu gehören die wissenschaftliche Fotografie, die Röntgenfotografie oder die Mikrofotografie – Ausgangspunkte für die heutige Metallographie, medizinisch-technische Assistenz und chemisch-biologische Laborassistenz.
1902 bezog der Verein das von Alfred Messel errichtete Gebäude am Berliner Viktoria-Luise-Platz.[2] Dem Gebäude, als Schulbau für eine Frauenschule konzipiert, liegen der Grundgedanke der Kommunikation und des sozialen Handelns, aber auch das Prinzip der Frauenklause zugrunde. Kreisförmig gruppieren sich um einen großen Innenhof sechs weitere Höfe, die im Grundriss die Form einer Bienenwabe ergeben. Sitzbänke in den Höfen und ausgeweiteten Flurecken schaffen Raum und Atmosphäre für Kommunikation im Sinne sokratischer Lehre. Verwaltung, Bibliothek und Speisesaal befanden sich auf der ersten Etage und bildeten das Zentrum des Geschehens. 1910 wurde eine Fotografieklasse für Männer unter Leitung von Carola Lohde eingerichtet. 1944 wurde der Verein in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt.
Erst 38 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, seit 1982, wurden die Schulen des Lette-Vereins koedukativ. Aus den bestehenden Ausbildungsgängen und im Zusammenhang mit den neuen technischen Entwicklungen sowie den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes entstanden immer wieder neue Ausbildungsgänge wie Elektroassistentin, pharmazeutisch-technische Assistentin, Medieninformatik/Interaktive Animation, Ernährungs- und Versorgungsmanagement.
1984 wurde der Gebäudekomplex durch einen Neubau erweitert, in dem Labore Platz fanden. Heute ist der Lette-Verein ein koedukatives Berufsausbildungszentrum mit den aus seinen Ursprüngen entstandenen Bereichen Ernährung und Versorgung, Gesundheit, Design und Technik.
Der Lette-Verein nahm 2003 am Modellvorhaben Eigenverantwortliche Schule der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport teil. 2006 wurde ein neues Schulprogramm erarbeitet.
Ausbildungen
Grundsätze
Der Lette-Verein ist Träger von drei Berufsfachschulen sowie drei Schulen des Gesundheitswesens – der Berufsfachschule für Design, Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung mit der Fachschule für Ernährungs- und Versorgungsmanagement, der Technischen Berufsfachschule sowie der Schulen des Gesundheitswesens für Medizinisch-Technische Assistenten für Labor und Radiologie(MTA) und Pharmazeutisch-Technische Assistenten (PTA).
Der Lette-Verein unterliegt der staatlichen Kontrolle und die Ausbildungen am Lette-Verein sind staatlich anerkannt. In einigen Ausbildungsgängen können der MSA sowie die BBR und eBBR und die Fachhochschulreife erworben werden. Durch die Gesellschaftsform Stiftung öffentlichen Rechts hat der Lette-Verein unter anderem die Freiheit, das Lehrpersonal selbst zu wählen.
Berufsfachschule für Design
An der Berufsfachschule für Design werden Foto-, Grafik- und Modedesigner auf der Grundlage eines mittleren Schulabschlusses und einer bestandenen Eignungsprüfung in theoretischen und praktischen Unterrichtsfächern drei Jahre lang ausgebildet, wobei die Ausbildungsgänge Grafik- und Modedesign derzeit modularisiert unterrichtet werden. Neben dem Erwerb von künstlerisch-gestalterischen, technischen und handwerklichen Kenntnissen und Fertigkeiten werden die Fähigkeiten zur selbständigen Planung, Arbeitsorganisation, Konzeptentwicklung und Ergebnisbeurteilung in einer beruflichen Erstausbildung entwickelt.
Meisterklasse Modedesign
Seit 2016 gibt es im Ausbildungszweig Modedesign eine Meisterklasse: Jedes Jahr bekommen acht besonders talentierte Absolventen die Möglichkeit, ein zusätzliches Jahr lang mit Atelier in den Räumen des Lette-Vereins, gecoacht zu werden. Dieses Angebot unterstützt die Talente, sich für Wettbewerbe zu qualifizieren, die persönliche Handschrift zu schärfen und häufig auch in Film- und Fernsehproduktionen Erfahrungen zu sammeln (u. a. Berlin Babylon). 2016 gewann Sascha Johrden als einer von 100 Teilnehmenden im Rahmen des Leipziger Opernballs den „Leipziger Opernball Sophisticated Fashion Award“ mit einem handgefertigten Abendkleid. Geleitet wird die Meisterklasse von Jochen Pahnke, Lette-Absolvent, Mitinhaber des Modelabels Kratzert & Pahnke in Berlin-Schöneberg und Fachlehrer für Entwurf, Schnitt und Fertigung.
Die Meisterklasse wird durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales gefördert.
Schulen für Ernährung und Versorgung
An den Schulen für Ernährung und Versorgung werden Assistenten sowie in einer zweijährigen Weiterbildung Betriebswirte für Ernährungs- und Versorgungsmanagement ausgebildet. In diesem Ausbildungszweig gibt es die einjährige integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA). Während der Assistenzausbildung kann der mittlere Schulabschluss (MSA) erworben werden. In der betriebswirtschaftlichen Ausbildung wird gleichzeitig zur Berufsqualifikation die Fachhochschulreife mit der weiteren Option auf den Ausbilderschein erlangt.
Technische Berufsfachschule
An der Technischen Berufsfachschule werden in vollschulischer Ausbildung staatlich geprüfte Technische Assistenten für Informatik mit Schwerpunkt Interaktive Animation, staatlich geprüfte Technische Assistenten für Metallographie und Werkstoffanalyse sowie staatlich geprüfte Technische Assistenten für chemisch-biologische Laboratorien, einer Kombination aus CTA und BTA ausgebildet. Diese Ausbildungsgänge sind zweijährig für Abiturienten (außer Medieninformatik) und dreijährig für Jugendliche mit Mittlerem Schulabschluss. Letztere erwerben mit der Berufsqualifikation auch die Fachhochschulreife.
Die drei Schulen des Gesundheitswesens
Die Schule des Gesundheitswesens für Medizinisch-Technische Assistenten (MTA) bietet zwei Ausbildungsgänge an – einen für Radiologieassistenten (MTR) und einen für Laboratoriumsassistenten (MTL). Die Schule des Gesundheitswesens für Pharmazeutisch-Technische Assistenten (PTA) bietet einen Ausbildungsgang mit dem gleichen Namen an.
Der Lette Design Award by Schindler
Seit 2015 vergibt der Lette-Verein Berlin gemeinsam mit der Firma Schindler den Lette-Design-Award by Schindler. Ausgezeichnet werden jedes Jahr die drei Design-Ausbildungsbereiche des Hauses. Als langjähriger Kooperationspartner ist die Firma Schindler Deutschland AG & Co. KG Hauptsponsor des Awards und sponsert neben der Ausrichtung der Veranstaltung auch den Publikumspreis, der aus einem Preisgeld sowie einem bezahlten Auftrag besteht. Dazu gehört unter anderem die großflächige Gestaltung der Kantine der Firma Schindler durch den Gewinner in der Kategorie Grafikdesign.
15 ausgewählte Lette-Absolventen aus den jährlichen Abschlussklassen Foto-, Grafik- und Modedesign im Lette Verein werden durch die unterrichtenden Designer nominiert. Aus den jeweils fünf Abschlussarbeiten aller drei Designrichtungen wird ein Sieger oder eine Siegerin gekürt. Alle Preise werden von erfolgreichen Absolventen vom Lette Verein Berlin vergeben. Aus diesen Vernetzungen sind seit dem ersten Lette-Design-Award by Schindler bis heute dauerhafte Geschäftsbeziehungen und Anstellungen erwachsen. Dazu gehören Unternehmen wie Foto Meyer, Michalsky, Zalando oder Agenturen wie Goldener Hirsch oder HeymannBrandt.
Persönlichkeiten
Lehrende und Lernende:[3]
- Elise Hannemann (1849–1934), Leiterin der Kochschule
- Mathilde Block (1850–1932)
- Karl Hoffacker (1856–1919), Direktor der Zeichenschule (1884–1889)
- Dankmar Schultz-Hencke (1857–1913), Direktor der Photographischen Lehranstalt (1890–1913)
- Margarethe Raabe (1863–1947)
- Nicola Perscheid (1864–1930),
- Johanna Beckmann (1868–1941)
- Marie Kundt (1870–1932), Direktorin der Photographischen Lehranstalt (1913–1932)
- Alice Salomon (1872–1948)
- Maria Lühr (1874–1969), Leiterin der Buchbinderinnenausbildung
- Käthe Buchler (1876–1930)
- Heinrich Poll (1877–1939)
- Magda Trott (1880–1945)
- Elly Heuss-Knapp (1881–1952)
- Anna Köppen (1881–1965)
- Dora Lux (1882–1959)
- Erich Kux (1882–1977)
- Erna Lendvai-Dircksen (1883–1962)
- Karl Schenker (1886–1954)
- Elsbeth Schragmüller (1887–1940)
- Frieda Riess (1890 bis ca. 1955)
- Angelica Schrader (1890–1976)
- Arthur Köster (1890–1965), Absolvent Fotografie, Architekturfotograf
- Grete Bloch (1892–1944)
- Martha Rosenfeld-Maas (1893–1970)
- Ruth Bang (1897–1972)
- Lotte Wernekink (1897–1976)
- Lily Pincus (1898–1981)
- Maria May (1900–1968)
- Charlotte Rohrbach (1902–1981)
- Anneliese Hager (1904–1997)
- Rosemarie Clausen (1907–1990)
- Jeanne Mandello (1903–2001), Fotografin
- Liselotte Strelow (1908–1981)
- Marianne Breslauer (1909–2001)
- Eva Kemlein (1909–2004), Absolventin Ausbildungsgang Medizinisch-technische Assistentin
- Heinz Ritter (1912–1958) Kameramann und Kriegsberichter
- Gerd Hartung (1913–2003)
- Unica Zürn (1916–1970)
- Cato Bontjes van Beeck (1920–1943)
- Ilse Dubois (1922–2008)
- Werner Kunkel (1922–2017), Lehrer für Naturstudien und Aktzeichnen (1962–1986)
- Ruth Underberg (1924–2002)
- Senta Maria Anna Siller (geb. 1935)
- Michael Otto (Künstler) (geb. 1938), ehemaliger Lehrer im Ausbildungsgang Grafikdesign
- Roger Melis (1940–2009)
- Rotraud von der Heide (geb. 1942)
- Gabriele und Helmut Nothhelfer (geb. 1945)
- Klaus Böger (geb. 1945), ehemaliger Schulsenator in Berlin, im Lette-Verein Dozent für Politik und Sozialkunde ca. 1977–1982
- Ulrike Arens-Azevêdo (geb. 1949), ehemalige Lehrerin im Ausbildungsgang Ernährung und Versorgung
- Reinhard Matz (geb. 1952)
- Kostas Murkudis (geb. 1959), Absolvent Modedesign
- André Giogoli (geb. 1962), Absolvent Fotografie und Lehrer im Lette-Verein
- Frank Sandmann, (geb. 1966), Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Lette-Verein
- Nanna Kuckuck (geb. 1967), Absolventin Modedesign
- Lorenz Kienzle (Fotograf), (geb. 1967)
- Olaf Heine (geb. 1968), Absolvent Fotografie
- Martin Schoeller (geb. 1968), Absolvent Fotografie
- Marcus Bredt (geb. 1968)
Literatur
- Doris Obschernitzki: Der Frau ihre Arbeit! Lette-Verein: zur Geschichte einer Berliner Institution 1866–1986. Berlin 1987, ISBN 3-926175-06-0.
- Lilly Hauff: Der Lette-Verein in der Geschichte der Frauenbewegung. Berlin 1928
- Jenny Hirsch: Geschichte der fünfundzwanzigjährigen Wirksamkeit (1866 bis 1891) des unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich stehenden Lette-Vereins zur Förderung höherer Bildung und Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts. Berlin 1891; d-nb.info (PDF; 88 MB)
- Anna Schepeler-Lette. In: Die Gartenlaube. Heft 18, 1897, S. 308 (Volltext [Wikisource]).
- Max Ring: Das Haus der Berliner Frauen. In: Die Gartenlaube. Heft 25, 1874, S. 400–402 (Volltext [Wikisource]).
Weblinks
Einzelnachweise und Kommentare
- Der Lette Verein Berlin, abgerufen am 20. Dezember 2017.
- Die Einweihung des neuen Lette-Hauses. In: Berliner Tageblatt, 19. Oktober 1902.
- Der Ausdruck „Lehrende und Lernende“ wird im Jahresbericht des Lette-Verein, Berlin 1900 benutzt.