Leigh-Syndrom
Das Leigh-Syndrom (engl.: Leigh's disease), auch als Morbus Leigh oder als subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie bezeichnet, ist eine Erbkrankheit, die zur Gruppe der so genannten Mitochondriopathien gehört. Beim Leigh-Syndrom liegt eine Störung des mitochondrialen Energiestoffwechsels vor. Viele Kaskaden sind betroffen, besonders die Pyruvat-Dehydrogenase und die Cytochrom-c-Oxidase in der mitochondrialen Atmungskette. Der Erbgang kann autosomal-rezessiv, X-chromosomal-rezessiv oder maternal sein.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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G31.8 | Leigh-Syndrom |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Epidemiologie
Etwa einer von 36.000 Menschen ist bei seiner Geburt vom Leigh-Syndrom betroffen.[1]
Pathologie
Der Befund ähnelt einer Wernicke-Enzephalopathie, da schwammförmige Degenerationen und Nekrosen in Stammganglien, Kleinhirn und Hirnstamm vorkommen, sowie Wucherungen von Kapillaren und Glia im Bereich des Chiasma, Nervus und Tractus optici.
Klinik/Symptome
Die Symptomatik bei der subakut nekrotisierenden Enzephalomyelopathie ist sehr variabel und unter anderem abhängig von der betroffenen Hirnregion.[2] Schon im ersten Lebensjahr können viele der folgenden Symptome vorkommen:
- epileptische Anfälle
- Muskelschwäche/-paresen
- Hypotonie
- Schluckschwierigkeiten (Sondenbedarf)
- Augensymptome (Nystagmus, Augenmuskellähmung)
- Atemstörungen
- Entwicklungsverzögerung
Diagnose
- Blut: erhöhte Laktat- und Pyruvatkonzentration
- Liquor- und Urinprobe
- Muskelbiopsie: Nachweis von Ragged-Red-Fibers
Bildgebende Verfahren können bereits im Alter von wenigen Monaten in der Sonographie und später in der Magnetresonanztomographie Veränderungen mit typischen Lokalisationen an Hirnstamm und Basalganglien, sowie Zeichen der Leukodystrophie ergeben und zur Diagnose beitragen.[3]
Differentialdiagnose
Abzugrenzen ist u. a. der Pyruvat-Dehydrogenase-Mangel.
Prognose
Die Prognose ist schlecht. Die Lebenserwartung beträgt für die meisten Patienten nur wenige Jahre.[1]
Therapieansätze
Experten hoffen, dass bald eine Therapie mit Sirolimus möglich wird, welche die tödliche Mitochondriopathie etwas abmildern soll. Zumindest im Mäusemodell konnte die Progression verlangsamt und die Überlebenszeit verlängert werden.[4]
In vitro wurde eine positive Wirkung von Sildenafil auf Nervenzellen, die einem Betroffenen entnommen wurden, beobachtet.[5] In einem Einzelfall konnte der Wirkstoff die Symptome eines Patienten lindern.[6]
Ein Therapieansatz für Frauen mit Kinderwunsch, die die Veranlagung zur Erkrankung in den Mitochondrien tragen, ist es, aus einer ihrer Eizellen den Zellkern zu entnehmen und einer Eizelle einer anderen Frau mit gesunden Mitochondrien, aus der vorher der Zellkern entfernt wurde, einzupflanzen. Dieser experimentelle Ansatz wurde von einem amerikanischen Ärzteteam wegen rechtlicher Vorgaben in Mexiko unternommen.[7]
Tiermedizin
Auch bei Tieren wurde ein dem beim Menschen vorkommenden Leigh-Syndrom weitestgehend identisches und namensgleiches Krankheitsbild beschrieben. Bisher wurde es bei Yorkshire Terriern und Alaskan Huskies nachgewiesen. Bei diesen Hunden verlief das Leigh-Syndrom nach Krankheitsausbruch innerhalb eines Jahres tödlich.[8]
Medizingeschichte
Die Erstbeschreibung des Syndroms stammt aus dem Jahr 1951 und wurde von Archibald Denis Leigh, einem Neuropathologen und Psychiater aus Großbritannien, verfasst.[9] Er beschrieb einen 6,5 Jahre alten Jungen mit rasch fortschreitender Entwicklungsstörung, der innerhalb eines halben Jahres verstarb.[10] Im Gehirn des Jungen wurde ein Krankheitsherd mit Nekrosen und eine Vermehrung der Kapillaren (kapilläre Proliferation) im Hirnstamm nachgewiesen.[2]
Literatur
- David R. Thorburn, Shamima Rahman: Mitochondrial DNA-Associated Leigh Syndrome and NARP. In: GeneReviews. PMID 20301352.
Weblinks
- Leigh-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
Einzelnachweise
- Leigh-Syndrom. In: Orphanet. Institut national de la santé et de la recherche médicale, abgerufen am 18. Februar 2022 (deutsch).
- Olav Jansen, Ulrich Stephani (Hrsg.): Fehlbildungen und frühkindliche Schädigungen der ZNS. 1. Auflage. Thieme-Verlag, 2007, ISBN 978-3-13-137591-9, S. 145.
- A. J. Barkovich: Pediatric Neuroimaging. 2. Auflage. Raven 1995, ISBN 0-7817-0179-1, S. 97.
- S. C. Johnson, M. E. Yanos, E.-B. Kayser, A. Quintana, M. Sangesland, A. Castanza, L. Uhde, J. Hui, V. Z. Wall, A. Gagnidze, K. Oh, B. M. Wasko, F. J. Ramos, R. D. Palmiter, P. S. Rabinovitch, P. G. Morgan, M. M. Sedensky, M. Kaeberlein: mTOR Inhibition Alleviates Mitochondrial Disease in a Mouse Model of Leigh Syndrome. In: Science. 342, 6165, S. 1524–1528. doi:10.1126/science.1244360.
- Markus Schülke-Gerstenfeld: Sildenafil for the treatment of maternally inherited Leigh syndrome (MILS) (cureMILS). In: NeuroCure. Charité - Universitätsmedizin Berlin, abgerufen am 18. Februar 2022.
- Leigh-Syndrom: Wenn der Energiestoffwechsel gestört ist. NDR, 27. September 2021, abgerufen im Jahr 2022.
- Weltweit erstes Baby mit drei Eltern geboren. In: tagesschau.de. ARD, archiviert vom Original am 19. Juli 2017; abgerufen am 18. Februar 2022.
- Erwin Dahmen, Eugen Weiss: Grundriss der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. 6. Auflage. Enke-Verlag, 2007, ISBN 978-3-8304-1048-5, S. 274.
- Leigh AD. Subacute necrotizing encephalomyelopathy in an infant. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1951; 14: 216–221
- Jerome Engel u. a.: Epilepsy: A Comprehensive Textbook. Lippincott Williams&Wilki 2007, ISBN 978-0-7817-5777-5, S. 2627.