Legion (Dämon)
Legion, auch der Dämon von Gadara, oder (übersetzt) Viele, bezeichnet eine im Neuen Testament der Bibel erwähnte dämonische Erscheinung, die auch als „Schweineepisode“ bezeichnet wird. In den Evangelien nach Markus und Lukas wird ein Mann beschrieben, besessen von vielen Dämonen. Im Gegensatz dazu berichtet das Evangelium nach Matthäus von zwei Besessenen, außerdem wird nicht der Name „Legion“ verwendet.
Die Geschichte
Nach der biblischen Erzählung bereiste Jesus „das Gebiet von Gadara“ (lt. Matthäus, in Markus und Lukas „das Gebiet von Gerasa“, allerdings liegt nur Gadara nahe beim See Genezareth), traf dort den/die Besessenen und sprach mit den Dämonen.
Im Evangelium nach Markus ist zu lesen:
- Und er fragte ihn: Was ist dein Name? Und er spricht zu ihm: Legion ist mein Name, denn wir sind viele. (Mk 5,9 )
Ähnlich im Evangelium nach Lukas:
- Jesus fragte ihn: Wie heißt du? Er antwortete: Legion. Denn er war von vielen Dämonen besessen. (Lk 8,30 )
Die Dämonen identifizieren Jesus als „Sohn Gottes“ und bitten ihn, sie nicht in die Hölle (Lk 8,31 ) zu schicken. Tatsächlich aber steht in den griechischen Urtexten kein Wort für das Jenseits, wie zum Beispiel sheol, Gehenna, Hades oder Tartaros. In Markus 5,10 wird das griechische Wort chora verwendet, das mit ‚Gegend‘ übersetzt wird, aber auch einen leeren Raum beschreiben konnte. In Lukas 8,31 steht hingegen abyssos, eine bodenlose Tiefe.
Jesus trieb die Dämonen aus (Apopompe) und kam gleichzeitig ihrer Bitte nach: Er erlaubte ihnen, in eine Schweineherde einzufahren. Die 2000 Schweine stürmten daraufhin in den See Genezareth, wo sie ertranken. Die Schweinehirten flohen und erzählten das Vorkommnis in der Stadt, woraufhin die Bürger den Geheilten und Jesus aufsuchten, „sich fürchteten“ und Jesus baten, ihr Gebiet der Dekapolis zu verlassen. Der Geheilte wollte sich Jesus anschließen, aber Jesus schickte ihn aus, diese Geschichte bekannt zu machen.
Parallelen zur Odyssee
Der Theologe Dennis MacDonald erklärt einige erzählerische Elemente des Markusevangeliums damit, dass Homers Odyssee und Ilias zu Grunde liegen.[1] Für die Geschichte mit Jesus und dem Besessenen können Parallelen mit Odysseus und dem Zyklop Polyphem gezogen werden:
Homers Odyssee | Markus-Evangelium |
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Odysseus erreicht mit mehreren Schiffen und seinen 12 Gefolgsleuten das Land der Zyklopen | Jesus erreicht mit mehreren Schiffen und den 12 Jüngern die Gegend der Gerasener |
Odysseus geht mit 12 Gefährten an Land. Seine anderen Männer sollen im Schiff auf seine Rückkehr warten | Jesus geht an Land, seine Gefährten sollen im Schiff auf seine Rückkehr warten |
Er trifft auf einen übernatürlichen Gegner, den Zyklop Polyphemos | er trifft auf einen übernatürlichen Gegner, die Dämonen, die einen Mann besetzt haben |
der in einer Höhle lebt | der in „Gräbern“ lebt |
Der Zyklop fragt Odysseus nach seinem Namen. | Jesus fragt den Mann nach seinem Namen |
Odysseus antwortet mit einem Wortspiel, eine Mengenangabe: „Niemand“ | Der Mann antwortet mit einem Wortspiel, eine Mengenangabe: „Legion heiße ich; denn wir sind unser viele.“ |
Odysseus besiegt den Zyklopen | Jesus besiegt die Dämonen |
Odysseus Männer entkommen über eine Viehherde (klammern sich an die Bäuche von Schafen) | Die Dämonen entkommen über eine Viehherde. „Und die Teufel baten ihn alle und sprachen: Laß uns in die Säue fahren!“ |
Odysseus kehrt auf sein Schiff zurück und ruft dem Zyklopen zu, wer er wirklich sei, Odysseus, König von Ithaka | Jesus kehrt auf sein Schiff zurück und ruft dem Mann zu, diese Wohltat Gottes zu loben. |
Deutungen
John Dominic Crossan glaubt, die Geschichte könne eine Parabel für den Widerstand gegen die römische Herrschaft sein. Das wäre eine Erklärung, warum in den Evangelien jeweils Gadara, Gerasa und Gergesa als Ort der Handlung angegeben werden: Alle drei stünden synonym für Caesarea, den Sitz des römischen Procurators und Ort des tatsächlichen Geschehens. Diese Deutung entbehrt nicht einer gewissen Originalität, aber sie ist alles andere als plausibel: Alle drei Synoptiker lokalisieren das Ereignis am See Genezareth, dem „Galiläischen Meer“ – Caesarea Maritima liegt aber an der Küste des Mittelmeers, und zwar in Samarien. Auch dürfte keinem griechisch Sprechenden der Fehler unterlaufen, Caesarea zu meinen und Gerasa (so bei Mk und Lk) bzw. Gadara (so bei Mt) zu schreiben.
In seinem Buch Das Messias-Rätsel entwickelt Joseph Atwill eine andere Deutung. Die Geschichte könne demnach eine Darstellung von Titus Flavius Vespasianus (als der Messias) sein, seinen römischen Legionen im Kampf gegen die Zeloten und deren Aufstand in Caesarea Maritima (siehe auch Jüdischer Krieg).
Die Schweine könnten auch eine Anspielung auf die Legio X Fretensis sein, die ab dem Jahr 66 an vielfältigen Kampfhandlungen im Rahmen des Jüdischen Krieges beteiligt war und unter anderem einen Eber als Heeressymbol verwendete.[3] Auch die in Mk 5,13 angegebene Zahl der Schweine („ungefähr 2000“), lässt sich als Indiz für die Plausibilität dieser These werten, da die Legio X Fretensis in der Anfangsphase des jüdischen Krieges nicht in Vollstärke involviert war, sondern nur mit einer 2000 Legionäre starken Vexillation.[4]
Erwähnungen in der Popkultur (Auswahl)
- William Peter Blattys Romanvorlage zu Der Exorzist III trägt den Namen Legion.
- Seit 1997 tritt Legion häufig als Antagonist in der Videospielreihe Castlevania auf[5], zumeist als starker/später/hochrangiger Bossgegner. Dabei hat Legion in der Regel die Gestalt einer schwebenden Masse aus kaum voneinander unterscheidbaren humanoiden Körpern, die an Untote erinnern[6].
- In der Comicverfilmung Ghost Rider nennt sich der Charakter Blackheart selbst Legion, nachdem er am Ende des Films 1000 Seelen absorbiert hat. Er verwendet auch die Worte „… denn wir sind viele.“
- Der Endboss des Videospiels Shadow Man aus dem Jahr 1999 heißt Legion. Er benutzt häufig die Phrase „Denn unser sind viele“; es wird innerhalb des Spiels auch auf die Bibelstelle Mk 5,9 verwiesen.
- Die deutsche Band Tocotronic veröffentlichte 2007 auf ihrem Album Kapitulation den Song Wir sind viele mit der Textzeile „Wir sind viele / Unser Name ist Legion“.
- Der Song Ich bin viele der deutschen Metal-Band Eisregen enthält die Zeile „Denn ich bin viele, mein Name ist Legion“.
- Der Song Fürst der Finsternis des deutschen Musikprojekts E Nomine beinhaltet die Textzeile „Mein Name ist Legion, denn wir sind viele“.
- Ein Charakter in der Videospielreihe Mass Effect nennt sich selbst Legion. Er zitiert aus der Bibel: „I am Legion, for we are many“ und findet den Namen passend, da er die repräsentierende Gestalt eines Kollektivs aus tausenden KIs ist.
- Das Motto des Internetphänomens Anonymous beginnt mit: „Wir sind Anonymous. Wir sind Legion/viele.“
- In der Folge Auf Erden wie in der Hölle (S2E11) der Fernsehserie Salem gibt sich der Dämon, von welchem Mary Sibleys Sohn John besessen ist, als „Legion“ zu erkennen.
Literatur
- Joseph Atwill: Caesar’s Messiah: The Roman Conspiracy to Invent Jesus. Ulysses Press, 2005, ISBN 1-56975-457-8.
- Joseph Atwill: Das Messias Rätsel. Allegria, Ullstein Buchverlage GmbH, 2008, ISBN 978-3-7934-2091-0.
Siehe auch
- Liste griechischer Phrasen: Λεγεὼν ὄνομά μοι. – „Mein Name ist Legion.“
Einzelnachweise
- Macdonald, Dennis R.: Homeric epics and the gospel of mark. Yale University Press, 2010, ISBN 0-300-17261-3.
- Markus-Evangelium. 14. November 2016, abgerufen am 31. März 2019.
- M. Klinghardt, Legionsschweine in Gerasa. Lokalkolorit und historischer Hintergrund von Mk. 5,1-20, ZNW 98 (2007), 28-48.
- M. Lau, Die Legio X Fretensis und der Besessene von Gerasa. Anmerkungen zur Zahlenangabe »ungefähr Zweitausend« (Mk 5,13), Bib. 88 (2007), 351-364
- https://castlevania.fandom.com/wiki/Legion
- https://villains.fandom.com/wiki/Legion_%28Castlevania%29