Kreuzkröte
Die Kreuzkröte (Epidalea calamita, Syn. wissenschaftlich nicht mehr gültig: Bufo calamita[1], Bufo cruciatus, Bufo portentosus) ist die einzige Art der neuen Gattung Epidalea innerhalb der Familie der Kröten (Bufonidae). Sie ist in West-, Nordost- und Mitteleuropa verbreitet. Die Kreuzkröte ist im Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gelistet und damit europaweit streng geschützt.
Kreuzkröte | ||||||||||||
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Kreuzkröte (Epidalea calamita) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Epidalea | ||||||||||||
Cope, 1864 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Epidalea calamita | ||||||||||||
(Laurenti, 1768) |
Merkmale
Die Männchen erreichen je nach Alter eine Körpergröße von vier bis sechs Zentimetern, die Weibchen von fünf bis sieben Zentimetern. Der Rücken ist auf hellerem Grund braun- oder olivfarben marmoriert. Die Hautoberfläche ist trocken und warzig. Die großen Warzen sowie die Parotiden am Hinterkopf sind rötlich gefärbt. Über ihr „Kreuz“ (den Rücken) zieht sich in der Regel eine dünne gelbe Längslinie. Der Körper ist gedrungen, der Kopf nach vorne stark abfallend, die Schnauze gerundet, die Pupille waagerecht elliptisch, die Iris zitronengelb bis grünlich. Vorder- und Hinterbeine sind relativ kurz, so dass Kreuzkröten selten hüpfen, sondern sich charakteristischerweise mausartig krabbelnd vorwärts bewegen. Der hellgraue Bauch weist ein leichtes Muster auf.
- Charakteristisches Zeichnungsmuster des Rückens mit gelber Längslinie, dunkelroten Warzen und hellrötlichen Ohrdrüsen
- Hellgrauer Bauch mit schwachem Muster
- gelblich-grün gefärbte Iris
Spanische Kreuzkröten erreichen wohl größere Körperlängen als mitteleuropäische, so berichten Flindt & Hemmer (1972) von Maximalgrößen bis zu 78 mm bei weiblichen Exemplaren beziehungsweise 77 mm bei Männchen.[2] Kreuzkröten werden in ihrem natürlichen Lebensraum 7–9 Jahre alt, nur in einer Ausnahmepopulation in Südengland betrug die realisierte Lebenserwartung in einem Einzelfall 17 Jahre.[3]
Verbreitung
Die europäische Verbreitung der Art erstreckt sich in West-, Mittel- und Nordosteuropa – von der Iberischen Halbinsel über die Südspitze Schwedens bis ins Baltikum sowie nach Belarus und der Ukraine. Auf den Britischen Inseln existieren nur wenige isolierte Vorkommen, meist an den Küstenlinien. In Irland ist E. calamita als einzige Krötenart vertreten.[4]
- E. calamita aus der Umgebung von Badilla, Spanien
- E. calamita, Naturpark Cabo de Gata-Níjar, Provinz Almeria, Andalusien
- E. calamita, England
In Deutschland kommt die Kreuzkröte – allerdings zerstreut und unstetig – in weiten Teilen vor; Lücken gibt es vor allem in Mittelgebirgen. In vielen Regionen sind die Bestände offenbar rückläufig. Auf manchen Nordseeinseln (z. B. Sylt) mit Dünenlandschaften ist die Kreuzkröte die häufigste Amphibienart. Entgegen früheren Vermutungen liegt dies jedoch nicht an einer besonders hohen Salztoleranz, sondern daran, dass die Dünen und sandigen Vorländer der Kreuzkröte hier einen Vorteil gegenüber anderen Amphibienarten gewähren.[5] Die Besiedelung der Ostseeinseln ist für die Art kein Problem, liegt doch der Salzgehalt der Ostsee deutlich unter dem Niveau der Nordsee. In Nordrhein-Westfalen liegt der Verbreitungsschwerpunkt im Tiefland, hier im Bereich des Rheinlandes sowie im Ruhrgebiet. Der Gesamtbestand wird auf etwa 500 Vorkommen geschätzt (Stand: 2015).[6]
Lebensraum
Ebenso wie die Wechselkröte ist die Kreuzkröte eine Pionierart warmer, offener Lebensräume in Gebieten mit lockeren und sandigen Böden. Das Vorhandensein vegetationsarmer bis -freier Biotope mit ausreichenden Versteckmöglichkeiten als Landlebensraum sowie kaum bewachsener Flach- und Kleingewässer als Laichplätze ist Voraussetzung für die Existenz der Kreuzkröte.
Die Bevorzugung sehr flacher Kleinstgewässer für das Absetzen der Laichschnüre birgt einerseits die Gefahr der Austrocknung, bevor die Larven ihre Metamorphose vollendet haben. Andererseits bieten solche Habitate den Vorteil, dass sie sich sehr rasch erwärmen und keine Fressfeinde im Wasser vorhanden sind. Der laute Ruf der Kreuzkröten ist an die Paarung in jährlich wechselnden Gewässern angepasst – die Partnerin muss nicht nur zur männlichen Kröte, sondern auch zum entsprechenden unbekannten Gewässer gelockt werden.[5] Besiedelt werden Abgrabungsflächen, Binnendünen, Bergbaufolgelandschaften, Brachen, Baugelände, Truppenübungsplätze, Küstendünen, Salzwiesen[5] sowie Ruderalflächen im menschlichen Siedlungsbereich. Selbst in strukturarmen Agrarlandschaften wird die Art manchmal angetroffen, sofern geeignete Laichhabitate zur Verfügung stehen. Bei den genannten Habitaten handelt es sich um Sekundärbiotope. Die Kreuzkröte ist ursprünglich eine Art der heute durch Begradigung und Eindämmung der Flussläufe und dem Bau von Stauwerken sehr selten gewordenen Auenlandschaften, in denen sie auf offenen, trocken-warmen, meist sandigen Standorten optimale Fortpflanzungsbedingungen vorfindet.[7]
Fortpflanzung
Die Männchen erzeugen zur Laichzeit mit Hilfe einer blau gefärbten, großen, kehlständigen Schallblase laute Paarungsrufe, um fortpflanzungswillige Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Die Rufserien lassen sich als metallisch lautes Rätschen („ärr … ärr … ärr“) umschreiben. Nächtliche Kreuzkröten-Rufchöre sind manchmal fast zwei Kilometer weit zu hören. In Mitteleuropa liegt die Hauptrufperiode im April und Mai. Je nach Witterungsverlauf ist auch ein früherer Rufbeginn (Ende März) möglich. Selbst in den Sommermonaten – ausgelöst durch ausgiebige Regenphasen – können weitere Ruf- und Laichperioden stattfinden. Nach der nächtlichen Eiablage verlassen die Weibchen den Laichplatz. Die Männchen dagegen verbleiben noch mehrere Tage am Gewässer.
Die ein- oder zweireihigen, perlenkettenartigen, ein bis zwei Meter langen Laichschnüre werden im Flachwasser direkt auf dem Gewässerboden abgelegt, ohne Bezug zu Pflanzenstängeln oder anderen Vertikalstrukturen. Im Frühstadium sind sie nicht von denen der Erdkröte zu unterscheiden, die dafür aber im zeitigen Frühjahr (Februar/März) ablaicht und die Eischnüre bevorzugt an etwas tieferen Wasserstellen zwischen Stängeln und untergetauchten Ästen verankert. Die Anzahl der schwarzen Eier beträgt zwischen 2800 und 4000, der Eidurchmesser liegt bei einem bis 1,7 Millimetern.[4] Nach dem Verlassen der Eihüllen verharren die Larven noch eine Zeitlang auf der Oberfläche der allmählich zerfallenden Laichschnur. In diesem Stadium sind sie noch nicht zur Nahrungsaufnahme fähig. Als Nahrungsquelle dient ihr Dottersack.
- Bei Nacht rufendes Männchen mit Kehl-Schallblase
- Kreuzkrötenpaar in Amplexus
- Pfütze mit Kreuzkröten-Kaulquappen in einer Kiesgrube
- Laich und Larven der Kreuzkröte
- Kreuzkröte kurz nach der Metamorphose
- Jungtier
Bei günstigen Umweltbedingungen benötigen Kreuzkröten-Kaulquappen nur drei bis sechs Wochen bis zur Metamorphose. Die Dauer der Larvalentwicklung wird von der Wassertemperatur, dem Nahrungsangebot, der Konkurrenzdichte mit anderen Larven sowie der ggf. drohenden Austrocknung des Gewässers beeinflusst. Als minimale Entwicklungsdauer im Freiland gelten 17 Tage, und maximal kann diese zwischen 84 und 100 Tagen betragen.[4] Für frisch metamorphosierte Kröten finden sich meist Reste von Arachniden (Acari) im Kot. Bei älteren Juvenilen weisen insbesondere Chitinstrukturen von Formicidae auf deren Verzehr hin.[8]
Gefährdung und Schutz
Als Pionierbesiedler vegetationsarmer Trockenbiotope mit kleineren, meist temporären Wasseransammlungen sind Kreuzkröten in Deutschland mangels geeigneter Lebensräume existentiell bedroht. Besonders betroffen sind sie von Eingriffen wie Rekultivierung oder Umnutzung von Brachland und ehemaligen Bodenabbaustätten. Eine neuartige Gefährdung stellen nächtliche Ernte- oder sonstige Feldarbeiten dar. Vor allem Nebenerwerbs-Landwirte oder Lohnunternehmer weichen zeitweise zur Verrichtung der Arbeit in die Nachtstunden aus. Dämmerungsaktive Amphibien sind dadurch einer erhöhten Gefahr durch Überfahren oder Ausmähen im Landlebensraum ausgesetzt. Da die natürlichen Flussauen in Mitteleuropa überwiegend durch Begradigungen und Deichbau in ihrer hydrologischen und oberflächenstrukturellen Dynamik stark beeinträchtigt sind, können keine natürlichen Lebensräume für Kreuzkröten und andere Pionierarten mehr entstehen.
Damit sich die Gefährdungssituation der Art nicht verschärft, müssen bestehende Naturschutzmaßnahmen fortgesetzt sowie weitere Schutzprojekte vor Ort ergriffen werden.
Gesetzlicher Schutzstatus (Auswahl)[9]
- Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL): Anhang IV (streng zu schützende Art)
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG): Streng geschützt
Nationale Rote Liste-Einstufungen (Auswahl)
- Rote Liste Bundesrepublik Deutschland: Stark gefährdet
- Rote Liste Österreichs: CR (entspricht: vom Aussterben bedroht)
- Rote Liste Schweiz: EN (entspricht: Stark gefährdet)
- Rote Liste IUCN LC ("Least Concern": Nicht gefährdet), Stand: 2008[12]
Deutschland ist gemäß den Kriterien der Verantwortlichkeitseinstufung der Roten Liste in hohem Maße für die weltweite Erhaltung dieser Art verantwortlich.[13]
In einigen Teilen von Großbritannien und Spanien stellt die Chytridiomykose eine aktuelle Bedrohung dar.
Quellen
Einzelnachweise
- Miguel Vences: The Amphibian Tree of Life: Ideologie, Chaos oder biologische Realität? In: Zeitschrift für Feldherpetologie 14, Heft 2. Laurenti, 2007, ISSN 0946-7998, S. 153–162.
- Rainer Flindt & Helmut Hemmer (1972): Studien über die Kreuzkröte (Bufo calamita) der Iberischen Halbinsel. Salamandra Bd. 8 (3/4), S. 137–151.
- Ulrich Sinsch, Hildegard Lehmann & Arno Geiger (2006): Zur potenziellen und realisierten Lebenserwartung von Kreuzkröten (Bufo calamita). Zeitschrift für Feldherpetologie 13: 101–112, Laurenti-Verlag.
- Ulrich Sinsch: Biologie und Ökologie der Kreuzkröte. Laurenti-Verlag, Bochum 1998. ISBN 3-933066-01-8
- Uwe Dierking: Die Kreuzkröten im Vorland von St. Peter-Ording. In: Umweltbundesamt und Nationalparkverwaltungen Niedersächsisches Wattenmeer/Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Hrsg.): Umweltatlas Wattenmeer. Bd. 1: Nordfriesisches und Dithmarsches Wattenmeer. Eugen Ulmer, Stuttgart 1998/1999, ISBN 3-8001-3491-8, S. 130–131.
- Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen , abgerufen am 1. März 2022.
- Lebensraum für Kreuzkröte in Naturschutzinformationen NRW
- N. Golay, C. Starck & H. Durrer: Das Nahrungsspektrum von Kreuzkröten (Bufo calamita) in den ersten Wochen nach der Metamorphose. Zeitschrift für Feldherpetologie 2, 1995: S. 17–22. Laurenti-Verlag
- Kreuzkröte bei wisia.de
- Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2019): Rote Liste und Gesamtartenliste der Lurche (Amphibien) Bayerns. 27 S., Augsburg.
- Rote Liste und Gesamtartenliste der Amphibien (Amphibia) des Saarlandes 4. Fassung, (PDF; 246 kB), abgerufen am 21. November 2021
- Rote Liste IUCN, abgerufen am 29. Dezember 2021
- Rote Listeder Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands (Memento vom 6. August 2021 im Internet Archive), auf bfn.de, abgerufen am 12. Oktober 2021
Literatur
- T. Beebee & J. Denton J: An evaluation of survey methods for studying natterjack toads (Bufo calamita) outside the breeding season. Amphibia-Reptilia 13, 1992, pp. 365–374.
- B. Dahms & A. Schäfer: Umsiedlung der Kreuzkröten (Bufo calamita) von Trier-Tarforst in die Kenner Flur. Dendrocopos 36, 2009: S. 35–48.
- Rainer Günther (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. Gustav Fischer Verlag Jena, 1996. ISBN 3-437-35016-1.
- Rainer Flindt & H. Hemmer (1967): Ökologische und variationsstatistische Untersuchungen an einer Bufo viridis / Bufo calamita-Population. Zool. Jb. Syst., 94, S. 162–186.
- Rainer Flindt & Helmut Hemmer (1972): Studien über die Kreuzkröte (Bufo calamita) der Iberischen Halbinsel. Salamandra Bd. 8 (3/4), S. 137–151, Frankfurt am Main.
- K.-D. Kühnel, J. Scharon, B. Kitzmann, & B. Schonert: Rote Liste und Gesamtartenliste der Lurche (Amphibia) von Berlin. In: Der Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege /Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Hrsg.): Rote Listen der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere von Berlin, 2017, 23 S.
- Klaus Lörcher, Hans Schneider: Vergleichende bio-akustische Untersuchungen an der Kreuzkröte, Bufo calamita (Laur.), und der Wechselkröte, Bufo v. viridis (Laur.). In: Zeitschrift für Tierpsychologie, Band 32, 1973, S. 506–521.
- Andreas Nöllert, Christel Nöllert: Die Amphibien Europas. Franckh-Kosmos, 1992. ISBN 3-440-06340-2.
- Ulrich Sander: Kreuzkröte – Bufo calamita (Laurenti, 1768). In: Bitz, A., K. Fischer, L. Simon, R. Thiele & M. Veith (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien in Rheinland-Pfalz, Band 1 (GNOR Eigenverlag, Landau), 1996, S. 199–216.
- Hans Schneider: Bioakustik der Froschlurche – Einheimische und verwandte Arten. Mit Audio-CD. Supplement der Zeitschrift für Feldherpetologie 6. Laurenti Verlag, Bielefeld 2005. ISBN 3-933066-23-9.
- Ulrich Sinsch: Biologie und Ökologie der Kreuzkröte. Laurenti-Verlag, Bochum 1998. ISBN 3-933066-01-8.
Weblinks
- Darrel R. Frost: Epidalea calamita, Amphibian Species of the World, Version 6.0, American Museum of Natural History, 1998–2014, abgerufen am 24. April 2014
- Fotos der Kreuzkröte bei www.herp.it
- Information zur Kreuzkröte in Österreich bei www.herpetofauna.at
- Epidalea calamita in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2010. Eingestellt von: Beja, P. et al., 2008.
- Kreuzkröte und Wechselkröte Überlebenskünstler in der Kiesgrube, Broschüre des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Sachsen, 2020
- Neubaugebiet am Pankower Tor, wichtigstes Berliner Vorkommen der streng geschützten Kreuzkröte , abgerufen am 14. Oktober 2021
- Sielmanns heimische Tiere - Video: Die Kreuzkröte , abgerufen am 4. März 2022