Klaus-Jürgen Bruder

Klaus-Jürgen Bruder (* 8. Oktober 1941 i​n Leipzig) i​st ein deutscher Psychologe u​nd Psychoanalytiker.

Leben

Bruder studierte Psychologie, Soziologie u​nd Politische Wissenschaft i​n Würzburg u​nd Heidelberg u​nd legte 1972 e​inen „Entwurf d​er Kritik d​er bürgerlichen Psychologie“ a​n der Universität Hannover b​ei Peter Brückner a​ls Dissertation vor. Da Brückner w​egen des Vorwurfs d​er Unterstützung d​er RAF a​b 1972 für z​wei Semester v​om Dienst suspendiert worden war, übernahm Klaus Holzkamp d​as Verfahren z​ur Promotion. 1982 habilitierte s​ich Klaus-Jürgen Bruder m​it der Arbeit „Psychologie o​hne Bewusstsein: Die Geburt d​er behavioristischen Sozialtechnologie“. Seit 1971 i​st er Hochschullehrer, zunächst i​n Frankfurt a​m Main, d​ann in Hannover u​nd ab 1992 a​n der Freien Universität Berlin. Er i​st verheiratet m​it der Psychoanalytikerin Almuth Bruder-Bezzel, l​ebt in Berlin u​nd ist Vorsitzender d​er Neuen Gesellschaft für Psychologie.

Werk

Die Arbeiten von Bruder drehen sich um die – von Herbert Marcuse inspirierte – Frage, weshalb Herrschaft so stabil ist, dass ihre Geschichte lediglich von kurzen Momenten der Befreiung unterbrochen wird.[1] Den Ausgang bilden die in den Jahren der Studentenbewegung entstandenen Arbeiten Bruders zur Psychologie-Kritik im Rahmen der Projekte der Kritik der bürgerlichen Wissenschaften.[2] Gegenüber Klaus Holzkamp betont Bruder den eigenständigen Stellenwert der „Kritik“, die ihre Bedeutung im Rahmen der Bewegungen zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse besitzt.[3] Diese Position ist in den postmodernen Diskursen wiederzufinden, innerhalb derer Klaus-Jürgen Bruder seine Position einer Psychologie des „Diskurses der Macht“ unter Bezugnahme auf Lyotard, Deleuze, Guattari, Lacan, Foucault und Derrida entwickelt hat.[4]

In d​er linken Tageszeitung junge Welt n​immt er regelmäßig z​u fachlich-tagespolitischen Fragen Stellung.[5]

Veröffentlichungen

  • Taylorisierung des Unterrichts. Zur Kritik der Instruktionspsychologie. In: Kursbuch 24, Kursbuch Verlag, Berlin 1971.
  • Kritik der bürgerlichen Psychologie. Zur Theorie des Individuums in der kapitalistischen Gesellschaft, (Hg.), Frankfurt (Fischer) 1973.
  • Kritik der pädagogischen Psychologie. Falsche Theorien einer falschen Praxis, (Hg. zusammen mit anderen), Reinbek (Rowohlt) 1976.
  • Psychologie ohne Bewusstsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie, Frankfurt (Suhrkamp) 1982.
  • Jugend. Psychologie einer Kultur, (mit Almuth Bruder-Bezzel) München (Urban & Schwarzenberg) 1984.
  • Subjektivität und Postmoderne. Der Diskurs der Psychologie, Frankfurt (Suhrkamp) 1993.
  • Monster oder liebe Eltern. Sexueller Mißbrauch in der Familie, (Hg. mit Sigrid Richter-Unger) Berlin, Weimar (Aufbau-Verlag) 1993, 2. Auflage: Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1997.
  • „Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben“[6], Gießen (Psychosozial-Verlag) 2003.
  • Kreativität und Determination. Studien zu Nietzsche, Freud und Adler (mit Almuth Bruder-Bezzel), Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2003.
  • Individualpsychologische Psychoanalyse, (hg. mit Almuth Bruder-Bezzel), Frankfurt am Main (Peter Lang) 2006.
  • Lüge und Selbsttäuschung, (mit Friedrich Voßkühler), Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2009.

Einzelnachweise

  1. Bruder, K.-J. (2004): Zustimmung zum Diskurs der Macht. Prolegomena zu einer Theorie der Subjektivierung. Psychologie & Gesellschaftskritik 111/112, 2004, S. 7–37; Bruder, K.-J. (2005): Das Unbewusste, der Diskurs der Macht. In: Michael Buchholz und Günter Gödde (Hrsg.): "Macht und Dynamik des Unbewußten - Auseinandersetzungen in Philosophie, Medizin und Psychoanalyse", Bd. II, Gießen (Psychosozial-Verlag) 2005, 635–668; Bruder, K.-J. (2007): La condition postmoderne – est-ce qu´elle est passée? Eine Zeitdiagnose. In: Gestalttherapie 21 (1), 2007, 3–23; Bruder, K.-J. (2007): Consent to the discourse of power. Radical Psychology, Spring issue
  2. s. u. a. Bruder, K.-J. (1970): Kognitive Kontrolle der Motivation. In: Zeitschrift für Sozialpsychologie 1, 1970; Bruder, K.-J. (1971): Taylorisierung des Unterrichts. In: Kursbuch 24, 1971; Bruder, K.-J. (1972): Verhalten als Funktion der Bedingungen von Verhalten. In: Bruder, K.-J., Brinkmann, H. & Münch, R. Wissenschaftstheorie und gesellschaftliche Praxis. Gießen (edition 2000) 1972; Bruder, K.-J. (1973): Wissenschaftskritik und politische Praxis: Beispiel Psychologie. Diskus 1, 1973; Bruder, K.-J. (1973): „Zur Funktion der Kritik der bürgerlichen Psychologie“ und „Entwurf der Kritik der bürgerlichen Psychologie“ in: (Bruder, K.-J. (Hg.)): Kritik der bürgerlichen Psychologie. Zur Theorie des Individuums in der kapitalistischen Gesellschaft. Frankfurt (Fischer); siehe auch die dort zitierten früheren Arbeiten Bruders
  3. Bruder, K.-J. (1971): Kritische Psychologie oder Kritik der Psychologie? Organ der Basisgruppen Psychologie 2; Bruder, K.-J. (1977): Erster Eindruck vom Kongreß `Kritische Psychologie' in Marburg. Psychologie & Gesellschaft 2, 1977; siehe auch Holzkamp, K. (1972): Kritische Psychologie, Frankfurt (Fischer), S. 251 ff.
  4. S. z. B. Bruder, K.-J. (1997): Von der Notwendigkeit, das Gespräch mit den Gespenstern zu führen. Zu: Derrida: Marx´ Gespenster. in: Handlung, Kultur, Interpretation 10, 1997, 127–137; Bruder, K.-J. (2003): Stichwortartikel “Psychoanalyse und Semiotik” zum Handbuch “Semiotik”. Hrsg. von Roland Posner, Klaus Robering & Thomas A. Sebeok. Berlin, New York 2003: Walter de Gruyter, S. 2483–2510; Bruder, K.-J. (2006): Die Freudsche Erzählung von Ödipus als Mythos der Macht. In: K.-J. Bruder & A. Bruder-Bezzel (Hg.) Individualpsychologische Psychoanalyse. Frankfurt/New York: Peter Lang; Bruder, K.-J. (2007): La condition postmoderne – est-ce qu´elle est passée? Eine Zeitdiagnose. In: Gestalttherapie 21 (1), 2007, 3–23;
  5. Siehe etwa: "In Auseinandersetzung der Klassen nimmt Gewalt zu.", in: junge Welt, 8. Mai 2019.
  6. So Sigmund Freud im Brief vom 31. Mai 1936 an Arnold Zweig. In: Freud, S. Briefe 1873–1939. Frankfurt (Fischer) 1960, S. 423
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