Karl Nagel (Politiker, 1960)
Karl Nagel (eigentlich Peter N. Altenburg; * 9. Dezember 1960 in Wuppertal) ist ein deutscher Künstler und Politiker. Seit 1981 trägt er den Künstlernamen „Karl Nagel“. Er war maßgeblich an den Chaostagen und der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD) beteiligt und trat als APPD-Kanzlerkandidat zur Bundestagswahl 1998 an. Durch gezielte Desinformation und das Spiel mit der Erwartungshaltung von Massenmedien und anderen Beteiligten gelang es ihm, mit Flugblättern und über das Internet eine breite Öffentlichkeit zu schaffen.[1][2]
Politische Aktivitäten
Seine anarchistischen Aktionen lassen sich als praktische Beispiele situationistischen Handelns verstehen. In den 1980ern war Nagel Mitinitiator der Hannoverschen Chaostage und der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD) sowie Herausgeber und Hauptautor der Parteizeitung Armes Deutschland.[3] In den 1990er Jahren war er treibende Kraft bei der Neugründung der APPD und der Wiederauflage der Chaostage ab 1994.
Im Jahre 2001 traf er sich mit dem Neonazi Christian Worch und sorgte so für einige Verwirrung. Am 1. September 2002 beendete er seine politische Tätigkeit mit einem inszenierten „politischen Selbstmord“.[4] In seinen „Bunkerbriefen“ dokumentierte er den Weg zu dieser Entscheidung und übte Kritik an den radikalen Rändern des politischen Spektrums und an der Konkurrenzgesellschaft.[5]
Für die vorgezogene Bundestagswahl 2005 war er als Wahlkampfmanager der APPD tätig. Seine Kampagne brachte es bis auf Seite Zwei der Bildzeitung, der damalige Innenminister Otto Schily war über den Wahlwerbespot[6] empört.[7][8]
Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg 2015 sollte er als Spitzenkandidat der Partei Die PARTEI antreten. Doch im November 2014 kam es wegen „unüberwindbarer programmatischer Differenzen“ zu einer einvernehmlichen Trennung.[9] Nagel hatte erklärt, die Weltherrschaft an sich zu reißen und die Menschheit ausrotten zu wollen.
Autor und Herausgeber
Als Herausgeber und Autor der Science-Fiction- und Comic-Magazin „Gorgol“ und „Fantastrips“ trat Karl Nagel erstmals öffentlich in Erscheinung. In den 1980er Jahren brachte er sechs Ausgaben seiner Punk-Szenezeitschrift „Hackfleisch“ heraus, die die Entwicklung der Punkszene kontrovers kommentierte. In den 1990er Jahren wurde Nagel als Autor des Punk/Hardcore-Magazins ZAP tätig und gab 1995 die Sonderausgaben „Streetpunk“, „Punker-Terror“ sowie die ersten „Bunkerbriefe“ heraus.
2005 gründete Karl Nagel das Zeichnerstudio Alligator Farm in Hamburg.[10] Mit Wittek konnte er einen erfahrenen Comic-Zeichner für die Ausbildung von jungen Talenten gewinnen. Aus dieser Kaderschmiede entstammen die Comic-Zeichner Vincent Burmeister, Simone Kesterton, Philip Cassirer und Till Felix.
Im Rahmen der Alligator Farm[11] und durch seine Kontakte zu Klaus N. Frick, dem Chefredakteur der Perry-Rhodan-Serie, ließ er die Perry-Rhodan-Comics neu entstehen.[12] Nachdem Karl Nagel 2007 seine Tätigkeit für die Alligator Farm beendet und den Verlag Mitarbeitern übergeben hatte, kehrte er 2011 als Produzent der Hauptgeschichte der Perry-Comics zur Alligator Farm zurück. Zuvor hatte er in einem neuen Verlag sechs Ausgaben des Comicmagazins „DIE!ODER WIR“[13] herausgegeben und dabei nach einer Anzeige des Verfassungsschutzes einem Indizierungsantrag der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien erfolgreich entgegenwirken können.[14]
Im Februar 2012 ergriff Nagel nach 17 Jahren schwerer Internetsucht „Maßnahmen zwecks Erlangung mentaler Souveränität“ und dokumentierte die Fortschritte in seinem Blog „Brain regain“.[15]
Im Dezember 2018 erschien sein Buch Schlund im Berliner Hirnkost Verlag.[16][17]
Musik und Kabarett
1984 startete Karl Nagel als Sänger in der Punkband Alte Kameraden. Im Jahresabstand wurde die Band umbenannt: Aus den Alten Kameraden wurde Preußens Gloria und daraus Morbid Outburst. 1988 ließ Karl Nagel mit der Neugründung der Hardcore-Band Militant Mothers den Punkrock hinter sich. Nach mehreren LPs wurden 1992 die Militant Mothers aufgelöst und Karl Nagel nahm für über eineinhalb Jahrzehnte Abschied von der Musik. Seit 2008 stand Nagel wieder als Frontman der Band Kein Hass da auf der Bühne. Dafür übersetzte er diverse Songs der amerikanischen Band Bad Brains ins Deutsche, wobei sein Schwerpunkt nicht die wortwörtliche Übersetzung war, sondern der Rhythmus der Sprache sowie die Tonalität des gesungenen Textes.
2010 begann Karl Nagel mit dem Idiotenklavier ein weiteres Projekt. Entlang seiner eigenen Biographie kommentierte er hier Erlebnisse aus früheren Jahren und sang dazu passende Songs dieser Zeit. Ergänzt wurde die Live-Präsentation durch kabarettistische Elemente, Filme und Fotos. Mit diesem Programm tourte er seit 2011 durch viele deutsche Städte.
Für den Deutschlandfunk sollte Karl Nagel über die Premiere des Theaterstücks Chaostage – Der Ausverkauf geht weiter in der Cumberlandschen Galerie des Staatstheater Hannover berichten. Dabei wurde er von einem der Schauspieler angesprochen und griff diesem in den Schritt.[18][19]
Film und Foto
Seit 2007 betreibt Nagel ein Fotoarchiv zur Deutschen Punk-Szene. Es ist mittlerweile die vermutlich größte Sammlung von Punkrockfotos der Welt.[20] 2008 wirkte Karl Nagel als Interviewpartner in dem Punkfilm Chaostage – We Are Punks! von Tarek Ehlail mit. Er stellte Archivmaterial zur Verfügung und unterstützte die Produktion beratend und mit Kontakten.
Karl Nagel ist verheiratet, hat eine Tochter[21] und lebt zeitweise in Südfrankreich.
Veröffentlichungen
Buch
- Schlund. Archiv der Jugendkulturen, Hirnkost, Berlin 2018, ISBN 978-3-947380-22-0
LP
- Hymnen aus dem Schlund, Vinyl, LP, Kino Ohne Talent, D 2018
Weblinks
- karlnagel.de
- Punkfoto-Archiv
- Archiv zu den Chaostagen (Memento vom 7. Februar 2005 im Internet Archive)
- Kurzbio (Memento vom 13. März 2010 im Internet Archive)
- Freibier mit dem Pogokanzler. einestages, 20. September 2017; Interview mit Karl Nagel
- Karl Nagel bei Discogs
Einzelnachweise
- Ernst Corinth: Der Informationsvergifter (Memento vom 26. März 2007 im Internet Archive). Süddeutschen Zeitung vom 29. August 1997.
- Ernst Corinth: Expo und Chaos-Tage 2000. In: Telepolis. 13. Februar 2000
- Ute Wieners: Zum Glück gab es Punk, Edition Region und Geschichte, Verlag Arbeitskreis Regionalgeschichte, Neustadt 2012, ISBN 978-3-930726-18-9, S. 195 ff.
- Karl Nagels politischer Selbstmord 2001 auf YouTube
- Joachim Hiller: Interviews: Karl Nagel, Kein Hass da in: Ox-Fanzine Juni/Juli 2009
- APPD-Wahlkampfspot 2005 auf YouTube
- Wahlwerbung: APPD-"Skandalspot" nicht mehr im TV in: Stern.de vom 12. September 2005
- Anarchisten: Wie die Pogo-Partei die Wahl feierte. In: Spiegel Online. 19. September 2005 (spiegel.de [abgerufen am 28. Januar 2018]).
- Karl Nagel schmeißt den Eimer hin, Die PARTEI Landesverband Hamburg, 24. November 2014
- Andreas Michalke: Menschenfresser und Toilettenhumor. In: Jungle World. Nr. 24, 15. Juni 2006
- Perry Rhodan kommt aus Bahrenfeld in: Hinz&Kunzt 156/Februar 2006
- Klaus N. Frick: Ein ganz neuer Perry-Comic. (Memento vom 6. Januar 2009 im Internet Archive) perry-rhodan.net, 17. März 2006
- Christian Fuchs: Amok-Comic sorgt für Kontroverse in: Spiegel Online vom 24. März 2009
- Joachim Hiller: Interviews: Karl Nagel, in: ox-fanzine
- Blog karl nagel … brain regain (Memento vom 3. Juli 2012 im Internet Archive)
- Schlund in der Deutschen Nationalbibliothek
- Verlagsinformation zu Schlund
- "Chaostage" am Staatstheater Hannover: Ein Punk greift ein, Karl Nagel im Gespräch mit Gesa Ufer, Deutschlandfunk, 11. Dezember 2017
- Ronald Meyer-Arlt: Punk im Theater: „Chaostage –Der Ausverkauf geht weiter“ auf der Cumberlandschen Bühne. Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10. Dezember 2017
- Ernst Corinth: Als die Welt noch in Ordnung war. Telepolis, 17. Januar 2007
- Chaostage 1983: „So ein Leben hältst du nicht ewig durch“. In: einestages. Abgerufen am 8. Oktober 2016.