Kanonische Zerlegung
Im mathematischen Gebiet der Darstellungstheorie ist die kanonische Zerlegung eine Zerlegung von Darstellungen in einfachere Darstellungen.
Vollständig reduzible Darstellungen
    
Eine Darstellung einer Gruppe ist ein Homomorphismus von in die Automorphismengruppe eines gegebenen Vektorraums . Die Gruppenverknüpfung in entspricht dem Hintereinanderausführen von Automorphismen in : . Wenn ein -dimensionaler Vektorraum über einem Körper ist, dann besteht die Darstellung dementsprechend aus invertierbaren -Matrizen mit Koeffizienten aus .
Die Darstellung (bzw. der Darstellungsraum ) heißt irreduzibel, falls es nur die beiden trivialen -invarianten Unterräume und von gibt. Ist eine direkte Summe von irreduziblen Darstellungen von G, so heißt vollständig reduzibel. Insbesondere ist jede irreduzible Darstellung vollständig reduzibel.
Jede Darstellung einer endlichen Gruppe in einen endlich-dimensionalen komplexen Vektorraum ist vollständig reduzibel, siehe Weyls unitärer Trick. Allgemeiner gilt für eine Darstellung einer endlichen Gruppe  in einen Vektorraum  über einem Körper der Charakteristik  stets:
Sei  ein -invarianter Unterraum von  Dann existiert das Komplement  von  in  und  ist ebenfalls -invariant.
Dieses Resultat gilt allgemeiner auch für Darstellungen kompakter Gruppen:
Jede lineare Darstellung kompakter Gruppen über einem Körper der Charakteristik  ist eine direkte Summe irreduzibler Darstellungen.
In der Formulierung der -Moduln bedeutet dies: Ist  so ist die Gruppenalgebra  halbeinfach, d. h., sie ist die direkte Summe einfacher Algebren.
Diese Zerlegung ist nicht eindeutig. Allerdings hängt die Anzahl der auftretenden Teildarstellungen, die zu einer gegebenen irreduziblen Darstellung isomorph sind, nicht von der gewählten Zerlegung ab.
Die kanonische Zerlegung
    
Um eine eindeutige Zerlegung zu bekommen, fasst man alle zueinander isomorphen irreduziblen Teildarstellungen zusammen. Man zerlegt den Darstellungsraum also in die direkte Summe seiner Isotypen. Diese Zerlegung ist eindeutig. Sie heißt die kanonische Zerlegung.
- ,
wobei jedes die Summe von Kopien einer irreduziblen Darstellung ist. Man hat also
- .
Die Summanden heißen die Isotypen der Darstellung .
Eigenschaften
    
Sei die kanonische Zerlegung einer Darstellung .
- Jede zu isomorphe Teildarstellung von ist in enthalten.
- Die kanonische Zerlegung ist eindeutig, d. h. unabhängig von der ursprünglichen Zerlegung in irreduzible Darstellungen.
- Die Endomorphismenalgebra ist isomorph zur Matrixalgebra .
- Die Endomorphismenalgebra ist isomorph zur direkten Summe , blockdiagonal bzgl. der kanonischen Zerlegung.
Seien kanonische Zerlegungen zweier Darstellungen . Dann bildet jeder -äquivariante Homomorphismus
auf ab.
Projektionsformel
    
Sei die Familie aller irreduziblen Darstellungen einer Gruppe bis auf Isomorphie. Sei Sei eine Darstellung von und die Menge der Isotypen von Die Projektion zur kanonischen Zerlegung ist gegeben durch
wobei und der zu gehörige Charakter ist.
Im Folgenden sehen wir, wie man den Isotyp zur trivialen Darstellung bestimmen kann.
Für jede Darstellung  einer Gruppe  mit  definiere 
Im Allgemeinen ist  nicht -linear.
Setze 
Dann ist  eine -lineare Abbildung, da  für alle 
- Proposition
Die Abbildung ist eine Projektion von nach
Mit dieser Proposition können wir nun explizit den Isotyp zur trivialen Teildarstellung einer gegebenen Darstellung bestimmen.
Die Anzahl, wie oft die triviale Darstellung in  auftritt, ist gegeben durch die Spur von  Dies folgt, da eine Projektion nur die Eigenwerte  und  haben kann und der Eigenraum zum Eigenwert  das Bild der Projektion ist. Da die Spur die Summe der Eigenwerte ist, erhält man somit
wobei  den Isotyp zur trivialen Darstellung bezeichnet und 
Sei  eine nicht triviale irreduzible Darstellung von  dann ist der Isotyp zur trivialen Darstellung von  der Nullraum. D. h., es gilt
Sei eine Orthonormalbasis von Dann gilt:
Damit gilt also für eine nicht triviale irreduzible Darstellung
Beispiele
    
    Beispiel 1
    
Sei die Diedergruppe der Ordnung mit Erzeugern für die gilt und Sei eine lineare Darstellung von auf den Erzeugern definiert durch:
Diese Darstellung ist treu. Der Unterraum ist ein -invarianter Unterraum. Damit ist die Darstellung nicht irreduzibel und es existiert eine Teildarstellung mit Diese Teildarstellung hat Grad 1 und ist irreduzibel.
Das Komplement zu ist ebenfalls -invariant, und liefert die Teildarstellung mit
Auch diese Teildarstellung ist irreduzibel. Unsere ursprüngliche Darstellung ist also vollständig reduzibel:
Beide Teildarstellungen sind isotypisch und sie sind die einzigen Isotypen ungleich Null von 
Die Darstellung  ist unitär bezüglich des Standardskalarprodukts auf  da  und  unitär sind.
In dem man einen beliebigen Vektorraumisomorphismus  nimmt, kann eine zu  isomorphe Darstellung definiert werden: Sei  definiert durch  für alle 
Man kann nun noch den Definitionsbereich der Darstellung auf eine Untergruppe, z. B. einschränken und erhält so Diese Darstellung ist definiert durch das Bild wie oben angegeben.
Beispiel 2
    
Sei die Permutationsgruppe in Elementen. Sei eine lineare Darstellung von auf den Erzeugern definiert durch:
Dann lässt sich diese Darstellung auf den ersten Blick zerlegen in die linksreguläre Darstellung der hier bezeichnet mit und die Darstellung mit
Mit Hilfe des Irreduzibilitätskriteriums für Charaktere erkennen wir, dass  irreduzibel und  nicht irreduzibel ist. Denn es gilt  für das Skalarprodukt von Charakteren.
Der Unterraum  von  ist unter der linksregulären Darstellung invariant. Eingeschränkt auf diesen Unterraum ergibt sich die triviale Darstellung.
Das orthogonale Komplement zu  ist  Eingeschränkt auf diesen Unterraum, der nach obigen Resultaten ebenfalls -invariant ist, ergibt sich die Darstellung  die gegeben ist durch
Wie oben prüft man mit dem Irreduzibilitätskriterium für Charaktere nach, dass irreduzibel ist. Nun sind aber und isomorph, da für alle gilt, wobei gegeben ist durch die Matrix
Wir bezeichnen die triviale Darstellung vorübergehend mit  Eine Zerlegung von  in irreduzible Teildarstellungen ist dann:  mit dem Darstellungsraum 
Die kanonische Zerlegung ergibt sich, in dem wir alle isomorphen irreduziblen Teildarstellungen zusammenfassen:  ist der -Isotyp von  und die kanonische Zerlegung ist gegeben durch
Unendliche bzw. nichtkompakte Gruppen
    
Dass obige Sätze zur Zerlegung für unendliche Gruppen nicht mehr unbedingt gelten, soll hier an einem Beispiel illustriert werden:
Sei  Dann ist  mit der Matrixmultiplikation eine Gruppe unendlicher Mächtigkeit und nicht kompakt. Die Gruppe  operiert auf  durch Matrix-Vektor-Multiplikation. Wir betrachten die Darstellung  für alle  Der Unterraum  ist ein -invarianter Unterraum.
Zu diesem Unterraum existiert nun aber kein -invariantes Komplement. Die Annahme, dass ein solches Komplement existiere, führt zum Widerspruchsresultat, dass jede Matrix über  diagonalisierbar wäre.
D. h., wenn wir unendliche Gruppen betrachten, kann der Fall eintreten, dass eine Darstellung nicht irreduzibel ist, aber trotzdem nicht in die direkte Summe irreduzibler Teildarstellungen zerfällt.
Literatur
    
- Siegfried Echterhoff, Anton Deitmar: Principles of harmonic analysis. Springer-Verlag, 2009
Weblinks
    
- Teleman: Representation Theory