Kammkeramische Kultur

Die Kammkeramische Kultur[1] w​ar eine nordosteuropäische archäologische Kultur, d​ie durch spezifische, m​it kammartigen Instrumenten eingedrückte Verzierungen v​on Keramikgegenständen gekennzeichnet wird. Sie existierte v​om 5. Jahrtausend v. Chr. b​is etwa 2000 v. Chr. Mehrheitlich w​ird vermutet, d​ass die Träger d​er Kammkeramikkultur größtenteils d​er mesolithischen Jäger-Sammler-Lebensweise folgten, d​abei aber allmählich Elemente d​er frühen Landwirtschaft übernahmen.

Diachrone Verbreitungskarte der regional jeweils frühesten Kultur mit Töpferware, ca. 6000–4000 v. Chr.:
  • Bandkeramische Kultur, neolithische Kultur
  • Bükker Kultur (östliche LBK)
  • Cardial- oder Impressokultur
  • Ertebølle-Kultur, mesolithische Kultur
  • Dnepr-Don-Kultur
  • Vinča-Kultur
  • La-Almagra-Kultur
  • Dimini-Kultur
  • Karanowo-Kultur
  • Kammkeramische Kultur, mesolithische Kultur
  • Hinweis: Die Karte ist ungenau und bedarf einer Überarbeitung; sie gibt nur die ungefähren territorialen Bedingungen einzelner Kulturen wieder. Einige Kulturen fehlen.

    Möglicherweise i​st die Kammkeramische Kultur m​it der Grübchenkeramischen Kultur i​n Skandinavien verwandt. Der Begriff w​urde wahrscheinlich v​on Richard Pittioni (1936) geprägt.[2]

    Verbreitung

    Ungefähres Verbreitungsgebiet der Kammkeramischen Kultur

    Artefakte d​er Kultur fanden s​ich in Gebieten Finnlands, a​m Kalixälven i​n Schweden u​nd am Bottnischen Meerbusen, s​owie in d​er Weichselregion (Polen) i​m Süden. Zu d​en kammkeramischen Kulturen gehören u​nter anderem d​ie Narva-Kultur i​n Estland u​nd die Sperrings-Kultur i​n Finnland.[3]

    Keramik (keramisches Inventar)

    Die Bezeichnung Kammkeramik stammt v​on der typischen, m​it kammförmigen punktierten Linien geführten Ornamentik d​er Keramikgegenstände, v​on der angenommen wird, d​ass sie v​on den Menschen m​it einem kammförmigen gezähnten Knochenstempel i​n die Keramikmasse eingedrückt wurde.

    Diese archäologische Kultur stellt wahrscheinlich eine der wenigen Ausnahmen von der Regel dar, dass die Töpferei und die Landwirtschaft in Europa nebeneinander existierten. Im Nahen Osten erschien die Landwirtschaft vor der Töpferei (Präkeramisches Neolithikum), und als sich die Landwirtschaft aus dem Nahen Osten nach Europa ausbreitete, ging die Töpferei damit einher. In Asien, wo die älteste Keramik gefunden wurde, wurde die Keramik jedoch lange vor der Landwirtschaft hergestellt. Die Keramiken bestanden aus großen topfförmigen Produkten, die unten abgerundet oder spitz zuliefen sind und dabei ein Fassungsvermögen von 40 bis 60 Litern aufwiesen. Die Formen der Gefäße blieben unverändert, hingegen weist die Dekoration eine größere Variabilität auf. Eine Datierung erfolgte bei den Ausgrabungen anhand stratigrafischer Merkmale.

    Materielle Kulturen im Nordosteuropa um 4000 v. Chr., hier die verschiedenen „kammkeramische Kulturen“

    Das Kammkeramikzeitalter gliedert s​ich in mehrere Perioden:

    • frühe (Ka I, ca. 4200 v. Chr. bis 3300 v. Chr.),
    • typische (Ka II, ca. 3300 v. Chr. bis 2700 v. Chr.),
    • späte Kammkeramik (Ka III, ca. 2800 v. Chr. bis 2000 v. Chr.).

    Nach der Zeit der frühen Kammkeramik folgte die Zeit der typischen Kammkeramik, die durch die Einwanderung einer neuen, eine finnougrische Sprache sprechenden Bevölkerung gekennzeichnet gewesen sein soll. Die Erneuerungen sowohl in der materiellen Kultur als auch in der Lebensweise des späten Kammkeramikzeitalters können mit der Einwanderung einer indoeuropäischen Bevölkerung zusammenhängen.[4] Anhand der zwei unterschiedlichen Keramik-Typen, der „Pöljä-Keramik“ und der „Kierikki-Keramik“ kristallisieren sich zwei archäologische Kulturen heraus.

    Kammkeramik aus Taipalsaari, Finnland
    Kammkeramik aus Estland, 4000–2000 v. Chr.

    Lebensweise

    Die Siedlungen befanden sich zumeist an Küsten oder an Seen. Dabei stand eine aneignende, extraktive Wirtschaftsform vor einer nahrungsproduzierenden Wirtschaftsweise. So basierte die Wirtschaft auf Jagd, Fischerei und dem Sammeln von Pflanzen. In Finnland war es eine maritime Kultur, die sich vermehrt auf die Robbenjagd[5][6] spezialisiert hatte. Die dominierende Siedlungsweise war wahrscheinlich eine tipiartige Behausung von etwa 30 Quadratmetern, in dem etwa fünfzehn Menschen leben konnten. Auch rechteckige Häuser aus Holz wurden in Finnland ab 4000 v. Chr. genutzt. In den Siedlungen wurden die Toten mit rotem Ocker bedeckt begraben. Das typische Kammkeramikzeitalter zeigt eine weitgehende Verwendung von Gegenständen aus Feuerstein und Bernstein als Grabbeigaben. Die Steinwerkzeuge der Kultur hatten sich im Laufe der Zeit kaum verändert. Sie bestanden aus lokalen Materialien wie Schiefer und Quarz.

    Literatur

    • Ari Siiriäinen: The Stone and Bronze Ages. In: Knut Helle, Erkki I. Kouri, Torkel Jansson (Hrsg.): The Cambridge History of Scandinavia. Band 1: Knut Helle (Hrsg.): Prehistory to 1520. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2003, ISBN 0-521-47299-7, S. 43–59, hier S. 52.
    • Aarne Äyräpää: Die geografischen Datierungen in der Vorgeschichte Finnlands. In: Światowit. 16, 1934/1935, S. 35–46.
    • Marius Iršėnas: Anthropomorphic and zoomorphic Stone Age Art in Lithuania, and its archaeological Cultural Context. In: Audrone Bliujiene (Hrsg.): At the Origins of the Culture of the Balts. Dedicated to the 60th Birthday of Prof. Habil. Dr. Algirdas Girininkas (= Archaeologia Baltica. 13, ISSN 1392-5520). Klaipėda University Press, Klaipėda 2010, S. 175–190, (Digitalisat).
    Commons: Kammkeramische Kultur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. englisch Comb Ceramic culture (CCC)
    2. Karl Pusman: Die „Wissenschaften vom Menschen“ auf Wiener Boden (1870–1959). Die anthropologische Gesellschaft in Wien und die anthropologischen Disziplinen im Fokus von Wissenschaftsgeschichte, Wissenschafts- und Verdrängungspolitik (= Austria: Universitätsgeschichte. 1). LIT, Münster u. a. 2008, ISBN 978-3-825-80472-5, S. 137.
    3. Marek Zvelebil: Pitted Ware And Related Cultures Of Neolithic Northern Europe. In: Peter Bogucki, Pam J. Crabtree (Hrsg.): Ancient Europe 8000 B.C. – A.D. 1000. Encyclopedia of the Barbarian World. Band 1: The Mesolithic to Copper Age. (c. 8000 – 2000 B.C.). Scribner/Thomson-Gale, New York NY u. a. 2004, ISBN 0-684-80669-X, S. 431–435.
    4. Lehti Saag, Liivi Varul, Christiana Lyn Scheib, Jesper Stenderup, Morten E. Allentoft, Lauri Saag, Luca Pagani, Maere Reidla, Kristiina Tambets, Ene Metspalu, Aivar Kriiska, Eske Willerslev, Toomas Kivisild, Mait Metspalu: Extensive Farming in Estonia Started through a Sex-Biased Migration from the Steppe. In: Current Biology. Band 27, Nr. 14, 2017, S. 2185–2193, doi:10.1016/j.cub.2017.06.022.
    5. z. B. die Ostsee-Kegelrobbe (Halichoerus grypus balticus) oder die Ostsee Ringelrobbe (Pusa hispida botnica).
    6. Matti Sauramo: Ein harpunierter Seehund aus dem Litorinaton Nordfinnlands. In: Quartär. Band 1, 1938, S. 26–35, hier S. 34, (Digitalisat).
    This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.