Kahmhaut
Eine Kahmhaut (auch Kahmpilz[1]) ist ein Biofilm aus Mikroorganismen, der sich an Grenzübergängen von Medien (z. B. Oberflächen von Wasser oder Steinen) zur Luft ansammelt. Gebildet wird sie vor allem durch Hefen (Kahmhefen) und sauerstoffabhängige Bakterien, wobei sie auch aus mehreren Arten gemeinsam gebildet werden. Für die Anheftung an einer Grenzfläche Gas/Flüssigkeit sind besonders an der Zelloberfläche befindliche apolare Stoffe geeignet. Viele Kahmhaut-bildende Bakterien besitzen eine apolare Oberflächenschicht. Andere Bakterien besitzen stattdessen fädige Anhängsel (Pili), die aus Proteinen mit einer apolaren Oberfläche bestehen.
Früher wurden Kahmpilze auch als Mycodérma (schleimige Haut) bezeichnet. Historische Bezeichnungen sind Mycoderma reell, Mycoderma aceti (Essigmutter oder Essigkahm, auch Ulvina aceti oder Bacillus aceti), Mycoderma cerevisiae (Bierkahmpilz, auch: Saccharomyces Mycoderma Rees), Mycoderma vini (Weinkahmpilz bzw. Florhefe) und Candida mycoderma.[1]
Ökologische Bedeutung
Bei Anheftung an die Grenzfläche zur Luft können die Lebewesen für einen oxidativen Energiestoffwechsel sowohl Nährstoffe aus der Flüssigkeit als auch Sauerstoff aus der Luft günstig aufnehmen. Das ist ein Vorteil gegenüber Lebewesen, die in einer Flüssigkeit schweben oder schwimmen und von ihr umgeben sind: Bei ihnen wird die Geschwindigkeit ihres Energiestoffwechsels von der in der Flüssigkeit herrschenden geringeren Sauerstoffkonzentration begrenzt. Dieser Effekt wird von den Lebensgemeinschaften des Oberflächenhäutchens in Gewässern, dem Neuston und Pleuston, genutzt.
In der Aquaristik
In der Aquaristik wird eine Kahmhaut als störend empfunden, da sie einen optimalen Gasaustausch verhindert. Die Ursache ist oft eine hohe Nährstoffkonzentration durch Überbesetzung des Beckens oder zu hohe Futtergaben.
Die Bildung der Kahmhaut kann durch eine starke Oberflächenbewegung verhindert werden, die die Kahmhaut aufreißt und somit eine geschlossene Kahmhaut verhindert. Die Kahmhaut kann auch mit Zeitungspapier, das man kurz auf die Wasseroberfläche legt, aufgesaugt werden. Besser ist es, einen Oberflächenabsauger zu installieren, der das Oberflächenwasser in einen Filter führt. Die Mikroorganismen der Kahmhaut bauen dann im Filter überflüssige Nährstoffe ab.
Bei der biotischen Essig-Herstellung
Bei der biotischen Essig-Herstellung wird das Ethanol einer wässrigen, verdünnten Ethanol-Lösung (beispielsweise Wein) durch Essigsäurebakterien mit Sauerstoff zu Essigsäure oxidiert. Es gibt verschiedene Verfahren, diesen Vorgang schnell ablaufen zu lassen. Ein altes, heute kaum noch angewendetes Verfahren ist das sogenannte Orleans-Verfahren, bei dem Wein in nur teilweise gefüllten, offenen Fässern gelagert wird, bis der Wein zu Essig geworden ist. An der Grenzfläche Wein/Luft bildet sich eine Kahmhaut aus Essigsäurebakterien, weil dort die Bedingungen für die Ethanol-Oxidation günstig sind: Ethanol und Nährstoffe von unten aus der Flüssigphase, Sauerstoff von oben aus der Luft. Einige der Essigsäurebakterien scheiden Cellulosefasern aus und auf diese Weise wird eine relativ feste Decke gebildet. Kahmhäute oder im Essig befindliche Massen aus Essigsäurebakterien werden als Essigmutter bezeichnet.
Im Weinbau
Bei der Weinherstellung können Kahmhefen (im Weinbau auch Kammhefen genannt) Schäden verursachen. Kahmhefen sind aerobe Hefen, die Alkohol und organische Säuren, also Bestandteile des Weins, verstoffwechseln. Sie können sich an der Grenzschicht zwischen Wein und Luft bilden.
Erwünscht sind allenfalls die Florhefen, welche sich ebenfalls an der Oberfläche des Weins bilden.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mycodérma. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 14, Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1908, S. 337.