K.u.k. Militär-Seilbahnen
Die k.u.k. Militär-Seilbahnen waren Transportseilbahnen, mit denen die Gemeinsame Armee während des Ersten Weltkriegs in abgelegenen Regionen die Front mit Material versorgte und teilweise auch Truppen verschob. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 wurden sie zwingend notwendig, um das Heer an der nunmehr plötzlich entstandenen Hochgebirgsfront zu versorgen. Die bereits bestehenden wenigen zivilen Seilbahnen waren nur bedingt geeignet, da sie oftmals vom Gegner eingesehen und daher beschossen werden konnten. Gleiches galt für die Saumpfade und Steige zu den hochgelegenen Alpen und Schutzhütten.
Seilbahnen kamen nicht nur im Gebirgskrieg in den Alpen an der Front zu Italien zum Einsatz, sondern wurden auch auf dem Balkan genutzt, wo es an Transportwegen fehlte und der Bau von Feldbahnen zu aufwändig gewesen wäre. An der Salonikifront brachten sie Waren übers Gebirge im Süden des heutigen Nordmazedonien,[1][2] in Montenegro überwanden Seilbahnen die Steilwand östlich von Kotor,[3] im Norden Albaniens über mehr als 40 Kilometer durch sumpfiges Gebiet in der Küstenebene.[2]
Auch die gegnerischen italienischen Streitkräfte nutzen in den Dolomiten und in den Bergen Südalbaniens Seilbahnen zur Versorgung der Front.[4]
Aufgaben
Man baute zunächst Heeresfeldbahnen in die Seitentäler, die zur Front führten. Hier begannen jedoch bereits die Schwierigkeiten an den Endbahnhöfen. Den weiteren Transport der benötigten enormen Mengen von Munition, Verpflegung, Bau- und Brennmaterial konnte man mit Trägern oder Tragtieren – auch auf Grund von widrigen Witterungsverhältnissen – nur beschränkt ausführen. Insbesondere als sich abzeichnete, dass die Kämpfe den Winter über fortgeführt werden würden, musste man also auf Alternativen zurückgreifen: den Bau von Seilbahnen.
Es wurden nunmehr eilig sogenannte „Seilbahnformationen“ aus Fachkräften einschlägiger Firmen und abkommandierten Soldaten zusammengestellt. Unter letzteren befanden sich eine große Anzahl mit der Örtlichkeit vertrauter Standschützen.
Der Bau der Seilbahnen war jedoch keine einfache Angelegenheit, wählte man in Friedenszeiten noch das Gelände nach den besten Möglichkeiten und mit den geringsten Schwierigkeiten aus, so konnte darauf jetzt keine Rücksicht mehr genommen werden. Die Seilbahnen mussten da gebaut werden, wo sie am dringendsten benötigt wurden, ohne Rücksicht auf die Geländebeschaffenheit. Herausforderungen waren nicht nur steiles, steinschlag- und lawinengefährdetes Gelände, sondern auch noch gezielter und treffsicherer Beschuss. Linienführung und Situierung der Bahnen mussten nach Möglichkeit gedeckt erfolgen, die Querung großer Gletscher wie am Ortler und im Adamello-Gebiet erforderten Feldlängen, die man bisher nicht gekannt hatte.[5]
Bereits um den Jahreswechsel 1915/16 konnten die ersten leistungsfähigen Materialseilbahnen ihren Dienst aufnehmen. Eine davon führte vom Dürrensee auf den schwer umkämpften Monte Piano. Weitere Kriegsseilbahnen wurden in den Julischen Alpen, an der Isonzofront[6] und in der Karpatenfront errichtet.
Organisation und Technik
Die Seilbahnformationen, bald in „Seilbahnkompanien“ umbenannt, waren organisatorisch dem k.u.k. Eisenbahnregiment angegliedert. Ihnen oblag der Bau und der Betrieb der Seilbahnen. Zuständiger Ersatztruppenteil für die Seilbahnkompanien war das „k.u.k. Eisenbahn-Ersatzbataillon“ in Korneuburg.
Nach dem geheimen Orientierungsbehelf „Neuorganisation während des Krieges“[7] von 1917 war für die Seilbahnformationen die folgende Untergliederung vorgesehen:
- Feldseilbahnen:
- Länge von Station zu Station bis 2,5 km
- Seilaufzüge:
- Länge von Station zu Station bis 1,5 km
- Für die Feldseilbahnen als Einseilbahn im Umlauftrieb[8] kamen die Modelle der deutschen Firmen Adolf Bleichert & Co. und Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel zum Einsatz. Die Förderleistung lag bei 200 bis 300 Tonnen Material in 24 Stunden. Der Antrieb wurde durch Benzin-, Rohöl-, Elektro- oder Dampfmotoren, deren Leistung bei 25 PS lag, sichergestellt. Die größte Feldlänge in freier Spannung lag bei 500 Metern.
- Für Feldseilbahnen als Zweiseilbahnen, die also mit Trag- und Zugseil im Pendelbetrieb ausgestattet waren und sowohl einspurig als auch zweispurig mit Voll- und Leertragseil betrieben werden konnten, wurden österreichische Modelle der Firmen Hinterschweiger, Aktien-Gesellschaft R. Ph. Waagner – L. und J. Biró & A. Kurz, Zuegg, Köllensperger und Rüsch–Ganahl verwendet. Der Antrieb erfolgte mit Benzin-, Rohöl- oder Elektromotoren, die Leistungen von 8 bis 14 PS erbrachten.
Für Abschnitte mit erhöhtem Materialbedarf wurden Schwer-Seilbahnen als Zweiseilbahnen mit einer Tageskapazität bis 500 Tonnen errichtet, während Einseilbahnen im Umlaufbetrieb eine effektive Tageskapazität von bis zu 100 Tonnen erreichten. Selbst auf einspurigen Seilaufzügen konnten in Hochgebirgsstellungen noch bis zu 40 Tonnen täglich befördert werden.[9]
Beim Bau dieser Seilbahnen konnte man auf die Erfahrungen zurückgreifen, die in Friedenszeiten beim Bau der Personenseilbahnen Lana-Vigiljochbahn und Kohlernbahn gemacht wurden. Diese hatten bereits Spannweiten bis 200 Meter.
Dazu kamen an einigen Abschnitten sogenannte Bremsseilbahnen ohne eigenen Antrieb zum Einsatz. Diese waren nur zum talwärtigen Transport benutzbar, die Behälter wurden durch die Schwerkraft nach unten bewegt, diese Bewegung durch Seilbremse kontrolliert.
Von den Kampftruppen selbst wurden kleine Handaufzüge betrieben. Deren Streckenlänge lag zwischen einem und 1,5 Kilometern. Das Transportvolumen lag hier bei etwa 100 Kilogramm pro Transportbehälter.[10]
Einsatz
Im Jahre 1918 unterschied man zwischen Nachschub-, Verteilungs- und Stellungsbahnen. Die Talstationen der stark frequentierten und dementsprechend ausgelegten Nachschubseilbahnen befanden sich an den Endpunkten von Straßen oder Feldbahnlinien. Es waren meist zweispurige (kuppelbare) Einseilbahnen. Bei Teilstreckenbetrieb mussten die Räume in den Zwischenstationen per Güterlore überbrückt werden. Nach der Ankunft auf der Relaisstation wurde die Last auf der Lore aufgesetzt, der automatische Greifer kuppelte aus dem Seil aus und die Lore wurde von Hand zum Abgangspunkt der nächsten Sektion verschoben. Hier kuppelte der Greifer wieder ein und die Seilfahrt wurde fortgesetzt. Die Personenbeförderung war verboten.[11]
Die von den Nachschubseilbahnen weiterführenden Verteilungsseilbahnen waren meist ein oder zweispurige Seilaufzüge im Pendelbetrieb und festgeklemmten Fahrbetriebsmitteln (Transportbehälter et cetera). Diese Anlagen waren auch zum Abtransport von Verwundeten zugelassen.
Von den Stationen der Verteilseilbahnen führten die Stellungsbahnen direkt in den Frontabschnitt. Hierbei wurden häufig Schluchten, Steilwände und lawinengefährdete Gebiete überspannt. Hier wurden meistens Handaufzüge eingesetzt. Bei einspurigen Anlagen erfolgte der Betrieb normalerweise durch Kurbelwinden mit vier bis acht Mann Bedienpersonal. Bei zweispurigen Anlagen konnte die Bedienung erleichtert werden, indem man Geröll oder sonstiges Material in den talwärts fahrenden Transportbehälter lud.
Die große Bedeutung des Seilbahnwesens erscheint in einem Bericht des k.u.k. Armeeoberkommandos vom 30. Juni 1918, in dem es heißt:
„Das wichtigste Nachschubmittel, das allein den dauernden Aufenthalt und die Kampfführung in diesen Höhenlagen ermöglicht, ist die Seilbahn. Sie ist das Um und Auf der Existenz. Es wäre aber ein Fehler zu glauben, daß auch die reichlichste Ausgestaltung eines Abschnitts mit Seilbahnen seine Versorgung für alle Fälle sichert […]“
Weiterhin heißt es im Generalstabswerk „Österreich-Ungarns letzter Krieg“:
„Seilbahnen sind im Hochgebirgs-Stellungskrieg von außerordentlicher Bedeutung, denn besonders im Winter wäre die regelmäßige Versorgung der Höhenstellungen ohne sie fast ausgeschlossen […] Seilbahnen entlasten die Truppe von mühseligen Trägerdiensten und verhüten die übermäßige Beanspruchung der Pferde.“[12]
Die Personalstärke der Seilbahnbetriebstruppe betrug am 25. August 1918 6665 Mann, die für 1735 Kilometer Seilbahnen verantwortlich waren.
Literatur
- Johann Christoph Allmayer-Beck: Die österreichischen Seilbahnen an der Tiroler Front während des Ersten Weltkrieges. In: Sergio Benvenuti (Hrsg.): La Prima Guerra Mondiale e il Trentino. Comprensorio della Vallagarina, Rovereto 1980.
- Hermann Hinterstoisser: Die Seilbahnen im Krieg. In: Hinterstoisser-Ortner-Schmidl: Die k.k. Landwehr Gebirgstruppe, Verlag Militaria, Wien 2006 S. 294–297 ISBN 3-902526-02-5.
- Luigi Longhi, Antonio Zandonati: Teleferiche dell’11ª Armata Austro-Ungarica dall’Adige al Brenta (1915–1918). Museo storico italiano della guerra, Rovereto 2013.
Weblinks
Einzelnachweise
- Bilder vom mazedonischen Kriegsschauplatz (Memento vom 21. März 2020 im Webarchiv archive.today)
- Lars HAefner: Mit der Seilbahn durch den Krieg. In: albanien.ch. 16. Dezember 2015, abgerufen am 21. Juni 2021.
- Norbert Zsupanek: Die Seilbahn Cattaro–Cetinje. Sonderdruck. Archiv für ständige Befestigungen und Vorschriften der ehemaligen Deutschen Wehrmacht, Berlin 2007 (slideshare.net [abgerufen am 21. Juni 2021]).
- Dorian Koçi (Hrsg.): Shqiperia në Reportazhet e Robert Vaucher / L'Albanie Dans Les Reportages De Robert Vaucher. Papirus, Tirana 2020, ISBN 978-9928-32507-5. Vergleiche auch das Foto von Robert Vaucher in einer italienischen Seilbahn in Südalbanien
- Walter Schaumann „Das Seilbahnwesen 1915–1918 an der alpinen Südwestfront“; in: Seilbahnen, 5, Jg. Nr. 2/86 Eugendorf 1986; S. 10 bis 16
- Tomaz Budkovic: Wochein/Bohinj 1914–1918 „Das Aufmarschgebiet der Insonzofront“; Klagenfurt 2001: S. 53 ff
- KM (Kriegsministerium) Abt. 5 Nr. 11000 res. von 1917, S. 202 ff
- Das Tragseil war hier gleichzeitig das Zugseil; es wurden bereits geklemmte oder kuppelbare Fahrbetriebsmittel verwendet
- Johann Christoph Allmayer-Beck: Die österreichischen Seilbahnen an der Tiroler Front während des Ersten Weltkrieges. S. 401
- Der Gebirgskrieg, 1. Teil/9. Heft „Wege und Straßen, Wegversicherungen, Roll- und Seilbahnen“ Hrsg. k.u.k. Oberkommando Wien 1918 (Seilbahnen 28 ff)
- Wie alle Verbote wurde das wann immer möglich umgangen
- Generalintendant d.R. Franz Glingenbrunner : Intendanzdienst im Gebirgskriege: Ergänzungsheft Nr. 8 zum Werk Österreich-Ungarns letzter Krieg. (Verlag der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen, Wien 1933 S. 19 ff)