Körnerzelle
Körnerzelle oder Granularzelle (Neuronum granuliforme) bezeichnet einen morphologischen Typus kleiner Nervenzellen mit kugelförmigem Perikaryon, dem zahlreiche Interneuronen verschiedener Hirnregionen zugehören.
Körnerzellen kommen besonders dicht in der Rinde von Großhirn und Kleinhirn vor. Im Endhirn findet man sie insbesondere neokortikal in der Schicht IV (Stratum granulosum internum) des Isocortex der Großhirnrinde, daneben archikortikal im Hippocampus und paläokortikal im Riechkolben. Die meisten der Körnerzellen liegen allerdings im Kleinhirn, im Stratum granulosum des cerebellaren Kortex.[1]
Körnerzellen im Kortex des Großhirns
Die Körnerzellen der Großhirnrinde treten als hemmende (inhibitorische) oder als erregende (exzitatorische) Interneuronen auf, solche mit sphärisch verzweigtem Dendritenbaum werden auch als Sternzellen bezeichnet.[1] Zumeist sind es multipolare Neuronen mit apolarer Ausrichtung, die also im Gegensatz zu Pyramidenzellen nicht zur Hirnoberfläche orientiert sind. Ihr Zellkörper ist etwa 10 µm groß und damit deutlich kleiner als jener von Pyramidenzellen. Im Unterschied zu diesen haben sie nur relativ kurze Axone, die Kontakte mit Neuronen in der Nachbarschaft bilden, anderen Interneuronen oder benachbarten Pyramidenzellen. Die Dendriten bestimmter Körnerzellen können feine postsynaptische Ausstülpungen tragen, wie Dornen aussehende sogenannte Dornenfortsätze, insbesondere die von lokal erregenden Körnerzellen bzw. Sternzellen. Der Großteil von Körnerzellen im Cortex cerebri sind jedoch dornenlose inhibitorische (GABA-erge) Interneuronen.
Im sechsschichtig aufgebauten Isocortex findet man diese Neuronen in der innere Körnerzellschicht genannten Lamina IV. Besonders stark ausgeprägt ist diese Schicht in jenen kortikalen Regionen, die von sensiblen oder sensorischen Projektionen aus spezifischen Kernen des Thalamus erreicht werden. Hierzu gehören beispielsweise Hirnrindenareale, die auch als primärer somatosensorischer Cortex, visueller Cortex (Sehrinde) oder auditiver Cortex (Hörrinde) bezeichnet werden.
Körnerzellen im Hippocampus
Der Gyrus dentatus der Hippocampusformation empfängt kortikale Afferenzen über seine Molekularschicht (Stratum moleculare) und verschaltet diese auf die Körnerzellschicht (Stratum granulare). Ihre Hauptzellen sind erregende, glutamaterge Körnerzellen, deren Dendriten in der molekularen Schicht verzweigen. Neben diesen exzitatorischen Körnerzellen gibt es auch hier eine Reihe unterschiedlicher hemmender, GABAerger Interneuronen.
Körnerzellen im Riechkolben
Die Körnerzellen im Riechkolben (Bulbus olfactorius) arbeiten mit GABA als Neurotransmitter und bilden somit hemmende (inhibitorische) Synapsen aus. Ihre Dendriten empfangen erregende Signale von den Axonkollateralen der Mitralzellen und auch von deren Dendriten. Hemmende Einflüsse werden über rückläufige zentrifugale Axone aus sekundären olfaktorischen Arealen des Riechhirns vermittelt.
Diese Körnerzellen sind durch ein bipolares und dornenbesetztes Dendritenwerk charakterisiert, ein eigentliches Axon besitzen sie nicht. Während der dorsale Dendritenbaum axodendritische Kontakte aufnimmt, gehen die Dendritenverzweigungen des ventralen Pols dendrodendritische Kontakte mit Mitralzellen ein. Hierbei kommt es als Besonderheit auch zu reziproken Synapsen, bei denen neben der inhibitorischen vom Körnerzelldendriten auf den Mitralzelldendriten auch umgekehrt eine synaptische Verknüpfung mit exzitatorischer Wirkung auf die Dendritenregion der Körnerzelle seitens des Mitralzelldendriten gebildet wird.[1]
Körnerzellen im Kortex des Kleinhirns
Die Körnerzellen in der Rinde des Cerebellums stellen die größte Anzahl aller Neuronen im Säugetiergehirn. Beim Menschen sind über 50 % aller Nervenzellen Körnerzellen des Kleinhirns. Sie liegen in der sogenannten Körnerzellschicht (Stratum granulosum) der Kleinhirnrinde. Jede dieser Zellen verfügt über vier kurze unverzweigte Dendriten und sendet jeweils ein Axon in die Molekularschicht der Kleinhirnrinde. Dort verzweigen sich die Axone der Körnerzellen und bilden die sogenannten Parallelfasern aus. Diese wirken über glutamaterge Synapsen erregend auf Purkinjezellen.
In vivo feuern cerebellare Körnerzellen mit niedriger Frequenz (0,2–0,5 Hz). Durch sensorische Stimulation, beispielsweise von Tasthaaren, erzeugte Signale afferenter Neuronen des Hirnstamms, die über die Moosfasern in die Körnerzellschicht des Kleinhirns vermittelt werden, können postsynaptisch Körnerzellen zum Feuern von "Paketen" von Aktionspotentialen ("bursts") angeregt werden. Dafür reichen schon Serien mit geringen EPSP-Strömen aus, während einzelne spontane gebildete Signale von Moosfasern dies nur bei reduzierter Inhibition vermögen. Körnerzellen im Cortex cerebelli vereinen so eine hohe Sensitivität mit einem guten Signal-Rausch-Verhältnis.[2]
Einzelnachweise
- Benninghoff: Makroskopische und mikroskopische Anatomie des Menschen, Bd. 3. Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1985, ISBN 3-541-00264-6, S. 301 und S. 373 bzw. S. 559.
- Paul Chadderton, Troy W. Margrie, Michael Häusser: Integration of quanta in cerebellar granule cells during sensory processing. In: Nature. 428, 2004, S. 856, doi:10.1038/nature02442.