Johannes Cornelis Anceaux
Johannes Cornelis Anceaux (* 4. Juli 1920 in Schiedam; † 6. August 1988 in Leiden) war ein niederländischer Orientalist und Philologe.
Leben
Nach erfolgreicher Gymnasialausbildung begann Anceaux 1938 ein Studium der indonesischen Literatur an der Universität Leiden. Um das nachfolgende Kandidatenexamen zu bestehen, lernte er die Sprachen Sanskrit und Arabisch. Er setzte sich mit dem Islam und dessen Kulturgeschichte auseinander. Nach einem Jahr wurde er jedoch zum Militärdienst eingezogen und konnte sein Studium erst nach der erfolgten Kapitulation in den Niederlanden fortsetzen. Nach Schließung der Leidener Universität 1940 begab er sich an die Universität Amsterdam, wo er 1942 sein Kandidatenexamen bestand. Weitere Forschungen gestalteten sich zur damaligen Zeit schwierig, denn er versteckte sich, um sich einem Arbeitseinsatz zu entziehen. Er wurde später jedoch verhaftet und in mehrere niederländische und deutsche Arbeitslager verbracht.
1947 nahm er seine Studien wieder auf und beschäftigte sich mit vergleichenden Sprachforschungen der austronesischen Sprachen in Malaysia und Java. Er arbeitete sechs Jahre lang als Assistent für arabische Sprache am Legatum Warnerianum der Leidener Universitätsbibliothek und machte sich dabei mit Persisch und Türkisch vertraut. 1948 heiratete er Maria Rosinga, aus welcher Ehe zwei Töchter und ein Sohn hervorgingen. Nach einiger Zeit der Vorbereitung fing er an, seine Promotionsschrift über das Thema Over de geschiedenis van de Indonesische taalkunde (frei deutsch übersetzt: Über die Geschichte der indonesischen Sprachwissenschaft) vorzubereiten, wobei er seine Aufmerksamkeit der Wolio-Sprache widmete. Diese war eine damals so gut wie unbekannte Südost-Sulawesisprache, wovon sich einige Sprachkundige in Leiden befanden. 1952 promovierte er unter Cornelius Christiaan Berg (1900–1990) mit einer Beschreibung der Sprache.
Die Sprachforschung beschäftigte ihn auch in den folgenden Jahren. 1954 ging er im Auftrag des Königlichen Instituts für Sprach-, Land- und Völkerkunde für drei Jahre nach Westneuguinea, um sprachkundliche Untersuchungen zu unternehmen. Dabei verschaffte er sich ein zusätzliches Verständnis der Sprache und widmete sich der Beschreibung der Nimboran-Sprache und anderer Papua-Sprachen, die nördlich des Sentanimeers gesprochen wurden. Danach war er bis 1962 als Sprachbeamter für das Amt der Bevölkerungsstatistik in Holland tätig. Während jener Zeit wurde er Mitglied der Rechtschreibkommission für niederländische Namen im niederländischen Teil Neuguineas und nahm 1959 an einer Expedition in die Sternberge (niederländisch: Sterrengebergte, indonesisch: Pegunungan Bintang, englisch: Star Mountains) teil. 1955 hatte er am Malaiischen Institut auch die Ausbildung von Beamten des Verwaltungsdienstes übernommen und setzte diese Aufgabe 1960/61 in Neuguinea fort.
Die Ergebnisse seiner sprachlichen Forschungen erschienen in zwei Monographien unter den Titeln The linguistic situation in the islands of Yapen, Kurudu, Nau and Miosnum, New Guinea (frei deutsch übersetzt: Die sprachliche Lage auf den Inseln Yapen, Kurudu, Nau and Miosnum, Neuguinea), 1961, und The Nimboran language (frei deutsch übersetzt: Die Nimboran-Sprache), 1965. 1962 wurde er Dozent am Lehrstuhl für Austronesische Sprache der Universität Leiden, wo er später zum Senior-Dozent aufstieg. 1967/68 war er als Gastdozent an der University of California, San Diego tätig, wo er Vorlesungen zu den ozeanischen Sprachen und Afrikaans abhielt. Auch nahm er an einer Expedition in den Pazifik teil, die von der Scripps Institution of Oceanography organisiert wurde. Dies eröffnete ihm die Möglichkeit, sich linguistischen Untersuchungen auf den Fidschi und auf den Neuen Hebriden zu widmen.
Nachdem C. C. Berg 1971 emeritiert wurde, übernahm Anceaux per königlicher Berufung vom 14. August 1971 den Lehrstuhl für Indonesische und Ozeanische Sprachwissenschaft an der Leidener Hochschule. Das Amt trat er am 1. September 1971 an und hielt am 11. Dezember desselben Jahres seine Antrittsrede Indonesië en Oceanië. Een taalkundige terreinverkenning (frei deutsch übersetzt: Indonesien und Ozeanien. Eine sprachliche Gebietserforschung). In den Folgejahren hielt er Vorlesungen zu den allgemeinen Grundsätzen der vergleichenden Linguistik, zur Anthropologie und darüber hinaus auch Vorlesungen zu den Sprachen Tok Pisin, Malagasy, Tagalog, Soendaas und anderen pazifischen Dialekten.
Zudem beteiligte er sich als Vorsitzender der Unterfakultät der nichtwestlichen Sprachen und Kulturen von 1973 bis 1975 sowie 1978 bis 1983. Er war von 1977 bis 1982 Mitglied der Abteilung der vergleichenden Sprachwissenschaft. Er gehörte dem Institut für Sprachen und Kulturen Südostasiens und Ozeaniens an sowie der Arbeitsgemeinschaft Ozeanien. Auch war er von 1968 bis 1972 Mitglied des königlichen Instituts für Sprach-, Landes- und Völkerkunde, 1977/77 Fakultätsrat, 1978 bis 1984 Mitglied der niederländischen Organisation für niederländische Forschung (WOTRO), saß 1984 bis 1988 im beratenden Ausschuss des Verbandes für Ozeanien und war von 1969 bis 1976 Mitglied der orientalischen Gesellschaft der Niederlande.
Ab 1971 beteiligte er sich aktiv an der Ausbildung von indonesischen Linguisten am nationalen Sprachzentrum in Jakarta, wobei er nebenbei auch viele Stipendiaten aus dem Raum in den Niederlanden betreute. Aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes, er litt an Amyotropher Lateralsklerose, zog er sich am 11. Dezember 1985 von seiner Hochschullehrertätigkeit in Leiden zurück und wurde per königlichen Beschluss vom 1. Februar 1986 ehrenhaft in den Vorruhestand entlassen. Noch kurz vor seinem Lebensende veröffentlichte er sein überleitendes Wörterbuch und seine 1952 herausgegebene Grammatik zur Wolio-Sprache.
Literatur
- H. Beukers: Album Scholasticum academiae lugduno-batavae MCMLXXV-MCMLXXXIX. (1975–1989), Leids Universiteits-Fonds, Leiden, 1991
- K. A. Adelaar: In memoriam Johannes Cornelis Anceaux. In: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde, Rituals and Socio-Cosmic Order in Eastern Indonesian Societies. Teil 1, Nusa Tenggara Timur 145 (1989), No. 1, Leiden, 1–7 (Online PDF; 1102 kB, niederländisch)