Joachim Richborn

Joachim Richborn († 1684) w​ar ein deutscher Orgelbaumeister. Er wirkte i​n der zweiten Hälfte d​es 17. Jahrhunderts i​n Norddeutschland u​nd in Skandinavien u​nd gilt a​ls einer d​er bedeutendsten Hamburger Orgelbauer v​or und während Arp Schnitger.

Orgel in Buttforde, 1681

Leben

Joachim Richborn stammte a​us Hamburg u​nd war möglicherweise e​in Schüler d​es Orgelbauers Friedrich Stellwagen. 1676 w​ar er a​n der Reparatur d​er Orgel i​n der Kirche St. Maria Magdalena z​u Hamburg beteiligt u​nd hat a​uch Arbeiten i​n Møgeltønder (Dänemark) abgeliefert.

Sein erster großer Orgelneubau w​ar in d​er Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg). Matthias Weckmann, 1655–1674 Organist a​n der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi i​st in d​en ersten Jahren Richborns selbständiger Tätigkeit mehrfach i​n Zusammenhang m​it dessen Orgelbautätigkeit nachweisbar.[1] Er t​rat auch a​ls Taufpate i​n Richborns Familie i​n Erscheinung.[2]

An d​er großen Orgel d​er Marienkirche (Lübeck) führte Richborn 1673 für Dieterich Buxtehude u​nd an d​er großen Orgel d​er Hauptkirche Sankt Katharinen (Hamburg) 1674 für Johann Adam Reincken große Umbauten durch. 1671–1673 erfolgte Richborns umfassender Erweiterungsumbau i​n der Jakobikirche (Lübeck) a​uf 51 Register u​nd drei Manuale. Die Arbeit w​urde von Dieterich Buxtehude abgenommen, u​nd bis h​eute sind d​ort noch einige Register a​us Richborns Hand erhalten. Die Beschriftung d​er Tonbuchstaben a​us Kreide a​uf diesen Pfeifen ermöglichte es, d​urch die Übereinstimmungen m​it den Beschriftungen i​m Gehäuse d​er ehemaligen Lettnerorgel, für d​iese ebenfalls Richborn a​ls Orgelbauer z​u identifizieren. Anhand d​es erhaltenen Positivs i​n Skokloster (Schweden) rekonstruierte Mads Kjersgaard d​ie ehemalige Lettnerorgel d​er Jakobikirche i​m Jahr 2003.

Richborn b​aute Orgeln i​m Bereich d​er deutschen Nord- u​nd Ostseeküste v​on Ostfriesland über Nordfriesland b​is Mecklenburg-Vorpommern, a​ber auch Instrumente i​n Skandinavien. Im Wesentlichen h​aben nur z​wei Instrumente i​n Deutschland u​nd eines i​n Schweden d​ie Jahrhunderte überstanden, darunter d​ie bedeutende, f​ast vollständig erhaltene Orgel i​n Buttforde (1681). Register d​er Orgel i​n Buttforde dienten für Register d​es Hauptwerks u​nd des Pedal d​er 2001–2002 v​on Winold v​an der Putten gebauten Orgel d​er Kirche i​n Bremen-Walle a​ls Vorbild.[3]

Eine kleine Richborn-Orgel v​on 1684[4] i​n der Schlosskapelle z​u Bützow ließ 1794 d​ie Fürstin Juliane z​u Schaumburg-Lippe für e​ine Spende v​on 150 Reichstaler i​n die Dorfkirche z​u Ruchow umsetzen. Dort w​urde sie 1796 d​urch den Orgelbaumeister Heinrich Schmidt a​us dem Kloster Dobbertin aufgestellt[5] u​nd wurde später umgebaut. 2012 d​urch den Orgelsachverständigen u​nd Leiter d​es Mecklenburgischen Orgelmuseums Friedrich Drese i​n Malchow a​ls Richborn-Positiv wiederentdeckt[6] u​nd durch d​ie Firma Orgelbau Jehmlich i​n Dresden restauriert (Einweihung a​m 4. Juni 2016).[7] Sie i​st das älteste erhaltene Orgelpositiv i​n Mecklenburg-Vorpommern.

Im Jahre 1684 begann Richborn m​it dem Bau d​er Orgel für d​ie Nikolaikirche z​u Elmshorn, verstarb a​ber während d​er Arbeiten. Diese Orgel w​urde von Arp Schnitger fertiggestellt.[8] Richborns Sohn Otto Diedrich Richborn w​urde ebenfalls Orgelbauer u​nd führte d​ie Schnitger-Tradition fort.

Werke (Auswahl)

Von Jochim Richborn s​ind einige Neubauten, Umbauten u​nd Reparaturen bekannt. Erhalten s​ind das Positiv in Buttforde, Teile d​er Positive i​m Skokloster, i​n Møgeltønder u​nd in Ruchow, s​owie einige Prospekte.

In d​er fünften Spalte d​er Tabelle bezeichnet d​ie römische Zahl d​ie Anzahl d​er Manuale, e​in großes „P“ e​in selbstständiges Pedal, e​in kleines „p“ e​in nur angehängtes Pedal u​nd die arabische Zahl i​n der sechsten Spalte d​ie Anzahl d​er klingenden Register. Nicht mehrvorhandene Instrumente s​ind kursiv gesetzt.

Orgelneubauten

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1664 Pakens Kirche zum Heiligen Kreuz I/p 8 Gehäuse und Pfeifen in einigen Registern erhalten; 1951–1960 von Alfred Führer erweitert (II/P/15)
1667  ? II 10 Zuschreibung wegen Ähnlichkeit mit Lübecker Positiv, Herkunft unbekannt, 1674 von Carl Gustaf Wrangel an Skokloster geschenkt. 1804 nach Häggeby umgesetzt, 1843 nach Kalmar (Uppland), 1931 wieder ins Skokloster, 1964 Rekonstruktion und Restaurierung durch Mads Kjersgaard, einige Teile erhalten[9][10][11]
um 1670 Hamburg St. Michaelis II/P 20 erster großer Orgelbau, Abnahme durch Matthias Weckmann[12] und den Michaelisorganisten Frank Dietrich Knoop (?–1679)[13]; 1712–1714 durch einen Neubau (III/P 52) Arp Schnitgers ersetzt, der 1750 beim Brand zerstört wurde.
1673 Lübeck Jakobikirche
I 8 Lettnerorgel,; das Pfeifenwerk wurde 2003 von Mads Kjersgaard rekonstruiert; das Gehäuse ist erhalten → Richborn-Positiv der Jakobikirche (Lübeck)
1674 Grevesmühlen St. Nikolai I/P 12 nicht erhalten
1684  ? I 5 Zuschreibung, baugleich mit La Laguna, Baujahr in Balginschrift, Anfänge unbekannt, 1770 in Schlosskapelle Bützow, 1796 durch Heinrich Schmidt in Dorfkirche Ruchow umgesetzt, erweitert (I/p/7) und mit hölzernem Umbau versehen, 2012 Urheberschaft Richborns entdeckt, und durch Jehmlich auf ursprüngliche Form rekonstruiert und restauriert, am 4. Juni 2016 Orgelweihe, älteste erhaltene Orgel in MecklenburgOrgel[14]
1677 Berdum Pfarrkirche Maria-Magdalena I 6 1789 nach Grimersum verkauft und dort später ersetzt
1679 Møgeltønder, Dänemark Kirke (Schlosskapelle Schackenborg)
I 9 Zuschreibung; 1906 von Marcussen & Søn umdisponiert und 1957 von Rudolf von Beckerath um ein Rückpositiv erweitert[15]
1680 Norrköping, Schweden Hedvigs kyrka (Deutsche Kirche) 18 1719 mit Kirche verbrannt[16]
1680er La Laguna, Teneriffa Convento de St. Catalina I 5 von Rudolff Meyer 1725 nach Teneriffa verkauft und als sein eigenes Werk ausgegeben
1681 Buttforde St.-Marienkirche
I/p 9 Positiv; fast vollständig erhalten → Orgel von St. Marien (Buttforde)
1682 Barmstedt Heiligen-Geist-Kirche II 9 1718 im Zuge des Kirchenneubaus verkauft
1681–1683 Tönning St. Laurentius II/P 30 1739 ersetzt, Gehäuse erhalten
1683 Hamburg-Moorfleet St. Nikolai
II/P Prospekt erhalten
1684 Elmshorn Nikolaikirche II/P 23 starb während der Arbeiten, Vollendung durch Arp Schnitger; Gehäuse und Prospekt erhalten[17]

Weitere Arbeiten

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1662–1663 Steinbek Kirche Wiederherstellung der beschädigten Orgel. Abnahme der Arbeit durch Matthias Weckmann[18]
1667–1668 Altenbruch St.-Nicolai-Kirche II/P 25 Reparatur, Richborn wurde der Gemeinde durch Matthias Weckmann empfohlen[19]; heute III/P/35
1668 Groden St. Abundus Reparatur
1671 Hamburg Waisenhaus Umbau des Positivs
1671 Uetersen Umbau; nicht erhalten
1671–1673 Lübeck Jakobikirche
III/P 51 große Orgel, umfangreicheErweiterung; einige Richborn-Register erhalten → Große Orgel der Jakobikirche (Lübeck)
1673 Lübeck Marienkirche große Orgel, Umbau für Dietrich Buxtehude
1676–1677 Hamburg St. Maria Magdalena Reparatur
1664–1682 Hamburg St. Katharinen
IV/P 58 Erweiterung und Reparaturen, einige neue Register, darunter ein Prinzipal 32′ für das Pedal; einige Register erhalten → Orgel

Literatur

  • Mads Kjersgaard, Dietrich Wölfel: Zwei Positive des Orgelbauers Jochim Richborn von 1667 und 1673. Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, ISBN 3-7950-1267-8.
  • Harald Vogel, Günter Lade, Nicola Borger-Keweloh: Orgeln in Niedersachsen. Hauschild, Bremen 1997, ISBN 3-931785-50-5.
  • Harald Vogel, Reinhard Ruge, Robert Noah, Martin Stromann: Orgellandschaft Ostfriesland. 2. Auflage. Soltau-Kurier-Norden, Norden 1997, ISBN 3-928327-19-4.
  • Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7.
  • Walter Kaufmann: Die Orgeln Ostfrieslands – Orgeltopographie. Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1968.
  • Gustav Fock: Hamburgs Anteil am Orgelbau im niederdeutschen Kulturgebiet. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Nr. 38, 1939, S. 289–373 (online Richborn auf S. 361–364).

Einzelnachweise

  1. Fock 1974, S. 45, 69 und 74.
  2. Fock 1939, S. 313.
  3. Daniela Staiger-Ortgies: Das Konzept der Waller Orgel. S. 3, abgerufen am 2. Februar 2018 (PDF-Datei; 228 kB).
  4. Baujahr nach Balginschrift 1684.
  5. LHAS 3.2-3/1 Landeskloster/Klosteramt Dobbertin. Nr. 3185 Nachlass des Orgelbaumeisters Schmidt 1787/98 aus Dobbertin.
  6. Gabriele Struck: Wertvolle Richborn-Orgel aus 17. Jahrhundert entdeckt. In: Hamburger Abendblatt vom 4. November 2013, abgerufen am 16. Februar 2015.
  7. Rüdiger Rump: Ruchow durch Orgeln international. SVZ Schwerin, Anzeiger für Sternberg, Brüel, Warin. 6. Juni 2016.
  8. Fock 1974, S. 158–159.
  9. Mads Kjersgaard, Dietrich Wölfel: Zwei Positive des Orgelbauers Jochim Richborn von 1667 und 1673. Schmidt-Römhild, Lübeck 2005, ISBN 3-7950-1267-8.
  10. Richbornorgeln i Skokloster kyrka mit Geschichte und Disposition (schwedisch), gesehen 17. Juni 2019 .
  11. Orgel Orgeldatabase, mit Geschichte und Disposition (niederländisch)
  12. Fock 1974, S. 74.
  13. Heike Angermann: Stellwagen-Orgel in Woldenhorn. In: Diedrich Becker, Musicus. Annäherung an einen Musiker und seine Zeit. (PDF-Datei; 2,15 MB). Dissertation Universität Würzburg, Zeulenroda 2013, S. 90.
  14. Ruchow Orgelmuseum Malchow, mit Geschichte und Disposition
  15. Orgel Prgeldatabase, mit Geschichte und Disposition (niederländisch)
  16. Abr. Hülphers: Historisk Afhandling om Musik och Instrument särdeles om Orgwerks Inrättningen i Allmänhet jemte Kort Beskrifning öfwer Orgwerken i Swerige. 1773. S. 214
  17. Fock 1974, S. 158–159.
  18. Fock 1974, S. 69.
  19. Fock 1974, S. 45.
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