Jenny Erpenbeck
Jenny Erpenbeck (* 12. März 1967 in Ost-Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin.
Leben
Jenny Erpenbeck ist die Tochter des Physikers, Philosophen und Schriftstellers John Erpenbeck und der Arabisch-Übersetzerin Doris Kilias. Ihre Großeltern väterlicherseits sind die Autoren Fritz Erpenbeck und Hedda Zinner.
Erpenbeck besuchte die Erweiterte Oberschule in Ost-Berlin, an der sie 1985 ihr Abitur machte. Anschließend absolvierte sie eine zweijährige Lehre als Buchbinderin. Es folgte ein praktisches Jahr als Requisiteurin am Kleist-Theater in Frankfurt (Oder) und als Ankleiderin an der Staatsoper Berlin.
Von 1988 bis 1990 studierte sie Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.
1990 wechselte sie zum Studium der Musiktheater-Regie (u. a. bei Ruth Berghaus und Peter Konwitschny) zur Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. 1993 assistierte sie Heiner Müller bei der Produktion von Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums arbeitete sie ab 1997 als Regisseurin in Deutschland und Österreich. Parallel dazu schlug sie die schriftstellerische Laufbahn ein. 1999 erschien ihr Debüt „Geschichte vom alten Kind“. Es folgten u. a. die Romane „Heimsuchung“ (2008), „Aller Tage Abend“ (2012) und „Gehen, ging, gegangen“ (2015), für die sie zahlreiche Preise im In- und Ausland erhielt, darunter den Thomas-Mann-Preis und den Independent Foreign Fiction Prize (seit 2016 umbenannt in Man Booker International Prize)
Jenny Erpenbecks Werke wurden in 30 Sprachen übersetzt, darunter ins Englische, Französische, Spanische, Italienische, Schwedische, Türkische, Arabische, Hebräische, Dänische, Griechische, Niederländische, Norwegische, Slowenische, Ungarische, Japanische, Koreanische, Litauische, Polnische, Rumänische, Estnische und Finnische.
Jenny Erpenbeck ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung[1], der Akademie der Künste Berlin[2], der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz[3] sowie des PEN-Zentrum Deutschland.
2017 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.[4]
Erpenbeck lebt mit dem Dirigenten Wolfgang Bozic und ihrem gemeinsamen Sohn in Berlin.[5]
Ihr Roman Kairos (2021) sei „ganz sicher einer der aufrichtigsten und besten Romane über den Niedergang der DDR“, urteilte Peter Mohr in der Münchner Abendzeitung.[6] Der Roman spielt Ende der 1980er Jahre in Ostberlin und erzählt von der Liaison zwischen dem Schriftsteller Hans, Anfang 50 und verheiratet, und der 19-jährigen Katharina.[7]
Werke
Prosa
- Geschichte vom alten Kind. Eichborn, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-8218-0784-9.
- Tand. Erzählungen. Eichborn, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8218-0696-6.
- Wörterbuch. Eichborn, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-0742-3.
- Heimsuchung. Eichborn, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8218-5773-2.
- Dinge, die verschwinden. Galiani, Berlin 2009, ISBN 978-3-86971-004-4.
- Aller Tage Abend. Knaus Verlag, München 2012, ISBN 978-3-8135-0369-2[8].
- Gehen, ging, gegangen. Knaus, München 2015, ISBN 978-3-8135-0370-8.
- Kein Roman. Texte und Reden 1992 bis 2018. Penguin, München 2018, ISBN 978-3-328-60029-9.
- Kairos. Roman. Penguin Verlag, München 2021 ISBN 978-3328600855
Dramatik
- Katzen haben sieben Leben. UA: 30. Januar 2000, Vereinigte Bühnen Graz; verlegt bei Eichborn, Frankfurt am Main 2000 ISBN 3-8218-0785-7, sowie beim Verlag der Autoren ISBN 978-3-88661-339-7
- Leibesübungen für eine Sünderin. UA: 27. März 2003, Deutsches Theater Berlin
- Schmutzige Nacht. Verlegt beim Verlag der Autoren, Frankfurt am Main, 2015, ISBN 978-3-88661-339-7
- Lot. Libretto für eine Oper in deutscher Sprache von Giogio Battistelli UA: 28. Mai 2017 Staatsoper Hannover 2016[9]; Vertrieb Casa Ricordi Milano
Inszenierungen
- 1997 Gedichte aus der „Hauspostille“ (Brecht), Berliner Ensemble
- 1998 „Hänsel und Gretel“ (Humperdinck), Opernhaus Graz
- 2000 „Katzen haben siebel Leben“ (UA), Schauspielhaus Graz "Schauspieldirektor/Apotheker" (Mozart/Haydn), Landestheater St. Pölten "Cabaret" (Kander), Schauspielhaus Linz
- 2001 „Erwartung/Herzog Blaubarts Burg“, (Schönberg/Bartòk), Opernhaus Graz
- 2002 „L’Orfeo“, (Monteverdi). Theater Aachen
- 2003 „Acis und Galathea“ (Händel), Staatsoper Berlin
- 2004 „Orpheus in der Unterwelt“ (Offenbach/Hacks), Hans-Otto-Theater Potsdam
- 2006 „Zaide“ (Mozart/Erpenbeck), Oper Nürnberg (Markgrafentheater Erlangen)
Preise und Würdigungen
- 2001: Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt[10]
- 2001: mehrere Aufenthaltsstipendien (Ledig Rowohlt House in New York; Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf)
- 2004: GEDOK Literaturförderpreis
- 2006: Trägerin des Stipendiums Inselschreiber auf Sylt[11]
- 2008: Solothurner Literaturpreis
- 2008: Heimito von Doderer-Literaturpreis
- 2008: Hertha Koenig-Literaturpreis
- 2009: Preis der LiteraTour Nord
- 2010: Literaturpreis der Stahlstiftung Eisenhüttenstadt[12]
- 2013: Schubart-Literaturpreis[13]
- 2013: Evangelischer Buchpreis für Aller Tage Abend
- 2013: Joseph-Breitbach-Preis[14]
- 2013: Thomas-Valentin-Literaturpreis
- 2013: Poetik-Professur an der Universität Bamberg
- 2013: Ver.di-Literaturpreis Berlin-Brandenburg
- 2014: Europäischer Literaturpreis (Niederlande) für Aller Tage Abend
- 2014: Hans-Fallada-Preis
- 2014: Heinrich-Heine-Gastdozentur[15]
- 2015: „Gehen, ging, gegangen“ auf der Shortlist des deutschen Buchpreises
- 2015: Independent Foreign Fiction Prize für The End of Days, übers. von Susan Bernofsky[16]
- 2016: Walter-Hasenclever-Literaturpreis[17]
- 2016: Thomas-Mann-Preis[18]
- 2016: Shortlist des International DUBLIN Literary Award mit The End of Days, übers.von Susan Bernofsky
- 2017: Bundesverdienstkreuz am Bande
- 2018: „Gehen, ging, gegangen“ (“Go. Went, Gone”) New York Times Notable Book List 2018
- 2019: Usedomer Literaturpreis
- 2019: Premi Libreter (Katalonien) für „Gehen, ging, gegangen“ (katalanische Übersetzung Marta Pera Cucurell)
- 2019: „Heimsuchung“ (in engl. Übers.) auf der Guardian-Liste “100 Best Books of the 21st Century”
- 2021: Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden, insbes. für Aller Tage Abend (vgl. Lee Ho-chol)[19]
Hörbücher
- 2016: Heimsuchung (Roman, Autorenlesung), der Hörverlag, ISBN 978-3-8445-2510-6 (Hörbuch-Download)
- 2021: Kairos (Roman, Autorenlesung), der Hörverlag, ISBN 978-3-8445-4353-7 (Hörbuch-Download)
Literatur
- Heike Bartel, Elizabeth Boa (Hrsg.): Pushing at Boundaries. Approaches to Contemporary German Women Writers from Karen Duve to Jenny Erpenbeck. Amsterdam 2006, ISBN 978-90-420-2051-1 (englisch).
- Maria Behre: ‘Give us a place‘ – Politischwerden auf dem Oranienplatz. Jenny Erpenbecks Roman ‚Gehen, ging, gegangen‘ (2015), gelesen mit Hannah Arendts politischer Philosophie. In: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik (ZDPE), Jg. 39, 2017, Heft 1 – Markus Tiedemann (Hrsg.): Hannah Arendt, S. 58–65.
- Miranda Chorus: Biographische Bezüge in Jenny Erpenbecks Dramatik, Magisterarbeit Univ. Nijmegen, 2016.
- Wiebke Eden: Sich mit Worten auszudrücken, war immer das Nächste. In: Keine Angst vor großen Gefühlen. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-596-15474-X, S. 13–32 (Interview).
- „Wahrheit und Täuschung“ – Beiträge zum Werk Jenny Erpenbecks, herausgegeben von Friedhelm Marx und Julia Schöll (Hrsg.), Wallstein Verlag, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1562-4
- Elisabeth Krimmer: „The Representation of Wartime Rape in Julia Franck´s Die Mittagsfrau and Jenny Erpenbeck´s Heimsuchung“; Nancy Nobile „The Legacy of Romanticism in Jenny Erpenbeck´s Heimsuchung“, in: Gegenwartsliteratur, ein germanistisches Jahrbuch, 14/2015 – herausgegeben von Paul Michael Lützeler, Erin McGlothlin, Jennifer Kapczynski, Stauffenburg Verlag, Tübingen 2015, ISBN 978-3-95809-641-7.
Weblinks
- Literatur von und über Jenny Erpenbeck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (Memento vom 11. Oktober 2013 im Internet Archive) (Ulrich Goerdten)
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Jenny Erpenbeck bei perlentaucher.de
- Interpretationen und Werkverzeichnis im Autor*innenlexikon der Universität Duisburg-Essen / Fakultät für Geisteswissenschaften – Germanistik
- Audiomitschnitte: Jenny Erpenbeck liest aus „Aller Tage Abend“, „Heimsuchung“ und „Tand“ zum Anhören und Herunterladen auf Lesungen.net
Einzelnachweise
- Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung - Akademie - Mitglieder - Jenny Erpenbeck. Abgerufen am 4. Dezember 2019.
- 16. Akademie der Künste, Journal der Künste 04, Nov.2017 ISSN 2510-5221
- Mitgliedseintrag von Jenny Erpenbeck bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, abgerufen am 11. Oktober 2017
- www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Reisen und Termine / Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit. Abgerufen am 4. Dezember 2019.
- Porträt bei literaturport.de, abgerufen am 17. Juni 2016
- Peter Mohr: Jenny Erpenbecks "Kairos": Untergang ohne Schadenfreude, in: AZ, 5. Oktober 2021.
- Peter Mohr: Jenny Erpenbecks "Kairos": Untergang ohne Schadenfreude, in: AZ, 5. Oktober 2021; Maike Albath: Abgesang auf die DDR, in: Deutschlandfunk, 27. August 2021.
- Rezension, literarischealtersbilder.uni-koeln.de
- FAZ vom 4. April 2017
- Ingeborg-Bachmann-Preis: Die AutorInnen bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur 2001. In: ORF Kärnten. 2. Juli 2001, abgerufen am 28. Mai 2009.
- Inselschreiber: Jenny Erpenbeck: Preisträger 2006. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Kunstraum-Sylt Quelle. Archiviert vom Original am 23. Oktober 2007; abgerufen am 10. Juli 2008.
- ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH - 1. November 2010 - Verleihung Stahl-Literaturpreis 2010
- Pressemitteilung der Stadt Aalen vom 4. Dez. 2012 (Memento vom 5. Januar 2013 im Webarchiv archive.today), abgerufen am 17. April 2018
- Joseph-Breitbach-Preis
- Heinrich-Heine-Gastdozentur der Lüneburger Leuphana Universität (Memento des Originals vom 25. Februar 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Jenny Erpenbeck's The End of the Days wins Independent Foreign Fiction Prize. irishtimes.com, May 27,2015
- Walter-Hasenclever-Literaturpreis (Pressemitteilung am 1. März 2016, Verleihung am 6. November 2016)
- Jenny Erpenbeck mit Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet, in Kieler Nachrichten vom 18. September 2016
- Jenny Erpenbeck mit Lee-Hochul-Literaturpreis für den Frieden ausgezeichnet, boersenblatt.net, 3. Dezember 2021, abgerufen am 4. Dezember 2021