Jean Mohr

Jean Mohr (* 13. September 1925 a​ls Hans Adolf Mohr i​n Genf; † 3. November 2018 i​n Collonge-Bellerive[1]) w​ar ein Schweizer Dokumentarfotograf u​nd wichtiger Vertreter d​er Humanitären Fotografie. Ab 1949 fotografierte e​r für d​ie wichtigsten humanitären Organisationen d​er Welt w​ie das UNHCR, d​as IKRK, d​as UNRWA, d​ie WHO u​nd die IAO/ILO.

Leben

Jean Mohr w​uchs mit fünf Geschwistern i​n Genf auf. Sein Vater, d​er 16 Sprachen übersetzen konnte, arbeitete b​ei der Internationalen Arbeitsorganisation u​nd beim IKRK. Seine deutschen Eltern w​aren 1919 i​n die Schweiz emigriert.[2] Als Reaktion a​uf den Nationalsozialismus beantragten s​ie das Schweizer Bürgerrecht, d​as die Familie 1939 erhielt.

Mohr studierte a​n der Universität Genf Volkswirtschaftslehre u​nd schloss m​it dem Lizenziat ab. 1949/1950 arbeitete e​r als IKRK-Delegierter i​n Palästina. 1951 studierte e​r Malerei a​n der Académie Julian i​n Paris. Seine ersten Arbeiten a​ls Fotograf erschienen 1952 u​nd seine ersten Publikationen 1955. Von 1956 b​is 1978 arbeitete e​r im Auftrag internationaler Organisationen (IAO, IKRK, UNHCR, JDC, WHO).[3]

Er w​ar ab 1956 verheiratet u​nd hatte z​wei Söhne.[4]

Werk

Mohrs Reportagen waren das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrung, die er als Mitarbeiter humanitärer Organisationen mit den Tragödien der Zivilpersonen, die in bewaffnete Auseinandersetzungen gerieten, machte. Er zeigte nicht den Krieg, sondern dessen Folgen, die Probleme der Opfer von Konflikten, die durch den Krieg geschwächten Flüchtlinge und Gemeinschaften, die weiterhin anhaltenden Bedrohungen ausgesetzt sind. Er gab den Konfliktopfern ein Gesicht, damit sich der Betrachter mit ihnen identifizieren kann, deshalb machte er keine abschreckenden Bilder. Er zeichnete den Weg der Vertreibung, das prekäre Umfeld der Flüchtlingslager und die Versuche der Flüchtlinge, sich einer Situation mit nicht absehbarem Ende anzupassen. Mohrs Werk umfasst 26 Fotobücher, fünf mit Texten von John Berger und eines mit Texten von Edward Said. Seine Hauptwerke sind seine Langzeitdokumentation in sechs Bänden mit John Berger und sein Buch Nebeneinander oder von Angesicht zu Angesicht umfasst eine 50-jährige Retrospektive seiner Fotografien über palästinensische Flüchtlinge und wurde in Zusammenarbeit mit dem IKRK und dem Rotkreuzmuseum in Genf publiziert.[5]

Das Fotoarchiv Jean Mohr w​urde dem Musée d​e l’Elysée d​urch die Stiftung Hans Wilsdorf geschenkt. Der Verein z​ur Erhaltung d​es audiovisuellen Kulturgutes d​er Schweiz (Memoriav) h​at geholfen, e​s zugänglich z​u machen.[6]

Auszeichnungen

  • 1964 als einer der 50 wichtigsten Schweizer Gegenwartskünstler
  • 1978 Preis der Photokina, Köln, als derjenige Fotograf, der sich am stetigsten um die Menschenrechte verdient gemacht hat
  • 1984 Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Lausanne für seine Ausstellung C’était demain
  • 1988 Preis für bildende Kunst der Stadt Genf

Ausstellungen

Über 80 nationale u​nd internationale Ausstellungen w​aren zwischen 1961 u​nd 2013 seinem Werk gewidmet:

  • 1978 Photokina, Köln: Arbeit und Freizeit/Musse.
  • 1985 Musée Rath, Genf: L’autre mémoire.
  • 1992 Musée d’Elysée, Lausanne: Retrospektive Jean Mohr.
  • 2003 Wanderausstellung in Jerusalem, Bethlehem, Ramallah, Gaza, Genf, Kiew, Moskau, Luxemburg, London: Nebeneinander oder von Angesicht zu Angesicht. 50 Jahre Photographien von Jean Mohr in Israel und Palästina.
  • 2014 Landesmuseum Zürich: Krieg aus der Sicht der Opfer – Photographien von Jean Mohr

Publikationen

  • mit Bernard Gavoty (Text): Ernest Ansermet. Kister, Genf 1961
  • mit John Berger (Text): A Fortunate Man. The Story of a Country Doctor. 1967
  • mit John Berger: Geschichte eines Landarztes. Fischer Taschenbuch 1998/2001, ISBN 3-596-14594-5
  • A Seventh Man. Experience of migrant workers in Europe. 1976
  • Arbeitsemigranten. Erfahrungen, Bilder, Analysen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1976, ISBN 3-499-16946-0
  • mit John Berger: Another Way of Telling. 1981
  • mit John Berger: Eine andere Art zu erzählen. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1982/2000, ISBN 3-596-14595-3
  • mit Edward Said: After the Last Sky – Palestinian Lives. 1986
  • 100 images pour la liberté de la presse, Bilder für die Pressefreiheit, immagini per la libertà di stampa. Labor et fides, Genf 2010, ISBN 978-2-8309-1399-6

Literatur

  • Krieg aus der Sicht der Opfer – Photographien von Jean Mohr. Broschüre zur Ausstellung des Musée de l’Elysée, Lausanne in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten vom 23. August – 26. Oktober 2014.
  • Daniel Girardin: Mohr, Jean. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Mohr, Jean. In: Sikart

Einzelnachweise

  1. Mohr, Jean. In: Sikart, abgerufen am 21. Januar 2022.
  2. Jean Mohr, disparition d’un humaniste, Le Temps, 4. November 2018.
  3. Zeit-Fragen vom 23. September 2014: Interview mit Jean Mohr - Einen guten Kontakt zu den Menschen in äusserst schwierigen Lebensumständen.
  4. Jan Hartman: The Photographer Geneva Jean Mohr Died. The Siver Telegram, 4. November 2018, archiviert vom Original am 6. November 2018; (englisch).
  5. Krieg aus der Sicht der Opfer – Photographien von Jean Mohr. Broschüre zur Ausstellung des Musée de l’Elysée, Lausanne in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten vom 23. August – 26. Oktober 2014.
  6. Memoriav: Jean Mohr – zum Bestand.
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