Jean-François Champollion
Jean-François Champollion (Französisch: [ʃɑ̃pɔljɔ̃], * 23. Dezember 1790 in Figeac im Département Lot; † 4. März 1832 in Paris) war ein französischer Sprachwissenschaftler. Mit der Entzifferung der ersten Hieroglyphen auf dem Stein von Rosette legte er den Grundstein für die wissenschaftliche Erforschung des dynastischen Ägyptens.
Leben
Ausbildung in acht Fremdsprachen
Jean-François Champollion wurde als Sohn des Buchhändlers Jacques Champollion geboren. Die Unruhen der Französischen Revolution verhinderten eine reguläre Ausbildung.
Im März 1801 (mit 11) zog Champollion zu seinem Bruder Jacques-Joseph, einem späteren Professor für Altgriechisch, nach Grenoble, wo er weiterhin vor allem privat unterrichtet wurde und eine Leidenschaft für Ägypten entwickelte. Mit ihm war damals ganz Frankreich durch die zurückkehrende ägyptische Expedition Napoleon Bonapartes daran interessiert.
1802 traf Champollion den aus Ägypten zurückgekehrten und zum Präfekten des Départements Isère ernannten Mathematiker Joseph Fourier. Dieser zeigte ihm Teile seiner ägyptischen Sammlung und weckte mit der Erklärung, dass niemand diese Schriftzeichen lesen könne, in Champollion das lebenslange Streben nach der Entzifferung der Hieroglyphen.
Mit 13 begann Champollion verschiedene orientalische Sprachen zu lernen, und mit 17 hielt er erfolgreich einen Vortrag über die Ähnlichkeiten zwischen dem Koptischen und den Hieroglyphen. Im Selbststudium und mit Hilfe eines privaten Lehrers erwarb er weitere hervorragende Sprachkenntnisse und beherrschte bereits mit 18 Jahren acht alte Sprachen. Abgesehen von wenigen Reisen nach Italien und der großen Ägypten-Expedition wohnte der Forscher abwechselnd in Grenoble und Paris.[1]
Vom November 1804 bis August 1807 besuchte Champollion das neu eröffnete Lyzeum und verfolgte dort trotz des strikt vorgeschriebenen Lehrplans seine eigenen Sprachstudien weiter. Gesundheitlich war er wenig robust. Schon in jungen Jahren plagten ihn heftige Kopfschmerzen, Reizhusten und Atemnot. Er litt unter nervöser Erschöpfung und brach oft ohnmächtig zusammen. Ständiges Lesen bei schummeriger Beleuchtung griff sein Augenlicht an. Später kamen Tuberkulose, Gicht, Diabetes, Nieren- und Leberschäden hinzu. Dennoch bewältigte der besessene Gelehrte ein ungeheures Arbeitspensum und gönnte sich kaum je eine Ruhepause.[1]
Champollion präsentierte nach Schulabschluss im August 1807 seinen Aufsatz der geographischen Beschreibung Ägyptens vor den Eroberungen durch Kambyses und wurde dafür zum Mitglied der Akademie von Grenoble ernannt. Von 1807 bis 1809 studierte er in Paris, wo er seine bereits umfangreichen Sprachkenntnisse um Arabisch, Persisch und Koptisch erweiterte.
Stein von Rosette
In Paris arbeitete Champollion auch erstmals mit dem Stein von Rosette und leitete von diesem ein Alphabet des Demotischen ab. Das so gewonnene Alphabet half ihm, auch nicht-hieratische Papyri zu entschlüsseln, obwohl er sich der tatsächlich bestehenden Unterschiede damals noch nicht bewusst war.
1810 wurde Champollion in Grenoble Professor für alte Geschichte auf einer geteilten Stelle an der neu eröffneten Universität. Seine Arbeit an den Hieroglyphen wurde in den folgenden Jahren vor allem durch Mangel an Materialien, die Wirren der Rückübernahme Frankreichs durch die Royalisten und das dadurch verursachte Exil in Figeac von März 1816 bis Oktober 1817 behindert. Zurück in Grenoble übernahm er zwei Schulen und heiratete im Dezember 1818 Rosine Blanc. Durch politische Intrigen ermüdet und seiner Ämter beraubt, reiste er im Juli 1821 wieder nach Paris. Dort konzentrierte er sich vor allem auf Übersetzungen zwischen Demotisch, Hieratisch und den Hieroglyphen. Lange Zeit musste Champollion Ungerechtigkeiten und den Neid seiner Kollegen ertragen, doch sein starker Charakter ließ ihn nie das Ziel aus den Augen verlieren, als Erster die altägyptischen Schriftzeichen zu entschlüsseln.[1]
Anhand einer quantitativen Symbolanalyse des Steins von Rosette erkannte Champollion, dass Hieroglyphen nicht nur für Worte allein stehen konnten.[2] Mithilfe der Namenskartuschen für Ptolemaios VIII., Kleopatra II. und Kleopatra III. auf dem von William John Bankes erworbenen Obelisken von Philae, dem Stein von Rosette, Abbildungen aus einem Tempel in Abu Simbel und anderen Papyri entdeckte er, dass einzelne Hieroglyphen für Buchstaben standen, andere für ganze Wörter, oder dass sie gar kontextbestimmend waren.
Im September 1822 gelang es Champollion, ein vollständiges System zur Entzifferung der Hieroglyphen aufzustellen. Am 27. September 1822 stellte der Franzose den Mitgliedern der Akademie der Inschriften und der schönen Literatur in Paris einen Teil seiner Forschungsergebnisse zu den Hieroglyphen vor. Doch kaum hatte der Referent an jenem Tag ausgeredet, fielen die meisten zuhörenden Wissenschaftler über ihn her. Sie beschuldigten ihn des Plagiats oder zweifelten seine Übersetzungen schlichtweg an.[1] Er veröffentlichte Teile der Arbeit im Oktober 1822 (Brief an M. Dacier, den Ständigen Sekretär des ehrwürdigen Instituts, betreffend das Alphabet der phonetischen Hieroglyphen) und eine ausführliche Erklärung im April 1824 (Zusammenfassung des Systems der Hieroglyphen im Alten Ägypten). Heute feiert die Nachwelt den sogenannten „Brief an Monsieur Dacier“ als Meilenstein in der Entwicklung der Ägyptologie.[1] 1830 wurde er dann doch zum Mitglied der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres gewählt.[3]
Reisen
Auf der Suche nach weiteren ägyptischen Schriften verbrachte Champollion die Zeit von Juni 1824 bis März 1826 in Italien, speziell in Turin. Dort fand und übersetzte er den „Königspapyrus Turin“ – eine sehr ausführliche Auflistung der ägyptischen Pharaonen-Dynastien. Er hielt diese Übersetzung eine Weile geheim, da sie die Zeitrechnung der Kirche insgesamt in Frage stellte.
Von August 1828 bis Dezember 1829 leitete Champollion eine französisch-toskanische Expedition nach Ägypten den Nil entlang bis Wadi Halfa. Viele dabei entdeckte Materialien sind die einzigen Zeugnisse der zu der Zeit oft als Steinbruch verwendeten Tempel.
Am 4. März 1832 starb Jean-François Champollion nur 41-jährig an einem Schlaganfall. Er ruht auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris.
Eponyme
1924 wurde das Passagierschiff Champollion, 1970 der Mondkrater Champollion[4] und 1987 der Asteroid (3414) Champollion nach ihm benannt.[5]
Schriften
- Lettre à M. Dacier relative à l'alphabet des hiéroglyphes phonétiques employés par les Égyptiens pour inscrire sur leurs monuments les titres, les noms et les surnoms de souverains grecs et romains. Firmin Didot, Paris 1822.
- Lettres à M. le duc de Blacas d’Aulps. Firmin Didot, Paris 1824–26.
Literatur
(chronologisch sortiert)
- Hermine Hartleben: Champollion. Sein Leben und Sein Werk. 2 Bände, Weidmann, Berlin 1906
Neuauflage: Champollion. Sa vie et son œuvre 1790-1832. Pygmalion/ Watelet, Paris 1983, ISBN 2-85704-145-4. - Jean François Champollion: Lettres et journaux écrits pendant le voyage d’Égypte (= Collection "Epistème."). Christian Bourgois, Paris 1986, ISBN 2-267-00472-0.
- Rudolf Majonica: Das Geheimnis der Hieroglyphen. Die abenteuerliche Entschlüsselung der ägyptischen Schrift durch Jean François Champollion (= dtv junior Sachbuch. Band 79507). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1988, ISBN 3-423-79507-7.
- Wolfgang Helck: Kleines Lexikon der Ägyptologie. Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04027-0, S. 59 f. → Champollion, Jean François.
- Barbara S. Lesko: Champollion, Jean-François. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 192–193.
- Guy Chassagnard: Les frères Champollion - de Figeac aux hiéroglyphes. Segnat Éditions, Figeac 2001, ISBN 2-901082-12-2.
- Lesley Adkins, Roy Adkins: Der Code der Pharaonen. Der dramatische Wettlauf um die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen. Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-7857-2043-2.
- Monique de Bradké: Champollion et ses amis les pharaons. Editions S. d. É., Paris 2004, ISBN 2-7480-1405-7.
- Markus Messling: Champollions Hieroglyphen, Philologie und Weltaneignung. Kadmos, Berlin 2012, ISBN 978-3-86599-161-4.
- Andrew Robinson: Wie der Hieroglyphen-Code geknackt wurde: Das revolutionäre Leben des Jean-François Champollion. WBG, Darmstadt 2014, ISBN 3-8053-4762-6.
Belletristik
- Joël Polomski, Gilles Faltrept: Champollion, héritier du peuple kagoth. Association des collectionneurs de Figeac et ses environs, Figeac 1990, ISBN 2-9502652-1-9 (Comic).
- Christian Jacq: Der lange Weg nach Ägypten (= Rororo. Rowohlt Taschenbuch Band 22227 ). Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22227-2.
- Michael Klonovsky: Der Ramses-Code. Rütten & Loening, Berlin 2001, ISBN 3-352-00575-3.
Film
- „Mythos Ägypten: Jean-François Champollion. Wettlauf um den Hieroglyphen-Code“ (Memento vom 13. Februar 2007 im Internet Archive), Doku-Drama, 90 Min., 2 Teile, Produktion: ZDF, Erstausstrahlung: 27. August 2006 und 3. September 2006
Weblinks
Einzelnachweise
- ZDF:„Das Rätsel um die Erschaffung der Welt lösen“ (Memento vom 6. Juli 2007 im Internet Archive), 29. Dezember 2021.
- Berthold Seewald: Ein 31-Jähriger entschlüsselt die Hieroglyphen: Auf: welt.de vom 25. September 2012.
- Mitglieder seit 1663: Jean-François Champollion. Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, abgerufen am 1. Januar 2021 (französisch, mit Kurzbiografie).
- Champollion (Mondkrater) im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS
- Minor Planet Circ. 12458