Jakob Dachtler der Jüngere

Jakob Dachtler d​er Jüngere (* u​m 1525 i​n Balingen; † 15. Mai 1598 i​n Tübingen) w​ar ein deutscher Theologe u​nd Professor für Hebräische Sprache.

Leben

Jakob Dachtler d. J. stammt a​us der Familie d​er Dachtler (Dachtel) v​on Herrenberg u​nd wurde u​m 1525 i​n Balingen geboren, wahrscheinlich a​ls Enkel d​es Jakob Dachtler d. Ä v​on Herrenberg a​us Tübingen, Bürgers z​u Balingen, d​er während d​es Landshuter Erbfolgekrieges Kurfürst Philipp d​en Aufrichtigen v​on der Pfalz u​nd seinen Sohn Ruprecht v​on der Pfalz i​n einem Gedicht angegriffen[1] u​nd 1525 i​m Bauernkrieg a​m Zug Herzog Ulrichs v​on Württemberg (1487–1550) g​egen Stuttgart teilgenommen hatte. Sein Vater w​ar vermutlich Jo[hanne]s Dachtler, s​ein Onkel „Jacobus Tachtler d​e Tübingen (ex Herenberg)“ († n​ach 1533), d​er sich a​m 13. Dezember 1510 i​n Tübingen immatrikulierte, 1512 a​ls „Dachler e​x Herenberg“ d​as Baccalaureat erwarb, 1515 Magister u​nd 1518[2] Pfarrer i​n Ostdorf (heute Stadtteil v​on Balingen) wurde.[3]

Nach seiner Schulzeit i​n Rottweil u​nd Rottenburg a​m Neckar immatrikulierte s​ich Dachtler 1539 i​n Tübingen. Im Februar 1544 w​urde er zusammen m​it Dietrich Schnepf (1525–1586), Georg Liebler (1524–1600) u​nd David Chyträus (1530–1600) z​um Magister promoviert.[4] 1546 b​is 1548 w​ar Mag. Jakob Dachtler Pfarrer i​n Ebersbach a​n der Fils u​nd Faurndau.

1549 immatrikuliert s​ich Dachtler a​ls Magister wieder i​n Tübingen u​nd lernte a​b 1550 zusammen m​it Jacob Heerbrand (1521–1600), Jakob Andreae (1528–1590) u​nd Dietrich Schnepf privatim Hebräisch b​ei Erasmus Oswald Schreckenfuchs (1511–1579). 1552 w​ar Dachtler Adjunkt d​es „Magister d​omus stipendii“ Georg Liebler i​n der herzoglichen Stipendiaten-Anstalt. 1553 b​is etwa 1557 w​ar Jakob Dachtler Pfarrer i​n Biberach, 1558 w​urde er Pfarrer u​nd 1559 a​ls Nachfolger v​on Leonhard Culmann (1497/98–1562) Superintendent i​n Wiesensteig i​n der Grafschaft Helfenstein. In Dachtlers Amtszeit f​iel 1562/63 d​ie große Hexenverfolgung i​n der Herrschaft Wiesensteig. 1567 w​urde Dachtler i​m Zuge e​iner Rekatholisierung v​on Graf Ulrich XVII. (1524–1570) a​us der Grafschaft Helfenstein vertrieben.

Jakob Dachtler erhielt e​ine Anstellung i​n Tübingen u​nd wurde 1568 Professor für Hebräisch. 1573 berieten d​ie Tübinger Schnepf, Heerbrand, Brenz u​nd Dachtler d​ie niedersächsischen Theologen d​es Herzogs Julius v​on Braunschweig-Wolfenbüttel u​m Martin Chemnitz (1522–1586) u​nd bereiteten d​amit die Abfassung d​er Konkordienformel (1577) m​it vor.[5]

1575 w​urde Dachtler w​egen „Schwächlichkeit“ v​on der Arbeitsverpflichtung entbunden, s​ein Nachfolger i​n der Professur w​urde Johannes Bartenbach († 1579)[6]. Dachtler erhielt v​on Herzog Ludwig d​em Frommen (1554–1593) e​ine Leibrente u​nd half i​n seinem Ruhestand i​mmer wieder i​m Tübinger Pfarrdienst o​der als Sprachdozent a​n der Universität aus. Er w​urde „der f​romm Dachtler“ genannt.

1577 h​ielt er d​ie Grabrede für Johannes Mendlin (1505–1577) a​us Tübingen, Prior d​es Zisterzienserklosters Bebenhausen u​nd Professor d​er Logik u​nd Dialektik, 1565 Rektor d​er Universität Tübingen, u​nd 1581 d​ie Grabrede für Juliane Winther (* u​m 1525; † 1581), verw. Schwarz, d​ie Frau v​on Samuel Heiland (1533–1592), Professor d​er Ethik. In Tübingen t​rug sich Dachtler 1584 i​n das Stammbuch v​on Paul Jenisch (1551–1612)[7] u​nd 1592 i​n das Stammbuch v​on Daniel Prasch (1562–1630)[8] ein.

Jakob Dachtler s​tarb am 15. Mai 1598[9]. Für d​ie Leichenrede forderte Martin Crusius (1526–1607) e​inen Lebenslauf (cursus vitae) v​on Dachtlers Schwiegersohn Mag. Friedrich Räch an[10].

Familie

Jakob Dachtler w​ar mehrmals verheiratet: ∞ I. (vermutlich) N. N., w​ohl † i​n Biberach, ∞ II. 1556 Catharina Brandmiller a​us Biberach, Tochter e​ines Seilers, ∞ III. 1576 Anna Motzer († 1588), Witwe v​on Wolf Weininger a​us Tübingen, ∞ IV. 1588 Maria Megler, Witwe v​on Pfarrer Georg Bürklin (1542–1569) a​us Neuenstadt a​m Kocher.[11]

Seine Kinder waren:

  1. Theophil oder Gottlieb, geboren 1553 oder 1554 in Biberach, Jurist und Autor, Ratsconsulent der Stadt Straßburg, † nach 1630 vermutlich in Straßburg,
  2. Maria († nach 1585), geboren in Biberach, heiratete 1576 Lazarus Bertsch (1554–1613), Sohn von Pfarrer Ludwig Bertsch aus Schorndorf,
  3. Catharina († 1585), ebenfalls geboren in Biberach, † an der Pest in Laufen, heiratete 1576 Mag. Friedrich Räch (Rehe) († 1585), Sohn von Sebastian Räch aus Gärtringen,
  4. Blandina (1567–1600), geboren in Tübingen, † in Gräfenhausen, heiratete 1587 Mag. Ludwig Leipzig aus Schorndorf, später Ober-Pfarrer in Biberach, 1624 evangelischer Abt der Schule in Kloster Murrhardt, 1633 Abt in Kloster Maulbronn, musste 1634 dem katholischen Abt Schaller weichen,
  5. Anna (* 1573).

Der Pfarrer a​n St. Theodor u​nd Professor für Altes Testament i​n Basel Johann Brandmüller (1533–1596) a​us Biberach w​ar Dachtlers Schwager.[12]

Varia

1596 geriet e​in nicht m​it Vornamen genannter Verwandter Dachtlers i​n Verdacht, i​n Tübingen b​ei dem Teufelspakt m​it „Awerhan i​n der Hellen“ d​es Studenten David Leipzig (Lipsius) a​us Erfurt, d​er dazu d​urch eine Lesung d​es Magisters Urban Busius[13] a​us dem Volksbuch v​om Doktor Faust angeregt worden war,[14] beteiligt gewesen z​u sein; e​r sei n​ach Aussage d​es Karzer-Wächters i​m Besitz e​ines Buchs gewesen, „darin v​il Magica u​nd segen“.[15]

Quellen

  • Summa contionum [Predigtnachschriften], geschrieben von Dietrich Schnepff, Jacob Andreä, Jakob Dachtler, Martin Crusius, 1563–1571; Handschriftensammlung der Universität Tübingen (Mc 101) (Digitalisat der Universitätsbibliothek Tübingen)
  • Predigten und Leichenreden von Jakob Dachtler. In: Martin Crusius: Mitschrift der Predigten des Jakob Andreae, Jakob Heerbrand, Dietrich Schnepf und anderer aus den Jahren 1573-1574 und von Leichenreden aus den Jahren 1570-1574; Handschriftensammlung der Universität Tübingen (Mb 19-6)
  • Sammelhandschrift; Niedersächsisches Landesarchiv Standort Wolfenbüttel (2 Alt 14898, Blätter 90–93)[5]
  • G. et p. Magnifico D. rector … Johannes Georgius Ritter adoliscenq[ue], 1579; Universitätsarchiv Tübingen (UAT 10 Funeralia, Nr. 12 Fasz. I)[16]
  • Decanus et Consilium Facultatis Philosophicae in Academia Tübingen: lectoribus S. … Quanta sit vetustas, quanta utilitas, linguae Hebreae … Dominus Magister Jacobus Dachtlerus … pie defuncti crastino … oratio de vita et morte eius … habebitur, 1598; Universitätsarchiv Tübingen (UAT 5 Ältere Vermischte Sachakten, Nr. 21 Intimationes)[17]

Werke

  • ᾿Ιακώβος Δαχθλήρος / Iacobus Dachtlerus: ῾Ομιλία S. Πάλιν πέρι τοῦ συμβόλου τῆς πίστεως / Concio VI. Iterum explicatum Symbolum Apostolicum,[18] ῾Ομιλία ΙΒ. Πάλιν πέρι τῆς κυριακῆς προσευχῆς / Concio XII. Iterum de oratione Dominica.[19] In: Martin Crusius (Hrsg. und teilweise Übersetzer), Leonhard Engelhart, Dietrich Schnepf, Jakob Dachtler, Jacob Andreae, Ägidius Hunnius, Jacob Heerbrand, Johannes Liebler: Πολίτευμα ὀυράνιον, ἤτοι κατηχητικαὶ ὁμιλίαι, Μαρτίνου τοῦ Κρουσίου ἐκδόντος / Civitas Coelestis, seu Catecheticae Conciones,[20] a Martino Crvsio editae (griechisch/latein.). Eivsdem Martini Crvsii, Ad Civitatem Coelestem appendix. Georg Gruppenbach, Tübingen 1578, S. 34–40 und S. 78–83 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
    • 2. erweiterte Auflage. Georg Gruppenbach, Tübingen 1588 (Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin)
  • [Exzerpt] Grabrede über 2. Tim 4 für Mag. Johann Mendlin, o. O. o. J. [1577]
    • (Auszugsweise wiedergegeben in:) Martin Crusius: Schwäbische Chronick, hrsg. von Johann Jacob Moser, Bd. II, Frankfurt am Main: Wohler 1738, S. 337 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München)
  • [Griechische Grabrede] Oratio in obitu Julianae Uxoris Sam. Hailandi, o. O. o. J. [1581][21]

Literatur

  • Christian Friedrich Essich: Geschichte der Reformation zu Biberach vom Jahr 1517 bis zum Jahr 1650. Jakob Ebner, Ulm 1817, S. 141 (Digitalisat bei Hathi Trust Digital Library), (Google-Books)
  • Siegfried Hermle: Reformation und Gegenreformation in der Herrschaft Wiesensteig unter besonderer Berücksichtigung des Beitrags von Jakob Andreae (Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte 14), Stuttgart: Calwer 1996

Einzelnachweise

  1. Vgl. Jakob Köbel: Antwurt auff das schmelich gedicht, Der Pfaltz zu wyder zu gericht, Dem Churfursten frey usserkorn, Ruprecht sein Son, beyd Hochgeborn, Wider warheyt als ich bericht, Darumb es billich wirt vernicht. Köbel, Oppenheim o. J. [1505].
  2. Vgl. Franz Hundsnurscher (Bearb.): Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 16. Jahrhundert, Bd. II Lachen - Zwiefaltendorf. (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Quellen). Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 689.
  3. Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Akten des Reichskammergerichts, Bestand 814, E 567): Prozess um Ansprüche auf Güter des Jakob Dachtler in Balingen und Tübingen, die dieser als Schadenersatz und Kriegsbeute verloren hatte. Als Kinder des Jakob Dachtler d. Ä. von Herrenberg werden dort 1526 genannt: Magister Jacobus Dachtler, Pfarrer zu Ostdorf, Katharina geb. Dachtler, Ehefrau des Eberhard Gerlach, sowie Jos Dachtler.
  4. Vgl. Ludwig Melchior Fischlin: Memoria theologorum Wirtenbergensium resuscitata. Georg Wilhelm Kühn, Ulm 1710, S. 89f (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  5. Vgl. Inge Mager: Die Konkordienformel im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel. Entstehungsbeitrag, Rezeption, Geltung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986 S. 172.
  6. Aus Bottwar; 1565 in Tübingen immatrikuliert („Bottwirensis“), 1570 Magister und Repetent für Hebräisch.
  7. Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Cod. hist. 4° 299, Blatt 211).
  8. Aus Hallein, ab 1594 Praezeptor in Augsburg, Verfasser von Epitaphia Augustana Vindelica, Bd. I-III. Andreas Aperger, Augsburg 1624–1626; Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Cod. Don. 898, Blatt 149).
  9. Vgl. Martin Crusius: Diarium, Bd. II 1598-1599, hrsg. von Wilhelm Göz und Ernst Conrad, Tübingen: H. Laupp 1931, S. 52 („pridie mortuus“) und S. 142.
  10. Vgl. Horst Schmidt-Grave, Leichenreden und Leidenpredigten Tubinger Professoren 1550-1750 Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1974 S. 45f.
  11. Vgl. Siegwalt Schiek / Wilfried Setzler: Das älteste Tübinger Ehebuch 1553–1614. Textedition und Register (Beiträge zur Tübinger Geschichte 11), Stuttgart 2000, S. 91.135
  12. Vgl. Johann Brandmüller: Conciones funebres centum ex vetere, et octoginta ex novo Testamento. Perna, Basel 1572 und weitere Auflagen; Amy Nelson Burnett: „To Oblige My Brethren“. The Reformed Funeral Sermons of Johann Brandmüller. In: Sixteenth Century Journal 36/l (2005), S. 37–54, bes. S. 44 (PDF; 1 MB der University of Nebraska, Lincoln).
  13. Sohn des Johannes Busius aus Basel, Basler Baccalaureus, bewarb sich im März 1596 um eine Stelle als Famulus bei Martin Crusius, 1597–1602 Schulmeister an der Schola Anatolica in Tübingen.
  14. Universitätsarchiv Tübingen (9/1 Nr. 22); Volker Schäfer: Tübinger Teufelspakte. In: „… helfen zu graben den Brunnen des Lebens.“ 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1477–1977. Universitätsbibliothek, Tübingen 1977, S. 72–77, bes. S. 77
  15. Günther Mahal: Fünf Faust-Splitter aus drei Jahrhunderten (1981). In: Faust. Untersuchungen zu einem zeitlosen Thema. Ars Una, Neuried 1998, S. 210–227, bes. S. 213.
  16. Einladung von Jakob Dachtler zur Trauerrede für den Studenten Johann Georg Ritter († 1579).
  17. Ladung zur Oratio funebris auf Jakob Dachtler.
  18. = 6. Predigt. Noch einmal: Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses.
  19. = 12. Predigt. Noch einmal: Über das Gebet des Herrn.
  20. = Himmlische Bürgerschaft, oder: Katechetische Predigten, hrsg. von Martin Crusius.
  21. Erwähnt bei Martin Crusius: Germanograeciae libri sex, Basel: Sebastian Henricpetri / Leonhard Ostein 1585, S. 327.
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