Ioan Rațiu
Ioan Rațiu (* 19. August 1828 in Turda; † 4. Dezember 1902 in Hermannstadt) war ein siebenbürgischer Rechtsanwalt und Politiker. Er war Mitbegründer der Rumänischen Nationalpartei in Siebenbürgen und einer der Protagonisten der Memorandumsbewegung der Rumänen gegen die ungarische Politik der Magyarisierung.
Leben
Rațiu stammte aus einer alten rumänischen Adelsfamilie. Als junger Mann nahm er im Zuge der Revolution von 1848 als Mitstreiter Avram Iancus an den Kämpfen gegen die ungarische Armee im Apusenigebire teil. Später studierte er Rechtswissenschaft in Wien und promovierte 1857 in Budapest. Als Anwalt verteidigte er oftmals Kleinbauern gegen Großgrundbesitzer. In den 1860er Jahren begann sein politisches Engagement, er setzte sich in Wien für die Interessen seines Volkes in der Habsburgermonarchie ein. 1863 und 1864 war er Abgeordneter des Siebenbürgischen Landtages, wo er sich vor allem für bäuerliche Interessen stark machte. Nach dem Ausgleich von 1867, der für Siebenbürgen das Ende der politischen Autonomie und für die dort lebenden Rumänen einen großen Einflussverlust bedeutete, war Rațiu ein Verfechter der politischen Strategie der Passivität. Durch die Verweigerung der Teilnahme am politischen Prozess im Königreich Ungarn sollte so eine Protesthaltung deutlich gemacht werden. Zu Beginn der 1880er Jahre wurde er zu einem der Mitbegründer der Rumänischen Nationalpartei Siebenbürgens, deren Vorsitzender er ab 1888 sein sollte. Zudem spielte er eine entscheidende Rolle bei der Gründung des einflussreichen rumänischen Presseorgans Tribuna.[1] Als Parteichef verantwortete er 1892 eine Bittschrift an Kaiser Franz-Joseph, in welcher die Unterzeichner um den Beistand des Monarchen gegen die als ungerecht empfundene Verwaltungs-, Schul- und Wahlgesetzgebung in Siebenbürgen baten. Im Rahmen der Politik der Magyarisierung wurde den Rumänen, welche die Mehrheitsbevölkerung in Siebenbürgen darstellten, die öffentliche Nutzung ihrer Muttersprache sowie die Wahl eigener Abgeordneter erschwert. Dieses als "Memorandum" in die Geschichte eingegangene Schreiben hatte eine Anklage der Führer der Nationalpartei zur Folge. Kurz nach der Übergabe des Memorandums am Wiener Hof wurde Rațius Privathaus von ungarischen Nationalisten angegriffen,[2] was auch im Königreich Rumänien Empörung auslöste. 1894 wurden Rațiu und einige weitere Politiker und Aktivisten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Während des Prozesses in Klausenburg sprach er den Satz "Die Existenz eines Volkes ist nicht zu diskutieren, sondern zu bestätigen" aus.[3] Der Ausspruch ziert heute das den Aktivisten gewidmete Denkmal in Klausenburg.
Weblinks
Einzelnachweise
- Keith Hitchins: IOAN RAŢIU AND THE MEMORANDUM TRIAL: NEW SOURCES. In: Apulum. Band 19, Nr. -, 1981, ISSN 1013-428X, S. 335–347 (ceeol.com [abgerufen am 1. März 2021]).
- Ioan Raţiu - Enciclopedia României - prima enciclopedie online despre România. Abgerufen am 1. März 2021.
- Pop, Ioan-Aurel/ Bolovan, Ioan: Geschichte Siebenbürgens. Hrsg.: Traian Pop. Pop Verlag, Ludwigsburg 2020, S. 398–406.