Innenpsychologie
Innenpsychologie stellt innerhalb der Gruppe topologischer seelischer Begriffe einen besonderen Gesichtspunkt dar, der seit den Anfängen der Psychologie als wesentlich galt. Zu diesen Bezeichnungen zählen u. a. auch die Tiefenpsychologie, die Introversion, oder die Topik. Die räumlichen Angaben sind teilweise metaphorischer Art.
Geschichte der Psychologie
Die Innensicht auf die Seele rührt aus den Anfängen der Psychologie und der Sichtweise der Vermögenspsychologie. Die Annahme von Grundpotenzen verleitete dazu, diese unsichtbaren und nur „potenziell“ wirksamen Fähigkeiten in das nicht wahrnehmbare Innere eines Organismus zu verlegen, siehe auch den Begriff des Leistungspotenzials. Die Leistungspsychologie geht jedoch von den entgegengesetzten Annahmen aus (Außenpsychologie). Sie ist bestrebt, eine objektive Psychologie zu erkennen und empirische Tatbestände zu messen. Fasst man aber die innenpsychologische Seite des psychischen Lebens ins Auge, so ist Gegenstand der Betrachtung und Untersuchung das Erleben, also die subjektive Seite der seelischen Abläufe.[1](a)
Philosophische Anthropologie
In der philosophischen Anthropologie wird die subjektive Seite der Eigenwelt traditionell als Innenwelt beschrieben, so jedenfalls noch von Heidegger.[2] Sartre betrachtet den Dualismus von Innen- und Außenwelt in der klassischen Form jedoch als unbegründet, insbesondere die Unterscheidung von „falschem Schein“ (außen, körperlich) und „wahrem Sein“ (innen, seelisch-geistig) – neben der Abgrenzung von Noumenon und Phänomenon sowie Akt und Potenz. Den Wert der Erscheinung erklärt Sartre dabei als vorrangig. Der von Edmund Husserl eingeführte Begriff der Abschattung ergibt jedoch für ihn eine neue Form von Dualismus, nämlich den der endlichen und unendlichen Reihe.[3]
Psychotherapie
Wer einen innenpsychoplogischen Standpunkt vertritt, der nähert sich damit psychodynamischem Denken. Bei diesem kann es sich etwa um das Zusammenwirken mehrerer hypothetischer Persönlichkeitsschichten handeln. Solches Verständnis ist als Akt verstehender Psychologie einzuschätzen und entspringt daher nicht zwingend naturwissenschaftlichem Denken. Es ist somit auch logisch zu folgern, dass der innenpsychologische Standpunkt eher mit psychotherapeutischen Vorstellungen als mit medizinischer Nosologie zusammenhängt. Mit der ausschließlich innenpsychologischen Seite der Betrachtung wird die Unfähigkeit ausgeblendet, nämlich das Nicht-Können, das psychische Krankheit charakterisiert – ebenso wie die gesamte seit der Antike auf einem eher körperlichen Krankheitsverständnis (Somatismus) beruhende Nosologie.[1](b) Innenpsychologisch bedeutsam ist die schizothyme Persönlichkeit, die das Charaktermerkmal der Introversion aufweist.[4]
Einzelnachweise
- Degkwitz, Rudolf et al. (Hrsg.): Psychisch krank. Einführung in die Psychiatrie für das klinische Studium. Urban & Schwarzenberg, München 1982, ISBN 3-541-09911-9; Spalte nachfolgend mit ~ angegeben:
(a) S. 16–17~2 zu Stw. „Innenpsychologie und Geschichte der Psychologie“;
(b) S. 191 zu Stw. „Innenpsychologie und Krankheitslehre“. - Martin Heidegger: Sein und Zeit. [1926] – 15. Auflage, Max Niemeyer-Verlag, Tübingen 1979, ISBN 3-484-70122-6; §§ 15–18, 43; S. 66 ff., 102 zu Stw. „Innerweltlichkeit“.
- Jean-Paul Sartre: L’Être et le Néant. Essai d’ontologie phénonménologique. [1943] tel Gallimard, 2007, ISBN 978-2-07-029388-9; S. 11–14 zu Stw. „phänomenologischer Dualismus“.
- Jean Delay & Pierre Pichot: Medizinische Psychologie. Franz. Originaltitel: „Abrégé de Psychologie“. 3. Auflage, © 1967 Masson & Cie. Éditeurs, Paris, Übersetzt und bearbeitet von Wolfgang Böcher, 4. Auflage, Georg Thieme-Verlag, Stuttgart 1973, ISBN 3-13-324404-3, S. 129 zu Stw. „schizothyme Grundstimmung in Korrelation mit Introversion“.