Initiative Neue Qualität der Arbeit
Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ist im Jahr 2002 als gemeinsame Initiative von Bund, Ländern, Sozialversicherungsträgern, Gewerkschaften, Stiftungen und Arbeitgebern gestartet und wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert.
Geschichte
Im Kontext der Vorbereitungen der Agenda 2010 bestanden auf Seiten der deutschen Gewerkschaften und der SPD Bedenken, dass Konzepte zur Humanisierung der Arbeitswelt vollständig einem Shareholder-Value-Denken weichen würden, bei dem Arbeitnehmer auf ihre ökonomische Funktion als Kostenfaktor der Betriebe und als Träger von Humankapital reduziert würden. In diesem Kontext sowie im Kontext der sich abzeichnenden demografischen Alterung Deutschlands schlug der damalige Arbeitsminister Walter Riester vor, die Kategorie der guten Arbeit ins Zentrum politischer Überlegungen zu stellen. Von ihm wurde ein breiter Präventionsansatz in Form der Initiative Neue Qualität der Arbeit vorgeschlagen und durchgesetzt.[1]
In der Anfangsphase der Initiative gab es einen starken Akzent auf den Bereichen Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz.[2]
Im März 2006 wurde auf Betreiben des BMAS und der INQA das gemeinnützige Netzwerk Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn) gegründet, das den demographischen Wandel zum Thema hat.[3]
Dem Einwand, wonach im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise „unter dem alten Slogan »Hauptsache Arbeit« die Absenkung der Qualität der Arbeitsbedingungen zum Programm der Krisenabwälzung auf Kosten der Beschäftigten“ werde, begegnete 2009 Klaus Pickshaus, damals Leiter des Bereichs Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung beim Vorstand der IG Metall, mit dem Argument, dass es gerade in Krisenzeiten wichtig sei, sich für „gute Arbeit“ einzusetzen.[4] „[A]uch unter Krisendruck“ dürfe „das Thema der Qualität der Arbeits- und Leistungsbedingungen nicht verdrängt“ werden.
2016 bekräftigte die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, dass die INQA in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft stehe und bei allen Überlegungen der Mensch mit seinen konkreten Bedürfnissen im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen müsse.[5] Im November 2016 bekannten sich die in der INQA Kooperierenden zu den „Eckpfeiler[n] […] Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und Tarifautonomie.“[6]
Seit 2016 gibt die Initiative die Zeitschrift In Arbeit im Rahmen eines gleichnamigen Angebots zur Zusammenarbeit mit Geflüchteten heraus.[7]
Seit 14. Mai 2020 hat die Initiative eine neue Internetpräsenz und ein neues Logo sowie eine neue Absendermarke (siehe Bilder rechts).
Ziele
Das Ziel der INQA ist es, mehr Arbeitsqualität als Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft am Standort Deutschland zu schaffen. Dazu bietet die Initiative nach eigenen Angaben Beispiele aus der betrieblichen Praxis, Austauschmöglichkeiten, Beratungs- und Informationsangebote sowie Förderprogramme. Konkret geht es darum, das Engagement (die Motivation), die Kompetenz und die Gesundheit der Beschäftigten der Betriebe zu erhalten und zu fördern.[8]
Die Initiative will
- eine gesellschaftliche Debatte anregen,
- Wissenstransfer zu relevanten Themen organisieren,
- innovative Projekte unterstützen und
- Beispiele für gute praktische Lösungen verbreiten.
Personalpolitische Handlungsfelder sind Themenschwerpunkte wie Führung, Vielfalt, Gesundheit, sowie Kompetenz.
Die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen stellte 2012 fest, dass „[i]nsbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels und einer alternden Bevölkerung“ Arbeitgeber gefordert seien, „Fachkräfte an ihr Unternehmen zu binden und ein attraktives und gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen“.[9]
Im Bereich "Schwerpunkt Covid-19" finden sowohl Unternehmen als auch Beschäftigte aktuelle Informationen, Interviews und Praxisbeispiele zum Umgang mit der Pandemie im Arbeitsumfeld.
Struktur
Das zentrale Entscheidungsgremium der INQA stellt ihr Steuerkreis dar; er ist paritätisch mit Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften besetzt. Auch die Bundesagentur für Arbeit, die Arbeits- und Sozialministerkonferenz und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das die Initiative finanziell fördert, sind in ihm vertreten. Vier Themenbotschafter bringen fachliche Expertise und den Blick aus der Praxis in das Gremium ein. Die Themenbotschafter repräsentieren jeweils eines der strategischen Themenfelder der Initiative.[10]
Kritik
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die 2002 in der Regierungsverantwortung zu den Befürwortern der Gründung der INQA gehört hatte, kritisierte 2011 aus der Opposition heraus die damalige Praxis der INQA. Der Bundesregierung lägen keine umfassenden Kenntnisse über die Anzahl der alterns- und altersgerecht ausgestalteten Arbeitsplätze vor. Sie scheine, so die Grünen, die Realitäten in den Unternehmen nicht zu kennen. Auf die Frage, welche psychischen und physischen Belastungen im Erwerbsleben problematisch seien und eine längere Lebensarbeitszeit unmöglich machten, antwortete die Bundesregierung, dass Belastungen nicht per se als negativ zu bewerten seien und dass Belastungen auch „aktivierende und entwicklungsförderliche und damit positive Effekte bewirken“ könnten. Die INQA könne aber nur dann erfolgreich sein, wenn das Vorgehen der Akteure im Bereich Arbeitsschutz koordiniert und die Aktivitäten gebündelt würden. Es gebe „in Deutschland einen undurchschaubaren Dschungel an Projekten, Initiativen, Kampagnen und Kontaktpersonen“, wenn es um die Unterstützung bei der Ausgestaltung alterns- und altersgerechter Arbeitsbedingungen gehe. Viele Arbeitgeber seien damit überfordert.[11]
Ebenfalls im Kontext der Politik der von der CDU/CSU-FDP geführten Bundesregierung ironisierte das Internetportal Heise 2012 das Wunschergebnis der Tätigkeit der INQA mit den Worten: „Wer eine halbwegs akzeptable Qualifikation mitbringt und das Glück hat, bis 67 arbeiten zu dürfen, wird sich die Jobs über kurz oder lang aussuchen dürfen, sein Gehalt mehr oder weniger selbst bestimmen, und während eines erfüllten Berufslebens in eine neue Dimension der Zufriedenheit vorstoßen“.[12] Tatsächlich werde das INQA-Motto: „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ insbesondere auf Beschäftigte unter 35 Jahren in der Praxis kaum angewandt.
Siehe auch
- PsyGA (psychische Gesundheit in der Arbeitswelt), Projekt innerhalb der Initiative Neue Qualität der Arbeit
Weblinks
Einzelnachweise
- Jürgen Peters: Gute Arbeit als Zukunftsaufgabe. In: Mitbestimmung, Nr. 7/2003, S. 18 f., abgerufen am 26. Januar 2017.
- Jörn Müller: Reformen für die Arbeitswelt: INQA. In: Die Zeit. 15. August 2002, abgerufen am 26. Januar 2017.
- Über ddn. (Memento des Originals vom 24. Januar 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn), abgerufen am 24. Januar 2017.
- Klaus Pickshaus: Gute Arbeit – Schönwetterthema oder Element offensiver Krisenbewältigung?, Sozialismus 4/2009, S. 41–46
- INQA: Initiative Neue Qualität der Arbeit für zukunftsfähige Unternehmenskultur: BMAS-Studie "Wertewelten Arbeiten 4.0". 17. März 2016, abgerufen am 28. Januar 2017.
- INQA: Gemeinsam die Arbeitsbedingungen in der Digitalisierung gestalten - Neues Leitbild der Initiative Neue Qualität der Arbeit beschlossen. 8. November 2016, abgerufen am 28. Januar 2017.
- In Arbeit. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 24. November 2016, abgerufen am 24. Januar 2017.
- INQA: Zukunft sichern, Arbeit gestalten. Eine Initiative für Arbeitgeber und Beschäftigte. Basisflyer, abgerufen am 26. Januar 2017.
- INQA: Pressemitteilung: Initiative Neue Qualität der Arbeit präsentiert Online-Check für Arbeitgeber (Memento des Originals vom 26. Januar 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . 5. Juni 2012, abgerufen am 26. Januar 2017.
- INQA: Struktur der Initiative. Abgerufen am 26. Januar 2017.
- Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Ältere Beschäftigte nicht im Stich lassen. 31. März 2011, abgerufen am 27. Januar 2017.
- Thorsten Stegemann: Prekäre Arbeitsverhältnisse, niedrige Löhne, steigender Druck. Telepolis. 29. Mai 2012, abgerufen am 26. Januar 2017.