Ingrid Strobl
Ingrid Strobl (* 1952 in Innsbruck) ist eine österreichische Journalistin und Buchautorin. Wegen der Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag der Terrororganisation Revolutionäre Zellen wurde sie 1990 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Leben
Ingrid Strobl studierte Germanistik und Kunstgeschichte an den Universitäten Innsbruck und Wien. Sie wurde über Rhetorik im Dritten Reich promoviert. Während des Studiums engagierte sie sich in der Neuen Frauenbewegung.
Sie war zunächst freiberuflich beim ORF in Wien tätig, zog 1979 nach Köln und arbeitete von 1979 bis 1986 als Redakteurin der Zeitschrift Emma. 1986 machte sie sich als freie Autorin selbstständig, blieb aber der Emma eng verbunden.
Sprengstoffanschlag und Verurteilung
1987 wurde Strobl von einem Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) in einem Fernsehbericht über die Emma-Redaktion als eine Frau auf einem Überwachungsvideo erkannt. Das Video stammte aus einer Fahndungsmaßnahme gegen die terroristische Organisation Revolutionäre Zellen. Strobl wurde dabei gefilmt, als sie einen vom BKA präparierten Wecker kaufte. Dessen markierte Teile wurden in den Überresten einer Bombe gefunden, die 1986 am Verwaltungsgebäude der Lufthansa in Köln explodiert war.[1]
Strobl wurde in Untersuchungshaft genommen und wurde 1989 wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag zu fünf Jahren Haft verurteilt. In der Revisionsverhandlung[2] vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde sie wegen Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag zu drei Jahren Haft verurteilt. In Anrechnung der Untersuchungshaft wurde die noch nicht verbüßte Reststrafe von sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt.
2020 bekannte Strobl in ihrem Buch Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich, sie habe gewusst, dass der Wecker für einen Sprengstoffanschlag gedacht war.[3]
Werk
In den 1980er und 1990er Jahren erforschte Ingrid Strobl die Beteiligung jüdischer Frauen am Widerstand gegen den Holocaust und die deutsche Besatzung. Sie veröffentlichte dazu zwei Sachbücher[4] und drehte mehrere Dokumentarfilme, darunter „Mir zeynen do“. Der Ghettoaufstand und die Partisaninnen von Bialystok, der in hebräischer Übersetzung auch in den Archiven Yad Vashem und Beit Lochamej haGeta’ot vorliegt. 1993 erschien ihre Übersetzung der Erinnerungen von Chaika Grossman über den jüdischen Widerstand in Bialystok. 1995 kuratierte Strobl zusammen mit Arno Lustiger die Ausstellung Im Kampf gegen Besatzung und „Endlösung“. Widerstand der Juden in Europa 1939–1945 für das Jüdische Museum Frankfurt.
Strobl schreibt Sachbücher und Romane, Kurzgeschichten, Hörfunkfeatures, dreht Dokumentarfilme und unterrichtet als Lehrbeauftragte an Universitäten. Die Schwerpunkte ihrer publizistischen Arbeit sind frauenspezifische Themen (Jüdische Frauen im Widerstand, Töchter und der Tod der Mutter, Junkiefrauen auf dem Strich) sowie Drogen, Rockkultur, Soziales und Gegenseitiger Respekt. Seit 2009 unterrichtet sie auch Kreatives Schreiben.
Publikationen
- „Daß du deine eigene Zähigkeit entdeckst.“ Brief aus dem Knast. In: Schwarzer Faden, Nr. 30 (1/89), S. 8
- Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung. Fischer, 1989, ISBN 978-3-596-24752-3.
- Frausein allein ist kein Programm. Freiburg 1989, ISBN 3-926023-20-1.
- Anna und das Anderle. Eine Recherche. Fischer, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-22382-2. (Rezension (Memento vom 13. September 2003 im Internet Archive)).
- Strange Fruit. Bevölkerungspolitik: Ideologien Ziele Methoden Widerstand. Berlin 1991, ISBN 3-89408-016-7.
- Das Feld des Vergessens. Jüdischer Widerstand und deutsche „Vergangenheitsbewältigung“. Berlin u. a. 1994, ISBN 3-89408-036-1.
- Die Angst kam erst danach. Jüdische Frauen im Widerstand 1939 - 1945. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-13677-6.
- „Ich hätte sie gerne noch vieles gefragt“. Töchter und der Tod der Mutter. Fischer, Frankfurt 2004, ISBN 3-596-15431-6.
- Ende der Nacht. Orlanda Frauenverlag, Oktober 2005, ISBN 3-936937-33-8.
- Rückfall, Theaterstück, Fischer Theater Verlag. 2005
- Es macht die Seele kaputt. Junkiefrauen auf dem Strich. Orlanda Frauenverlag 2006, ISBN 3-936937-35-4.[5]
- Tödliches Karma. Emons Verlag, Köln 2008, ISBN 978-3-89705-551-3. (Köln-Krimi)
- Endstation Nippes. Emons Verlag, Köln 2010, ISBN 978-3-89705-773-9. (Köln-Krimi)
- Respekt: Anders miteinander umgehen! Pattloch. München 2010, ISBN 3-629-02240-5.(Textprobe)
- Aufbruch aus trägen Zeiten. In: Käthe Kratz, Lisbeth N. Trallori (Hg.): Liebe, Macht und Abenteuer. Zur Geschichte der Neuen Frauenbewegung in Wien. Promedia, Wien 2013, S. 18–29. ISBN 978-3-85371-365-5.
- Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich. Edition Nautilus, Hamburg 2020, ISBN 978-3-96054-228-5.[6]
Feature
- 2013: Old Man Prison Blues – Regie: Thom Kubli (WDR)
Weblinks
Einzelnachweise
- Bertolt Hunger, Ansgar Siemens: Knockout für die Feierabendterroristen. Spiegel online – eines Tages, 18. Dezember 2019
- Erst mal wegschließen. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1990 (online).
- Interview von Doris Akrap: Ich wusste, wofür der Wecker war. taz, 29. März 2020
- Sag nie du gehst den letzten Weg. Frauen im Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung. Frankfurt am Main 1989. / Die Angst kam erst danach. Jüdische Frauen im Widerstand in Europa 1939–1945. Frankfurt am Main 1998'
- Autoren: Ingrid Strobl. Fischerverlage online, Theater und Medien. Frankfurt a. M. 2016
- Rezension