Indo-ägyptische Baumwollindustrie
Die Indo-ägyptische Baumwollindustrie geht zurück bis in das 10. Jahrhundert. Die Seefahrt im Indischen Ozean stellte ökonomische Verbindungen und soziale Netzwerke her, die vom westlichen Al-Fustāt (arabisch الفسطاط, DMG al-Fusṭāṭ ‚das Zelt‘; heute Alt-Kairo) über China bis nach Java im Osten reichten. Der Warenverkehr weitete sich jedoch noch weiter aus, denn indische und ägyptische Güter wurden entlang des Roten Meeres bis nach Ostafrika transportiert und gelöscht.[1][2]
Geschichte
Aus historischen Quellen[3] ist bekannt, dass der indo-ägyptische Handel insbesondere auf den Umschlag von Textilien abzielte. Diese Geschäfte hatten vornehmlich Bedeutung für den islamischen, den indischen und den südostasiatischen Markt.[4][5] Der Textilhandel war unter Handelstreibenden unterschiedlichster religiöser Weltanschauung und ethnischer Herkunft aufgeteilt. Besondere Bedeutung erlangten jedoch Kaufleute aus dem indischen Gujarat (Gandhinagar), denn diese verfügten über die stabilsten Netzwerke.[6] Die Bevölkerung Gaujaratis setzte sich dabei aus verschiedenen Herkunftsländern zusammen. Einerseits gab es Hindus, andererseits Jainas. Beide Gruppen gaben im Handel den Ton an. Dahinein mischten sich zoroastrische Parsen und viele Muslime. Letztere waren ebenfalls unterschiedlicher Herkunft. Lange vor der Islamisierung der Gujaratis, trieben Muslime bereits regen Handel in der Region. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch bestand in Malakka eine Kolonie von 1000 Gujarat-Muslimen.
Ab dem 16. Jahrhundert beteiligten sich die Europäer am Handelgeschehen im Indischen Ozean. Zu diesem Zeitpunkt existierte bereits ein hochentwickeltes Wirtschaftsimperium. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts beherrschten die Portugiesen die Straße von Hormus. Die Bevölkerung der Region bestand zu 27 % aus Hindus, zu 10 % aus Portugiesen und zu 40 % aus Muslimen. Indische Textilien stellten gleichsam eine „Währung“ für das gesamte Handelsgebiet dar. Ausschlaggebend dafür waren neue Herstellungsmöglichkeiten für waschechte Farbstoffe; genauso aber Entwicklungen für den innovativen Einsatz von Mustern und Farben für die Endprodukte. Verfeinerungen führten zu einer Ästhetisierung der Farben und technische Neuerungen brachten Erfolge für die luxuriöse Verarbeitung von Seidenstoffe und Baumwolltextilien.
Bereits die Antike kannte berühmte indische Baumwollstoffe. Diese beherrschten den Weltmarkt bis zum Einsetzen der Industriellen Revolution in Europa. Archäologische Funde aus der Indus-Kultur belegen, dass Kenntnisse um Beiztechniken auf das 2. Jahrtausend v. Chr. zurückgehen. Auch die Höhlenmalereien von Ajanta aus dem 5./6. Jahrhundert vermitteln ein frühes Bild von Mustern auf Kleidungsstücken im nordwestlichen Indien.
Indische Textilien in Ägypten
Seit dem 17. Jahrhundert lassen sich indische Textilien nachweisen. Kleidungsstücke der Mogulen oder Chintze-Ausstattungen wurden nach Europa exportiert.[7] Heute werden sie in diversen überseeischen und indischen Sammlungen, soweit erhalten, bewahrt. Die bekanntesten Exemplare stammen aus Gujarat. Sie wurden nach Ägypten gehandelt. Die Kunstmärkte Kairos präsentierten sie Anfang des 20. Jahrhunderts als Fusṭāṭ-Fragmente, denn sie waren regelmäßig nur in Teilen erhalten und ihre Herkunft mit dem alten Kairo verknüpft. Die umfangreichste Sammlung beherbergt das Ashmolean Museum in Oxford, England. Eine Besonderheit dieser alten Textilfragmente liegt darin, dass ihr Verschleiß auf alltäglichen Gebrauch zurückzuführen ist; es handelte sich nicht um Luxusware. Die Einfärbungen lassen sich gruppieren: So gab es „indigo-blaue Grundfarben (indigofera tictoria)“. Daneben gab es diverse mittels Noni beziehungsweise Färberkrapp (Morinda citrifolia und Rubia tinctorum) behandelte „Rotschattierungen auf weißem Grund“ und letztlich eine Kombination beider Farbgruppen. Trotz indischer Wurzeln lässt sich die Herstellung der Baumwollwaren in Indien insoweit nicht zweifelsfrei herleiten.
Chronologie der Fusṭāṭ-Textilien
Die Fusṭāṭ-Textilien wurden in der Hauptsache im Stempeldruckverfahren hergestellt. Ähnlich wie beim Batikverfahren wurden mittels Wachsbedeckungen oder Paste farbenfreie Flächen geschaffen (bandhani). Die Fusṭāṭ-Fragmente lassen sich zeitlich jedoch schwer eruieren. Frühere Forschungen verließen sich auf Datierungsmethoden, die Stoffmuster mit zeitgleich auftretenden architektonischen Dekors einfach parallelisierten. Derlei Erkenntnisse, die nicht in spezifisch ikonografischem – und damit motivisch deutbarem – Zusammenhang zu Datierungen standen, wurden später zunehmend abgelehnt. Wissenschaftliche Erkenntnisse offenbarten, dass Motive innerhalb eines Mediums zwar dauerhaft wiederkehrend sein können, in einem anderen Medium jedoch längst abgelöst sind. Fusṭāṭ als archäologische Quelle ist daher problematisch.
Auf der Suche nach zuverlässigeren Datierungen begannen im Jahr 1978 Grabungen in al-Qusair (arabisch القصير, DMG al-Quṣair ‚kleine Burg‘). Gesucht wurde in einem alten Hafen am Roten Meer. Dieser Hafen wurde in römischer Zeit und im 12. und 13. Jahrhundert intensiv genutzt und wurde für Handelsbeziehungen zwischen den Mamluken und Jemeniten bedeutsam. 69 Baumwollfragmente fanden sich unter den Funden. Alle waren offensichtlich indischer Herkunft, denn sie sind zumeist mit Stempeln im Reserveverfahren gefärbt worden (patola).
Im Jahr 1980 erfolgten weitere Grabungen, diesmal im sogenannten Fusṭāṭ-C-Gebiet. Die dabei gefundenen Textilien konnten kaum indischen Ursprungs sein, sondern mussten aus dem Nahen Osten und/oder Mittelmeerraum stammen, möglicherweise aus Ägypten selbst. Für diese Feststellung gaben technische Details Aufschluss. Ägyptische Baumwolle wurde nicht in der ausschließlichen „Z-Drehung“ (Spinnweise), wie in Indien üblich, sondern auch in „S-Drehung“ gefertigt. Weiterhin fand man Flachsfasern vor, die in Indien nicht verwendet wurden, was Aufschluss darüber gibt, dass indische Baumwollballen in Ägypten verarbeitet wurden, denn Flachsfasern fanden sich in Säumen und Nähten der Fragmente wieder.
Einzelnachweise
- The Spinning World: A Global History of Cotton Textiles, 1200-1850, S. 17 ff.
- On the early consumption of Indian cttans in Egypt, see Ruth Barnes, Indian Blocks - Printed Textiles in Egypt: The Newberry Egypt in teh Ashmolean Museum (Oxford)
- Die Gärten des Islam, S. 201 (s. Lit.)
- Marco Polo berichtete etwa 1294 über den Verkehr von Gujarat nach Ägypten: „Aden ist der Hafen, den alle Schiffe aus Indien mit ihrer Handelsware anlaufen... In dem Hafen verladen sie ihre Waren auf andere kleine Schiffe, die sieben Tage einen Fluß entlang segeln [gemeint ist das Rote Meer]. Dann entladen sie die Waren und packen sie auf Kamele und transportieren sie so für etwa 30 Tage; danach erreichen sie den Fluß von Alexandria. Auf diesem Fluß [gemeint ist der Nil] werden sie leicht bis nach Alexandria gebracht“
- Um 1515 beobachtete Tomé Pires im Hafen von Malakka, dass große Mengen Textilien aus Indien herbeigeschifft wurden: „Jedes Jahr kommen die Schiffe aus Gujarat an Indiens Westküste, beladen im Wert von fünfzehn, zwanzig und dreißig Tausend [cruzados], und von Cambay lief ein Schiff im Hafen ein, das einen Wert von siebzig bis achtzig Tausend cruzados hatte, voll mit dreißig verschiedenen Sorten von Tüchern“
- Tomé Pires schrieb: „Diese Leute sind [wie] Italiener in ihrem Wissen über den Warenhandel... Zweifellos haben [sie] die besten Verbindungen ... Überall haben sich Gujaratis niedergelassen“
- Richard W. Bulliet, Pamela Kyle Crossley, Daniel R. Headrick, Lyman L. The Earth and Its People (S. 418 ff.)
Literatur
- Hermann Forkl, Johannes Kalter, Thomas Leisten, Margareta Pavaloi (Hrsg.): Die Gärten des Islam. edition hansjörg mayer, Stuttgart, London in Zusammenarbeit mit dem Lindenmuseum Stuttgart, 1993
- K. D. Vasava: Distribution pattern of cotton textiles in Gujarat. Sardar Patel University, 1980 - 295 Seiten