Hoodia gordonii
Hoodia gordonii ist eine sukkulente Pflanze aus der Unterfamilie der Seidenpflanzengewächse (Asclepiadoideae). Die Art war international durch eine Werbekampagne bekannt geworden, die der Pflanze eine appetithemmende Wirkung nachgesagte. In wissenschaftlichen Studien konnte der Effekt nicht gezeigt werden[1] und Verbraucherorganisationen raten dringend von der Einnahme ab.[2]
Hoodia gordonii | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Hoodia gordonii | ||||||||||||
(Masson) Sweet ex Decne. |
Beschreibung
Hoodia gordonii ist eine mehrjährige, dornige und blattlose Sukkulente, aber kein Kaktus. Unter idealen Bedingungen können alte Exemplare – bis zu 15 Jahre in der Wildnis – einen Meter groß werden, in der Regel sind sie aber deutlich kleiner. Zu Beginn wird nur ein Stamm gebildet, in der Folge können aber bis zu 50 Äste, die sich am Boden verzweigen, gebildet werden. Die zylindrischen Äste haben einen Durchmesser von bis zu 5 cm.
Im August und September werden terminal, oder nahezu terminal, sehr kurz gestielte Blütenstände gebildet, die aus 1–4 Blüten bestehen. Die fünflappigen Blüten, mit einem Durchmesser von 75 mm, erinnern an Petunien. Die Blüten riechen nach verwesendem Fleisch und werden hauptsächlich von Fliegen bestäubt. Die ersten Blüten werden nach ungefähr 5 Jahren gebildet.
Die bis zu 250 mm langen Kapselfrüchte werden im Oktober und November gebildet und die Samen werden durch den Wind verbreitet.[3][4]
Verbreitung
Hoodia gordonii wächst zerstreut und fragmentiert in den Halbwüsten im südlichen Afrika; vor allem in Südafrika (Nordkap und Westkap) und in Namibia (Kalahari-Wüste), einzelne Vorkommen gibt es auch in Angola und Botswana. Die Pflanze toleriert Temperaturen zwischen −3 °C und 40 °C und wächst sowohl auf sandigem als auch auf steinigem Untergrund.[5]
Artenschutz
Hoodia gordonii steht in Südafrika unter gesetzlichem Naturschutz; die ganze Gattung Hoodia wurde 2004 auch international unter Artenschutz gestellt (13. Vertragsstaatenkonferenz zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen). Damit dürfen sowohl ganze Pflanzen als auch Teile und Erzeugnisse daraus (z. B. pharmazeutischen Produkte / Nahrungsergänzungsmittel) nur gehandelt werden, wenn eine naturverträgliche Herkunft nachgewiesen wird. Verstöße gegen die bestehende Aus- bzw. Einfuhrgenehmigungspflicht können Bußgeld- und sogar Strafverfahren nach sich ziehen. Selbst im innereuropäischen Handel muss sowohl der Verkäufer als auch der Käufer belegen können, dass das Produkt oder die verarbeitete Pflanze mit den genannten Genehmigungen in die EU gelangt ist. Dies gilt auch bei Einkäufen über das Internet, insbesondere wenn die Sendung aus einem Nicht-EU-Staat kommt. Produkte, die Hoodia gordonii enthalten, gehören in Österreich zu den Artenschutzobjekten die am häufigsten vom Zoll beschlagnahmt werden.[6]
Medizinische Nutzung
Traditionelle Nutzung
Die Khoisan im südlichen Afrika nennen die Pflanze „Kowa“. Sie nutzten Hoodia gordonii wegen ihrer hungerstillenden Wirkung. In Notzeiten und während langer Jagdausflüge, auf denen die Jäger das erlegte Wild nicht selbst verzehrten, sondern traditionsgemäß in ihr Dorf zurückbrachten, sollen die Khoisan Hunger und Durst tagelang mit den leicht bitteren Spross-Stücken der Hoodia gestillt haben.
Erforschung und Patentierung
1977 wurde von Wissenschaftlern des Südafrikanischen Forschungsbeirates für Wissenschaft und Industrie (CSIR) ein Wirkstoff von Hoodia gordonii extrahiert der heute als P57 bekannt ist. Dieser Wirkstoff ist ein Steroidglykosid, 3-O-[β-D-thevetopyranosyl-(1→4)-β-D-cymaropyranosyl-(1→4)-β-D-cymaropyranosyl]-12β-O-tigloyloxy-14-hydroxy-14β-pregn-5-en-20-on.[7] Der Wirkstoff wurde 1996 patentiert. Im darauffolgenden Jahr erwarb die englische Pharmafirma Phytopharm die Lizenz.[8] Phytopharm kooperierte mit Pfizer, um den Extrakt weiter zu analysieren und zu synthetisieren. 2002 zog sich Pfizer zurück, da die Synthetisierung zu aufwendig war und Komponenten des Wirkstoffes offensichtlich schädigende Nebenwirkung auf die Leber aufwiesen, die nicht entfernt werden konnten.[9][10]
Ebenfalls 2002 gelang den afrikanischen Khoisan unter Mithilfe des terre-des-hommes-Partners WIMSA (Arbeitsgruppe für einheimische Minderheiten im südlichen Afrika) sowie des südafrikanischen WIMSA-Menschenrechtsanwalts Roger Chennels, Gewinnanteile (0,003 % des Nettogewinns) an der Vermarktung der Hoodia von Pfizer / Phytopharm einzuklagen.[11] Das Ziel war, die etwa 100.000 Khoi-San am Gewinn zu beteiligen, sobald der Wirkstoff „P 57“ auf den Markt kommt.
Im Dezember 2004 hat Phytopharm einen Lizenzvertrag und einen Vertrag zur gemeinsamen Erforschung der Pflanze mit dem niederländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever abgeschlossen. 2008 löste Unilever die Verträge auf, nachdem die Firma bereits 20 Millionen Euro in die Erforschung investiert hatte und 2010 gab Phytopharm die Patentrechte an Südafrika ab.[12] 2011 wurde die klinische Studie veröffentlicht die zu der Entscheidung geführt hat. Diese belegt, dass der Wirkstoff die gleiche Wirkung wie ein Placebo besitzt.[1]
Vermarktung als Nahrungsergänzungsmittel
Schon seit der Patentierung 1996 gab es vereinzelte Berichte über Hoodia gordonii und seine angebliche Wirkung.[13] Am 21. November 2004 wurde die Pflanze aber einer breiten amerikanischen Öffentlichkeit, durch einen Fernsehbeitrag, bekannt.[14] In der Folge produzierten eine Vielzahl von Firmen Nahrungsergänzungsmittel, die die Pflanze enthielten. Nahrungsergänzungsmittel wurden sie deshalb genannt, da diese einer geringeren Kontrolle unterliegen und keine klinischen Studien zur Wirksamkeit vorgelegt werden müssen.[15][16] Durch die plötzlich starke Nachfrage ging der Bestand der Art stark zurück und die Verfügbarkeit der Pflanze war nicht immer gegeben. In 50 % der angebotenen Produkte konnte daher der Inhaltsstoff nicht nachgewiesen werden.[17] Das Marketing ist zwar nicht mehr so intensiv wie vor einigen Jahren, Nahrungsergänzungsmittel mit Hoodia gordonii werden aber nach wie vor, und trotz wissenschaftlicher Widerlegung, als Diätpillen beworben und verkauft. Verbraucherorganisationen raten dringend von der Einnahme ab.[18]
Weblinks
- Regelungen für den Handel mit geschützten Arten. Homepage Bundesamt für Naturschutz
- EU-Artenschutz-Verordnung. (PDF) (Hoodia auf S. 76 gelistet) (pdf; 391 kB)
- Eintrag im EU NovelFood Katalog
Einzelnachweise
- A. M. Wendy u. a.: Effects of 15-d repeated consumption of Hoodia gordonii purified extract on safety, ad libitum energy intake, and body weight in healthy, overweight women: a randomized controlled trial. In: The American Journal of Clinical Nutrition. (Am J Clin Nutr.) November 2011, Band 94, Nr. 5, S. 1171–1181, doi:10.3945/ajcn.111.020321 (Volltext als PDF-Datei; abgerufen am 23. November 2015)
- Verbraucherzentrale NRW: Hoodia: Gefahr für Gesundheit und Umwelt - Stand: 12.01.2017 ; abgerufen am 10. Juli 2018
- Ian Oliver (Karoo Desert National Botanical Gardens): Hoodia gordonii (Masson) Sweet ex Decne. Auf: plantzafrica.com von Juli 2005; zuletzt abgerufen am 25. November 2015.
- Hoodia 'Asclepiadaceae (Aucton Decesna). In: Augustin Pyramus de Candolle: Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis, sive, Enumeratio contracta ordinum generum specierumque plantarum huc usque cognitarium, juxta methodi naturalis, normas digesta auctore Aug. Pyramo de Candolle. Band 8, Sumptibus Sociorum Treuttel et Würtz, Paris 1844, S. 665 (Digitalisation Auf: biodiversitylibrary.org vom 20. November 2015; abgerufen am 23. November 2015).
- Elsabe Swart: Hoodia gordonii in South Africa. NDF Workshop in Cancun; WG3–Succulents and Cycads, Case Study 6, 2008 (Volltext als PDF-Datei, abgerufen am 23. November 2015).
- Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Österreich): Statistik: Jahresdaten über die Einfuhr, Ausfuhr und Wiederausfuhr von CITES-gelisteten Exemplaren. (Beschlagnahmungen in Österreich) Auf: bmlfuw.gv.at vom 1. Juni 2015; zuletzt abgerufen am 25. November 2015.
- D. B. MacLean, L. G. Luo: Increased ATP content/production in the hypothalamus may be a signal for energy-sensing of satiety: studies of the anorectic mechanism of a plant steroidal glycoside. In: Brain research. Band 1020, Nr. 1–2, September 2004, S. 1–11, ISSN 0006-8993, doi:10.1016/j.brainres.2004.04.041, PMID 15312781.
- Robyn Dixon: Hoodia fever takes a toll on rare plant. In: Los Angeles Times vom 26. Dezember 2006; zuletzt abgerufen am 25. November 2015.
- Joan Morris: Little research behind claims that hoodia is safe, effective for losing weight. In: Seattle Times. vom 9. März 2006; abgerufen am 23. November 2015.
- Jasjit Bindra: A Popular Pill's Hidden Danger. In: The New York Times vom 26. April 2005; abgerufen am 23. November 2015.
- zu Patentfragen (Memento des Originals vom 27. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (englisch)
- Shane Starling: Why Unilever canned €20m hoodia project: Newly published study disappoints. Auf: nutraingredients.com vom 18. Oktober 2011; abgerufen am 23. November 2015.
- Tom Mangold (BBC Correspondent): Sampling the Kalahari Hoodia diet. Auf: bbc.co.uk vom 30. Mai 2003 ; zuletzt abgerufen am 25. November 2015.
- Lesley Stahl: African Plant May Help Fight Fat. CBS News 60 Minutes Auf: cbsnews.com von 2004; zuletzt abgerufen am 25. November 2015.
- Danylo Hawaleshka: Hoodia love: An appetite suppressant used by Bushmen is the diet world's newest fad. Auf: macleans.ca vom 3. August 2005. (Memento vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)
- Lick Away Weight with Power Pops. Auf: extratv.warnerbros.com vom 30. Mai 2006; abgerufen am 25. November 2015.
- Erika Engelhaupt: But do Hoodia diet pills actually work? Diet miracle from an African plant is a spam special. In: The Philadelphia Inquirer vom 9. Juli, 2006. (Memento vom 13. Juli 2006 im Internet Archive)
- Verbraucherzentrale NRW: Hoodia: Gefahr für Gesundheit und Umwelt - Stand: 12.01.2017 ; abgerufen am 10. Juli 2018