Hildegard Wegscheider
Hildegard Caroline Sophie Wegscheider, geborene Ziegler (* 2. September 1871 in Berlin; † 4. April 1953 ebenda) war eine deutsche Lehrerin, Schulreformerin, Politikerin der SPD und Frauenrechtlerin.
Leben
Die Pfarrerstochter Hildegard Ziegler besuchte die Höhere Töchterschule in Liegnitz und bestand nach einem Pensionatsjahr in Lausanne das Lehrerinnenexamen. Sie studierte ab 1893 in Zürich, weil sie dort auch ohne Abitur zugelassen wurde. Gleichzeitig legte sie mit einer Sondergenehmigung 1895 ihr Abitur am Königlich Katholischen Gymnasium zu Hedingen bei Sigmaringen ab. Damit war sie die erste Frau im Königreich Preußen, die diese Prüfung erfolgreich absolvierte. In Berlin nicht zugelassen, promovierte sie im August 1897 in Halle zum Dr. phil. und war damit eine der ersten Frauen, die an einer deutschen Universität den Doktorgrad erwarben. Sie war Dozentin an der Humboldt-Akademie in Berlin und Lehrerin an Gymnasialkursen. Zu ihren Schülerinnen gehörte u. a. Margarete Bieber. Sie heiratete 1899 den Arzt Max Wegscheider (1866–1928) und hatte mit ihm zwei Söhne, während der Ehe hatte sie Berufsverbot; die Ehe wurde 1906 geschieden. Sie gründete 1900 die erste private Schule mit gymnasialem Unterricht für Mädchen in Charlottenburg bei Berlin. Nachdem Wegscheider in Kiel das Staatsexamen für Gymnasiallehrer bestanden hatte, war sie ab 1908 Oberlehrerin in Bonn.
Wegscheider gehörte von 1919 bis 1921 für die SPD der verfassunggebenden preußischen Landesversammlung an und war seit 1921 Abgeordnete im Preußischen Landtag. Außerdem war sie Vorstandsmitglied des 1919 neu gegründeten Bundes Entschiedener Schulreformer.
Später kehrte Wegscheider von 1920 bis 1933 als Oberschulrätin in Berlin in den Schuldienst zurück. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde sie aus allen Ämtern entfernt. Sie verdiente dann ihren Lebensunterhalt als Privatlehrerin. Zugleich engagierte sie sich in einem kleinen Kreis Oppositioneller im Widerstand gegen das NS-Regime. Dieser Kreis hielt bis 1939 fest zusammen. Auch danach half Wegscheider politisch Verfolgten und Juden dabei unterzutauchen.
Im März 1949 beteiligte sich Wegscheider aktiv am Internationalen Frauentag und erläuterte dabei unter anderem, wie ihr zunächst von Heinrich von Treitschke die Immatrikulation in Berlin verwehrt wurde, so dass sie gezwungen war, ihr Studium in Halle aufzunehmen.
Im Februar 1953 erhielt sie als eine der ersten Frauen aufgrund ihres sozialen Engagements, ihrer Leistung und ihres Mutes, die erste Frau Preußens mit Abitur zu werden, das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Sie wurde auf dem Friedhof Wilmersdorf beigesetzt, wo sie ein Ehrengrab in der Abt. C7-3-12 erhielt.[1]
Ehrungen
- In Berlin-Grunewald ist das Hildegard-Wegscheider-Gymnasium nach ihr benannt.
- In Röttgen (Bonn) wurde nach ihr die Hildegard-Wegscheider-Straße benannt.[2]
- Mit dem Erstausgabetag 2. September 2021 gab die Deutsche Post AG ein Sonderpostwertzeichen im Nennwert von 95 Eurocent heraus. Der Entwurf stammt von den Grafikern Iris Utikal und Michael Gais aus Köln.[3]
Veröffentlichungen
- Chronicon Carionis: ein Beitrag zur Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts, Halle (M. Niemeyer), 1898 phil. Diss. (=Hallesche Abhandlungen zur neueren Geschichte 35)
- Die arbeitende Frau und der Alkohol. Deutscher Arbeiter-Abstinentenbund, Berlin 1904.
- Die Frau und Mutter als Vorkämpferin gegen den Alkoholismus. Vortrag gehalten auf dem III Deutschen Abstinententag in Dresden. „Alkoholgegner“, Reichenberg 1905.
- An unsere Frauen. In: Die Frau im demokratischen Staat. Verlag „Das Volk“, Berlin 1946.
- Weite Welt im engen Spiegel. Erinnerungen. Arani, Berlin-Grunewald 1953.
Literatur
- Hildegard Wegscheider 80 Jahre alt. In: Sozialdemokratischer Pressedienst 1951 Digitalisat
- Hildegard Wegscheider. In: Franz Osterroth: Biographisches Lexikon des Sozialismus. Band I. Verstorbene Persönlichkeiten. J. H. W. Dietz Nachf., Hannover 1960, S. 323–324.
- Stephan Koop: Hildegard Wegscheider und ihre Schule. Werte für ein selbst bestimmtes Europa. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-3333-5.
- Maike Lechler: Wegscheider, Hildegard, Dr. phil., geb. Ziegler. In: Eva Labouvie (Hrsg.): Frauen in Sachsen-Anhalt, Bd. 2: Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945. Böhlau, Köln u. a. 2019, ISBN 978-3-412-51145-6, S. 438–442.
- Bettina Michalski: Louise Schroeders Schwestern: Berliner Sozialdemokratinnen der Nachkriegszeit. Dietz, Bonn 1996, S. 244–253.
- Manfred Berger: Wegscheider, Hildegard, in: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit. Freiburg : Lambertus, 1998 ISBN 3-7841-1036-3, S. 614f.[4]
- Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig – Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Lukas-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0, S. 66 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hildegard Ziegler - LEO-BW. Abgerufen am 24. September 2021.
- Hildegard-Wegscheider-Straße im Bonner Straßenkataster
- Jahresprogramm 2021 – Bundesfinanzministerium – Briefmarken. Abgerufen am 20. November 2020.
- Berger schreibt im Lemma und auch im Text und im Schriftenverzeichnis durchgängig Wegschneider