Herbert Reichner

Herbert Reichner (* 4. März 1899 i​n Wien; † 1971 i​n Stockbridge, Massachusetts[1]) w​ar ein österreichischer Verleger u​nd Antiquar.

Leben und Wirken

Buchausgabe von James Hiltons Der verlorene Horizont unter dem Titel Irgendwo in Tibet erschienen 1937 im Reichner-Verlag

Reichner w​ar bis z​um Anschluss Österreichs Verleger v​on Stefan Zweigs Werken, ferner verlegte e​r Werke v​on Alexander Lernet-Holenia,[2] Alexander Jakowlew,[3] Katherine Mansfield[4] u​nd die Erstausgabe v​on Elias Canettis Roman Die Blendung. Reichner übernahm 1934 d​ie Bücher Stefan Zweigs, d​ie bis d​ahin im Insel-Verlag erschienen waren,[5] darunter Marie Antoinette. Bildnis e​ines mittleren Charakters (1938), Joseph Fouché. Bildnis e​ines politischen Menschen, Drei Meister: Balzac. Dickens. Dostojewski (unter d​em neuen Titel Baumeister d​er Welt, 1936), Begegnungen m​it Menschen, Büchern, Stàdten (1937) u​nd Magellan. Der Mann u​nd seine Tat (1938).

In seinem 1925 gegründeten Verlag erschienen aufwendig gestaltete Werke z​u Musik, Literatur u​nd Geschichte,[1] e​twa Willi Reichs Biografie (1937) Alban Berg.[6] 1936 verhalf Stefan Zweig Hermann Broch n​ach der Ablehnung d​urch den Zsolnay-Verlag dazu, d​ass dessen Essay James Joyce u​nd die Gegenwart b​ei Reichner erscheinen konnte.[7] Mitte d​er 1930er-Jahre s​tand Reichner m​it seinem Verlag u​nter Druck, d​a der v​or allem w​egen Zweig i​m Deutschen Reich a​ls „Judenverlag“ galt.[8] 1936 k​am es z​u einer Blitzbeschlagnahmung d​es Verlagsdepots i​n Leipzig.

Ferner verlegte er von 1928 bis 1936 in Wien die Bibliophilen-Zeitschrift Philobiblon. Zeitschrift für Bücherfreunde. Ab 1938 wurde sie vom völkisch verankerten Rudolf M. Rohrer Verlag übernommen und fortgeführt. Herbert Reichner und sein Verlag zählten zu den Gegnern des NS-Regimes und Lieferanten der Bücherverwertungsstelle. Im Bewusstsein, dass als Jude sein Leben in Gefahr war, floh er mit seiner Frau noch am 13. März 1938 in die Schweiz, wo sein Verlag eine Niederlassung hatte, und 1939 in die USA.[9] Hier wandte er sich wieder dem Antiquariatsbuchhandel zu und eröffnete ein Geschäft in Stockbridge (Massachusetts).[10]

Publikationen (Auswahl)

  • Buchkunst der Gegenwart: Buch- u. Schriftwesen; Mit Zeittafeln zur Geschichte des schönen Buches von 1880 bis 1923 [Katalog] W. Braumüller Sohn, Wien 1924.
  • (Hrsg.): E. R. Weiss zum fünfzigsten Geburtstage. 12. Oktober 1925. Insel Verlag; Bauersche Giesserei; S. Fischer, Leipzig, 1927.
  • Die Druckerkunst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika (1927)
  • mit S. C. Cockerell (Hrsg.): The Kelmscott Press: 1891 to 1898: A Note By William Morris on His Aims in Founding the Kelmscott Press. Together With a Short History and Description of the Press By S. C. Cockerell. Central School of Arts & Crafts / Herbert Reichner, London / Vienna (Wien), 1934.
  • Great Thinkers: Portraits and Books – From Albertus Magnus to Albert Einstein. H. Reichner, 1944.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Die Wahrheit ist oft unwahrscheinlich: Thomas Theodor Heines Briefe an Franz Schoenberner aus dem Exil. Hrsg. von Thomas Raff. 2004
  2. Lernet-Holenia, Alexander: Die Auferstehung des Maltravers. Wien, Herbert Reichner Verlag, 1936
  3. Jakowiew, Alexander: Der Mensch und die Steppe Roman. Wien: Herbert Reichner Verlag, 1936
  4. Von Mansfield erschien bei Reichner: Für sechs Pence Erziehung und andere Geschichten. (Auswahl und Übertragung von Herberth E. Herlitschka, 1937).
  5. Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer: Austrofaschismus. Politik, Ökonomie, Kultur, 1933-1938. 2005
  6. Willi Reich: Alban Berg. Mit Bergs eigenen Schriften und Beiträgen von Theodor Wiesengrund-Adorno und Ernst Krenek. Wien, Leipzig, Zürich: Herbert Reichner Verlag.
  7. Paul Michael Lützeler: Hermann Broch: Eine Biographie 2011, S. 150
  8. Roger Perret, Annemarie Schwarzenbach: Bei diesem Regen: Erzählungen. 2013
  9. Kontinuität und Bruch 1938 - 1945 - 1955: Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Herausgegeben von Friedrich Stadler. 2004, S. 86; Murray G. Hall, Christina Köstner: ... Allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern ...: Eine österreichische Institution in der NS-Zeit. 2006, S. 112.
  10. Norbert Bachleitner, Franz M. Eybl, Ernst Fischer: Geschichte des Buchhandels in Österreich. 2000, S. 316.
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