Heilige Liga (1511)
Die Heilige Liga vom 1. Oktober 1511 wurde geschlossen, nachdem Papst Julius II. aus der Liga von Cambrai (1508/09) ausgeschert war und sich mit den Eidgenossen, dem Königreich Aragonien und der Republik Venedig gegen Ludwig XII. von Frankreich verbündete. Dem Bündnis gehörte ab November 1511 auch Heinrich VIII. von England an, der mit einer Tochter des aragonesischen Königs verheiratet war. Der Habsburger Kaiser Maximilian I. verließ sein Bündnis mit Frankreich faktisch im April 1512. Die Liga richtete sich gegen die Expansionspolitik Ludwigs XII. und sollte der Befreiung Italiens, namentlich der Befreiung des 1499/1500 von ihm eroberten Herzogtums Mailand, dienen (siehe Italienische Kriege).
Verlauf und Entwicklung
Vertreibung der Franzosen aus Mailand und Italien – bis Sommer 1512
Zunächst entwickelten sich die Dinge nachteilig für die Liga, weil ihr Heer in der Schlacht bei Ravenna im April 1512 vernichtend geschlagen wurde. Da mit Gaston de Foix der französische Feldherr zu Tode gekommen war, kollabierte die in Unordnung geratende französische Macht jedoch, so dass sie im Sommer aus dem Herzogtum Mailand und aus ganz Italien wich. Ein Kongress in Mantua vom August beschloss die Rückführung der Sforza nach Mailand und die Rückführung der Medici nach Florenz, also in letzterem Fall den Sturz der an Frankreich gebundenen Herrschaft von Piero Soderini. Der Machtwechsel in Florenz wurde bis zum 1. September gewaltsam umgesetzt.
Neues Venezianerbündnis Ludwigs XII. – Frühjahr 1513
Eine Zäsur für die Liga ergab sich im Februar 1513 aufgrund des Todes Julius’ II.: Der neue Pontifex Leo X. widerrief die Bündnisverpflichtungen seines Vorgängers auf dem Stuhl Petri und öffnete sich – wenn auch nicht nur – die Bündnisoption mit Frankreich, weil eine Rückeroberung Mailands ins Aussicht stand. Als geborener Giovanni de’ Medici verfolgte er das Interesse, die Herrschaft seiner Familie über Florenz sicherzustellen. Am 23. März 1513 wechselte Venedig die Seite und schloss sich Frankreich an, was die Lage der Liga weiter verkomplizierte und zu einer Umklammerung Mailands führte. Anlass waren Besitzstreitigkeiten gegenüber Maximilian, die aus der Zeit vor April 1512 herrührten, nunmehr wieder aufleben durften und durch einen Ausschluss der Venezianer aus der Liga durch Julius II., eine päpstliche Entscheidung vom Februar 1513, Nahrung erhalten hatten. Spanien, die Habsburger, das wiederhergestellte Sforza-Mailand und die Schweizer hingegen führten die Liga fort oder schlossen Nachfolgeverträge. Heinrich VIII. attackierte Frankreich 1513 zeitweilig in Flandern, während die Schweizer nach einem Einfall bei Dijon, der Hochburgund galt, durch eine betrügerische, später von Ludwig XII. nicht ratifizierte Übereinkunft zum Abzug bewegt werden konnten.
Mit Blick auf das Herzogtum Mailand besiegten die Schweizer am 6. Juni 1513 eine Armee von Ludwig XII. in der Schlacht bei Novara, so dass den Franzosen eine Revision in Italien vorerst misslang.
Eroberung Mailands durch Franz I. und Bündniswechsel Leos X. – 1515
Zwei Jahre später, am 13./14. September 1515, konnte Franz I. von Frankreich die im Sold der Rest-Liga stehenden Schweizer bei Marignano besiegen und Mailand zurückgewinnen. Leo X., der sein Papstamt genutzt hatte, als Mittlerfigur aufzutreten, hatte im Laufe des Jahres 1514 Verträge mit beiden Parteien geschlossen und konnte sich zuletzt dem Sieger anschließen. Als Endpunkt der Liga kann daher Oktober 1515 mit dem päpstlich-französischen Vorvertrag von Viterbo betrachtet werden, spätestens aber das Treffen von Papst und König in Bologna Anfang Dezember des Jahres. Das Bündnis von Leo X. und Franz I. wurde bis in das Frühjahr 1521 die neue Hauptkoordinate Italiens.
Allgemeinhistorische Einordnung
Im Rückblick auf die Italienkriege kann die Heilige Liga von 1511 insofern als Erneuerung der Heiligen Liga von Venedig von 1495 angesehen werden, als es sich gleichfalls um eine Allianz großer Teile der Christenheit gegen Frankreich handelte, Italien im Blickfeld lag und die großen Bundesgenossen sehr ähnlich vertreten waren.
Im Überblick der europäischen Frühneuzeit kann die Liga ferner als Vorbild für die späteren großen europäischen Allianzen gegen Frankreich gesehen werden, zumal 1516 mit dem spanischen Erbfall Karls von Burgund bzw. Karls V. die sogenannte Umklammerung Frankreichs als konstitutives, bis in das 18. Jahrhundert fortwirkendes Motiv europäischer Politik hinzutrat.
Literatur
- Maurizio Gattoni: Leone X e la geo-politica dello Stato Pontificio, Vatikan 2000, S. 23–132.
- Christine Shaw: Julius II. The Warrior Pope, Oxford 1993, ausgangs.