Haus Liebrecht (Hannover)
Das Haus Liebrecht[1] in Hannover ist ein denkmalgeschütztes Einfamilienhaus im hannoverschen Stadtteil Kleefeld. Das villenartige Gebäude unter der Adresse Schopenhauerstraße 28 nahe der Eilenriede wurde Anfang der 1920er Jahre ursprünglich für den Landesforstmeister Liebrecht nach Plänen des Architekten Paul Bonatz erbaut,[2] der vor Ort zuvor schon die Stadthalle errichtet hatte.[3]
Geschichte und Beschreibung
Der im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten beschäftigte Oberförster Walter Liebrecht, der schon zu Beginn der Weimarer Republik 1919 „im Auftrage der Regierung bei der Einleitung der Reparationsverhandlungen in Versailles und Paris mittätig“ gewesen war, war 1923 durch den Provinziallandtag Hannover einstimmig zum Landesforstmeister für die Provinz Hannover gewählt worden.[4] Noch im selben Jahr und bis 1924[2] ließ Liebrecht für sich und seine Familie nahe der Eilenriede[5] und nahe dem etwa zeitgleich in derselben Straße entstandenen Haus der Jäger durch den Architekten Paul Bonatz[2] ein eigenes Haus mit dem Charakter eines Forsthauses errichten.[5] Dabei entstand ein in der Tradition der Stuttgarter Schule[2] stehendes repräsentatives Einfamilienhaus im Landhausstil auf erhöhtem Erdgeschoss unter einem mächtigen Mansardgiebeldach. Diese typisch dem Heimatstil verpflichtete Wohnhausarchitektur des Architekten lässt sich unter anderem mit der von Bonatz in Stuttgart von 1910 bis 1911 errichteten ehemaligen Villa Kopp und dem ebenfalls in Stuttgart 1922 erbauten Wohnhaus Bonatz vergleichen. Ähnlich sind hier insbesondere die verwendeten Baumaterialien und die traditionellen Bauformen.[1] So wurde der Baukörper des Liebrechtschen Hauses mit seinen Fensterreihungen im Hauptgeschoss und dem langgestreckten Mansardgiebeldach stark horizontal entwickelt.[2]
Abweichend weist das Haus Liebrecht[1] aufgrund des seinerzeitigen Grundwasserstandes auf hohem Kellersockel[2] ein erhöhtes Erdgeschoss auf, in dem sich großzügige Wohnräume, darunter das Herrenzimmer und das Damenzimmer mit seiner großen Fensterfront finden, außerdem der Wirtschaftsteil des Gebäudes. Schlafzimmer und Badezimmer sind hingegen im Obergeschoss untergebracht.[1]
Noch während der Weimarer Republik verzeichnete die Deutsche Dendrologische Gesellschaft ihr Mitglied „Frau Liebrecht, Landesforstmeister“ im Jahr 1929 unter der Adresse „Schopenhauer Str. 8“.[6]
Zur Zeit des Nationalsozialismus traf sich ein Teil der Mitglieder des 1937 aufgelösten Rotary Clubs Hannover auch noch während des Zweiten Weltkrieges informell im Hause Liebrecht. Hier berichtete der Mediziner Karl Westphal erstmals über seine nicht von der NS-Kriegspropanda gefilterten Erlebnisse bei der Schlacht von Stalingrad.[7]
Der Schriftsteller Curd Ochwadt war 1972 in den Études rimbaldiennes mit Wohnsitz in der Schopenhauerstraße 28 verzeichnet,[8] während Walter Liebrechts Tochter Ruth,[5] verwitwete Gräfin von Bothmer, noch in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre die forsthausähnliche Immobilie bis 1981 bewohnte.[9] 1981 erwarb das Haus Frau Ulrike Schwarzbeck geb. zur Nieden, sanierte den Garten, baute es zum 2-Familienhaus um und lebte mit ihrer Familie dort bis 1988.[10]
Siehe auch
Literatur
- Dieter Brandenburger: Bonatz und das Haus Liebrecht in Hannover von 1923/24, in Gerhard Kaldewei (Hrsg.), Doris Apell-Kölmel, Nils Aschenbeck: Paul Bonatz (1877–1956). Bauten und Projekte im Norden (= Schriften der Museen der Stadt Delmenhorst. Reihe Stadtmuseum, Band 7), Begleitveröffentlichung zur Sonderausstellung der Museen der Stadt Delmenhorst „Paul Bonatz (1877–1956) – Bauten und Projekte im Norden“ vom 24. Juli bis 4. September 2005 in der Mohrmann-Halle am Pferdemarkt in Oldenburg im Rahmen des „Jahrhundertschritts 05“, Delmenhorst: Aschenbeck & Holstein, 2005, ISBN 3-932292-92-8, S. 86–95[11]
Weblinks
Einzelnachweise
- Martin Wörner, Ulrich Hägele, Sabine Kirchhof: Haus Liebrecht, in dies.: Architekturführer Hannover ( = Architectural Guide to Hannover), Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 2000, ISBN 3-496-01210-2, S. 255
- Gerd Weiß: Das „Landhausviertel mit Bauwich“ östlich der Blindenanstalt. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover (DTBD), Teil 2, Bd. 10.2, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1985, ISBN 3-528-06208-8, S. 84ff.; hier: S. 86; sowie Kleefeld im Addendum: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 17ff.; hier: S. 19
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Theodor-Heuss-Platz 1–3, in Dirk Böttcher, Klaus Mlynek (Hrsg.): Hannover. Kunst- und Kultur-Lexikon (HKuKL), Neuausgabe, 4., aktualisierte und erweiterte Auflage, zu Klampen, Springe 2007, ISBN 978-3-934920-53-8, S. 203ff.; hier: S. 204
- Carl H. Liebrecht: Chronik der Familie Liebrecht, korrigierte und überarbeitete Neuauflage, Norderstedt: Books on Demand, 2018, ISBN 978-3-7448-5108-4, v. a. S. 101–103; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Mitglieder-Verzeichnis 1929, S. 80; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Friedrich von Wilpert: Rotary in Deutschland. Ein Ausschnitt aus Deutschem Schicksal, Bonn, Mittelstraße 60: F. v. Wilpert, [1982?], S. 211; Digitalisat als PDF-Dokument von der Seite d-1800.org
- Correspondants étrangers (in französischer Sprache), in: Études rimbaldiennes, volume 3, Lettres modernes Minard, 1972, p. 97; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- International Dendrology Society Year Book (in englischer Sprache), 1976, S. 93, 117; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Pers Mitteilung PD DR Andreas Schwarzbeck
- Vergleiche die Angaben des Bibliotheksverbunds Bayern