Harald Quandt
Harald Quandt (* 1. November 1921 in Berlin-Charlottenburg; † 22. September 1967) war ein deutscher Industrieller aus der Familie Quandt.
Leben
Harald Quandt war der Sohn des Industriellen Günther Quandt aus der Ehe mit Magda Behrend, die in zweiter Ehe mit Joseph Goebbels verheiratet war.
Harald Quandt wuchs nach der Scheidung seiner Eltern bei seiner Mutter auf, die aber stets freundschaftliche Beziehungen zu ihrem Ex-Ehemann aufrecht hielt. Im Jahr 1940 meldete er sich als Freiwilliger zu den Fallschirmjägern und nahm im Mai 1941 als Angehöriger des Fallschirm-Pionier-Bataillons an der Luftlandeschlacht um Kreta teil. Quandt kämpfte in der Sowjetunion und später in Italien. Im Herbst 1943 war er Oberleutnant im Stab der 1. Fallschirmjäger-Division.[1] Ende Dezember 1943 nahm er an den verlustreichen Kämpfen in der sieben Tage dauernden Schlacht um Ortona teil. Im Februar 1944 wurde er krankheitsbedingt in ein Lazarett in München gebracht, doch setzte ihn sein Stiefvater Joseph Goebbels massiv unter Druck, schnellstmöglich an die Front zurückzukehren. So kämpfte er bald darauf wieder als Fallschirmjäger in der Schlacht um Monte Cassino im Frühjahr 1944. Anfang September 1944 geriet er bei Kampfhandlungen an der Adria im Raum Bologna in Italien schwer verwundet in britische Gefangenschaft und wurde in ein Gefangenenlager (Camp 305) in der libyschen Hafenstadt Bengasi gebracht.[2] Der kurz vor ihrem Tod am 1. Mai 1945 verfasste Abschiedsbrief an Harald Quandt ist das einzige erhaltene schriftliche Zeugnis seiner Mutter.[3] Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft und seiner Rückkehr nach Deutschland 1947 studierte er an den Technischen Hochschulen Hannover und Stuttgart Maschinenbau und wurde Diplom-Ingenieur. Als Student trat er in Stuttgart dem Club Cosmos bei, aus dem später die Akademische Verbindung Vitruvia wurde.
Nach dem Tod ihres Vaters 1954 erbten Harald und sein Halbbruder Herbert Quandt ein Konglomerat von Firmenbeteiligungen, unter anderem an der Akkumulatoren-Fabrik AG (AFA), später VARTA, und anderen Unternehmen. Dabei konzentrierte sich Harald auf den Bereich Rüstung mit der „Industriewerke Karlsruhe AG“, deren Vorstandsvorsitzender er auch war. Weitere Vorstandsposten hatte er bei der Busch-Jaeger AG, der Dürener Metallwerke AG und den Mauserwerken Oberndorf inne. Bei VARTA war er Aufsichtsratsvorsitzender und bei der Daimler-Benz AG einfaches Mitglied des Aufsichtsrats.
Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre war der begeisterte Privatpilot ehrenamtlich mehrere Jahre Präsident des Deutschen Aero Clubs, des Dachverbands der deutschen Luftsportvereine und zu der Zeit Interessenvertretung der allgemeinen Luftfahrt. Quandt betrieb ab September 1961 den ersten in Deutschland zivil zugelassenen Geschäftsreise-Jet, eine viersitzige Morane-Saulnier MS-760B Paris II, deutsche Musterzulassung am 15. Oktober 1960 gemäß Chronik des Deutschen Luftfahrt-Bundesamtes (LBA), mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-INGE.
Seit 1951 war Harald Quandt mit Inge Quandt-von Halem (geb. Bandekow, 18. November 1928 – 24. Dezember 1978) verheiratet, der Tochter des Firmenjustiziars, mit der er sechs Töchter hatte: Katarina Geller (* 1951), Gabriele Quandt (* 1952), Anette May-Thies (* 1954), Gritt Trilck (* 1958), Colleen-Bettina Rosenblat-Mo (* 1962) und Patricia Halterman (1967–2005).
Harald Quandt kam am 22. September 1967 bei einem Flugzeugabsturz mit einem Firmenflugzeug vom Typ „King Air A90“ auf einem nächtlichen Flug von Frankfurt am Main nach Nizza ums Leben. Am Steuer war ein Ersatzpilot, der kurzfristig eingesprungen war und die Maschine wahrscheinlich noch nicht vollständig beherrschte. Offenbar war die gesamte Bordelektronik mitsamt den Funkgeräten ausgefallen, so dass die Piloten bei Cuneo (Italien) gegen einen Berg flogen. Der Flugunfall bleibt rätselhaft. Der Vermögensanteil von Harald Quandt wird heute von einer Vermögensverwaltungsfirma verwaltet, die von seinen Töchtern bzw. deren Nachkommen kontrolliert wird. Nach seinem Tod war seine Ehefrau zunächst mit dem Fernsehjournalisten und Rennfahrer Rainer Günzler liiert. Im Jahr 1976 heiratete sie Hans-Hilman von Halem (8. April 1932 – 26. Dezember 1978).
Quellen
- Rüdiger Jungbluth: Die Quandts. Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. Campus, Frankfurt/Main 2002, ISBN 3-593-36940-0.
- Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts – Eine deutsche Unternehmerdynastie. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62251-9.
- Rüdiger Jungbluth: Die Quandts – Deutschlands erfolgreichste Unternehmerfamilie. Campus, Frankfurt/Main 2015, ISBN 978-3-593-50270-0.
Weblinks
- Equita, Private Equity Gesellschaft der Harald Quandt Holding
- Michael Jungblut: Quandt – das unbekannte Wesen. Aus: Die Reichen und die Superreichen in Deutschland. Hoffmann und Campe, Hamburg 1971, ISBN 3-455-03690-2, S. 78 ff. Wiedergabe auf der Website von Harald Wozniewski (Tabelle mit Besitzverhältnissen zu Herbert und Harald Quandt)
- Auda Advisor LLC, US-Tochter der Harald Quandt Holding
Presse:
- Quandt-Töchter: Nicht ohne meine Schwestern. Manager Magazin, 15. Mai 2006 (Familiengeschichte und Vermögensverwaltung der Harald-Quandt-Erben)
- Ursula Moreno: Las nietas politicas de Goebbels. El Mundo, 8. Mai 2004; abgerufen am 6. August 2015
- Stefan Schmitz: Familiengeschichte. „Die Quandts“. Stern, 19. August 2002
Einzelnachweise
- Henry L. deZeng IV, Douglas G. Stankey: Luftwaffe Officer Career Summaries, Section L–R. (PDF) 2016, S. 582, abgerufen am 6. Januar 2018 (englisch).
- Rüdiger Jungbluth: Die Erben der Magda Goebbels. Cicero, 28. Oktober 2004, abgerufen am 15. Februar 2014.
- Filmaufnahmen des Originalbriefes (teils auch vorgelesen) von 6:00 bis 7:59 min in der Dokumentation „Hitlers Tod“