Habichtartige
Die Habichtartigen (Accipitridae; von lateinisch accipiter ‚Habicht, Falke, Sperber, Stoßvogel‘, wohl volksetymologisch über acupeter angelehnt an griechisch ὠκυπέτης ‚Schnellflieger‘)[1] sind eine Familie der Greifvögel und umfassen die meisten ihrer Vertreter, je nach Autor etwa 76–82 Gattungen und 260 lebende Arten.[2] Zur Familie der Habichtartigen gehören beispielsweise die meisten der als Adler und Geier bezeichneten Vögel sowie die Gattungen der Bussarde, Weihen, Habichte und Sperber.
Habichtartige | ||||||||||||
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Rotmilan (Milvus milvus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Accipitridae | ||||||||||||
Vieillot, 1816 |
Die Habichtartigen kommen beinahe weltweit vor, mit Ausnahme der Antarktis und zahlreicher ozeanischer Inseln. Jedes große Ökosystem der Erde wird von ihnen bewohnt, nur in sehr trockenen Wüsten und in der nördlichsten arktischen Tundra fehlen sie. Der größte Artenreichtum findet sich in tropischen Regionen.
Merkmale
Die Habichtartigen haben breite Schwingen und hohe Schnäbel. Die Flügelspannweite beträgt je nach Art zwischen 50 cm und 3 m. Die Körperlänge reicht von 25 cm bis 1,5 m. Ihr Gewicht liegt zwischen 80 g und 12,5 kg. Die Basis des Oberschnabels ist von einer wächsernen Haut bedeckt, die oft bunt gefärbt ist. Die Augen sind groß und liegen bei den meisten Arten unter einer knöchernen Spange am Schädel.
Waldbewohner haben im Allgemeinen kurze Flügel und lange Schwänze, um manövrierfähig zu sein. Bewohner offener Landschaften haben dagegen lange Flügel. Bei großen Arten, die bei der Suche nach Beute sehr hoch fliegen und dabei große Strecken segelnd zurücklegen, stehen die äußeren Federn der Flügel oft fingerartig auseinander, um Verwirbelungen zu vermeiden. Die Schwänze können abgerundet, keilförmig oder gegabelt sein.
Habichtartige sind normalerweise als Anpassung an ihre Umwelt braun, schwarz oder grau gefärbt. Oft zeigt sich im Gefieder ein Streifenmuster. Die Unterseiten sind oft hell. Bei einigen Arten gibt es heller und dunkler gefärbte Morphen oder unterschiedliche Färbungen in geografisch weit voneinander entfernt lebenden Populationen. Bei den meisten Arten sind die Weibchen größer als die Männchen, am ausgeprägtesten bei den schnellen, vogelfangenden Habichten und Sperbern. Andere Arten weisen einen Sexualdimorphismus in der Färbung auf. Hier ist das Männchen meist auffälliger gefärbt und das Weibchen behält ein Gefieder ähnlich dem der Jungvögel bei. Ein Beispiel sind hier die Weihen.
Im ersten Lebensjahr ist das Gefieder der Vögel oft sehr verschieden von dem der Alttiere und größtenteils braun mit einer helleren Ober- und einer dunkleren Unterseite. Jungvögel unterschiedlicher Arten gleichen sich oft. Der Wechsel vom Jungvogelgefieder zum Gefieder der Adulten findet bei den meisten Arten nach dem ersten Lebensjahr statt. Bei den meisten Adlern dauert der Wechsel mehrere Jahre. Habichtartige mausern sich ein Mal pro Jahr.
Habichtartige unterscheiden sich von den Falken durch ihre gelben, roten oder nussfarbenen Augen, die der Falken sind bräunlich, ihren Nestbau (Falken übernehmen die verlassenen Nester anderer Vögel), einige Merkmale im Skelett und durch das kräftige Ausstoßen ihrer Ausscheidungen.
Ernährung
Die meisten Habichtartigen sind ausschließlich carnivor, überwiegend als opportunistische Jäger, die erbeuten, was gerade erblickt wird und leicht zu fangen ist. Oft wird dies auch ergänzt durch Aas. Zum Nahrungsspektrum der verschiedenen Arten zählen kleine und mittelgroße Säugetiere, Vögel (auch Nestlinge und Eier), Reptilien (auch Schlangen), Amphibien, Fische und viele wirbellose Tiere. Bussarde erbeuten vor allem kleine Säugetiere, Habichte und Sperber vor allem Vögel. Einige Arten haben ihre Ernährung weitgehend spezialisiert und erhalten dies dann mitunter auch in den Artnamen ausgewiesen, wie beispielsweise Schlangenadler, Wespenbussard, Fledermausaar oder Schneckenweih. Geier fressen fast ausschließlich Aas, einige Arten auch Exkremente. Einige Habichtartige fressen jedoch auch Früchte – der Palmgeier ernährt sich vor allem von den Früchten verschiedener Palmen.
Fortpflanzung
Die meisten Habichtartigen sind das Jahr über monogam, einige ein Leben lang. Bei allen Habichtartigen bauen Weibchen und Männchen das Nest zusammen, wobei das Männchen das Nistmaterial heranträgt und das Weibchen den eigentlichen Nestbau übernimmt. Alle zwei bis fünf Tage legt das Weibchen ein Ei und beginnt die Brut normalerweise mit dem ersten oder dem zweiten. Bei den meisten Arten brüten sowohl Männchen als auch Weibchen. Die Brutdauer beträgt 28 bis 60 Tage, größer werdende Arten brüten für gewöhnlich länger. Da die Brut beginnt, bevor alle Eier gelegt sind, schlüpfen die Jungen zu verschiedenen Zeiten und die älteren Jungvögel sind größer als die gerade geschlüpften.
Systematik
Die Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse der Accipitridae mit molekulargenetischen Methoden hat bisher zu keiner endgültig akzeptierten Systematik geführt. Folgende Kladogramme zeigen zwei alternative Modelle für die verwandtschaftlichen Beziehungen der verschiedenen Gattungen.
Kladogramm nach Lerner & Mindell (2005):[3] | Kladogramm nach Griffiths al al. (2007):[4] | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Systematik der Accipitridae nach Lerner & Mindell (2005):[3] | Systematik der Accipitridae nach Winkler et al. (2015):[5] |
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Literatur
- Ferguson-Lees & Christie: Die Greifvögel der Welt. Übersetzt von Volker Dierschke und Jochen Dierschke. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-440-11509-1.
- J. Ferguson-Lees, D. A. Christie: Raptors of the World. Christopher Helm, London 2001, ISBN 0-7136-8026-1.
- H. R. L. Lerner, D. P. Mindell: Phylogeny of eagles, Old World vultures and other Accipitridae based on nuclear and mitochondrial DNA. Molecular Phylogenetics and Evolution 37; 2005: S. 327–346. PDF
- M. Wink, H. Sauer-Gürth: Phylogenetic Relationships in Diurnal Raptors based on nucleotide sequences of mitochondrial and nuclear marker genes. In: R. D. Chancellor und B.-U. Meyburg (eds): Raptors Worldwide. Berlin, Budapest 2004: S. 483–498. PDF
- Kirschbaum, K. 2004. „Accipitridae“, Animal Diversity Web. Zugriff am 4. Januar 2010.
Weblinks
Einzelnachweise
- Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1918 (zeno.org [abgerufen am 29. August 2018]).
- Ferguson-Lees, Christie: Die Greifvögel der Welt (deutsch von Volker Dierschke und Jochen Dierschke). Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2009, ISBN 978-3-440-11509-1
- Heather R.L. Lerner, David P. Mindell: Phylogeny of eagles, Old World vultures, and other Accipitridae based on nuclear and mitochondrial DNA Molecular Phylogenetics and Evolution Bd. 37 (2005), S. 327–346, doi:10.1016/j.ympev.2005.04.010, PDF
- Carole Griffiths, George F. Barrowclough, Jeff Groth, Lisa A. Mertz: Phylogeny, diversity, and classification of the Accipitridae based on DNA sequences of the RAG‐1 exon. Journal of Avian Biology 38(5):587 - 602 · November 2007, DOI: 10.1111/j.2007.0908-8857.03971.x
- David W. Winkler, Shawn M. Billerman, Irby J. Lovette: Bird Families of the World - An Invitation to the Spectacular Diversity of Birds. Lynx Edicions and the Cornell Lab of Ornithology, 2015, ISBN 978-84-941892-0-3, S. 197–201.