Gran Becca
Die Gran Becca ist eine Skirennstrecke oberhalb von Zermatt, Schweiz resp. Cervinia, Italien. Sie ist die erste grenzübergreifende und die höchstgelegene Ski-Weltcup-Rennstrecke in der Geschichte des Alpinen Skiweltcups. Der Start erfolgt auf der Gobba di Rollin oberhalb von Zermatt auf Schweizer Gebiet. Das Ziel befindet sich bei der Mittelstation Laghi Cime Bianche oberhalb von Cervinia in Italien. Die Piste erstreckt sich über rund vier Kilometer und knapp 1000 Höhenmeter.
Gran Becca | |
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Blick auf den Start (Fläche am ersten Horizont, links der Bildmitte) und den ersten Steilhang (Piste ganz rechts) | |
Ort: | Zermatt, Schweiz / Cervinia, Italien |
Berg: | Gobba di Rollin |
Abfahrt | |
Start: | 3800 m ü. A. |
Ziel: | 2865 m ü. A. |
Höhenunterschied: | 935 Meter |
Streckenlänge: | über 4000 Meter |
Höchstgefälle: | |
Geringstes Gefälle: | |
Durchschnittsgefälle: | |
Rekordsieger: | |
Die ersten Rennen sollen Ende Oktober/Anfang November 2022 stattfinden.[1]
Termin
Am 28. Januar 2022 teilte der Internationale Skiverband FIS mit, dass ab Winter 2022/23 vier Speedrennen am Matterhorn gefahren werden – je zwei Abfahrten für Frauen und Männer. Die Rennen werden im Spätherbst (Ende Oktober/Anfang November) nach dem traditionellen Saisonauftakt der Techniker in Sölden stattfinden. Dank den Rennen auf der neuen Gran Bocca haben die Speed-Athletinnen und -Athleten die Möglichkeit, einen Monat früher in die Saison zu starten. Auf Wunsch des FIS-Präsidenten Johan Eliasch wurde die Premiere um ein Jahr vorverschoben. Ursprünglich war diese im Weltcup-Kalender für den Winter 2023/24 vorgesehen. 2022/23 hätten erst Europacup-Rennen stattfinden sollen.[2][3]
Pistenname
Im italienischen Valtournenche, einer Nachbargemeinde des Zielortes Cervinia, wird das Matterhorn im lokalen Dialekt häufig «Gran Becca» genannt – der große Gipfel.
Streckenführung
Der Start der Herrenabfahrt liegt leicht unterhalb der Gobba di Rollin auf 3800 Meter. Der südlich des Kleinen Matterhorns liegende kleine Gletschergipfel befindet sich auf Schweizer Territorium und ist der höchste Punkt eines europäischen Skigebiets. Der Start der Frauen liegt etwas unterhalb demjenigen der Männer. Auf den Start folgt wenige Schwünge später die erste von drei Schlüsselstellen. Zuerst ein großer Sprung, dann ein Linksschwung in eine kleine Traverse, die in eine Gleitpassage mündet. Die Piste führt über das Plateau Rosa, einen Teil des Sommerskigebiets von Zermatt. Bei der Bergstation Testa Grigia überquert die Piste die Grenze nach Italien. Bei optimalen Bedingungen werden die Athleten hier eine Höchstgeschwindigkeit von über 135 km/h erreichen. Auf dem untersten Drittel der Strecke folgen zwei große Sprünge. Das Ziel befindet sich bei der Mittelstation Laghi Cime Bianche auf 2865 Metern Höhe.
Bei der Premiere 2022 wird der Start aus organisatorischen Gründen auf einer Höhe von 3700 Metern erfolgen. Grund dafür ist, dass die neue 3S-Seilbahn von Testa Grigia zum Klein Matterhorn, die Cervinia und Zermatt ganzjährig verbinden wird, erst im Frühjahr 2023 fertiggestellt werden kann. Die Fahrzeit der Herren dürfte sich um 15 bis 20 Sekunden reduzieren, aber immer noch knapp über zwei Minuten betragen.
Infrastruktur
Das Gebiet zwischen Klein Matterhorn und Cervinia wird seit Jahrzehnten während des ganzen Jahres intensiv für den Skisport genutzt. Die für die Rennen benötigte Infrastruktur besteht bereits zu einem sehr großen Teil. 95 Prozent der Pistenfläche wird bereits seit Jahren für touristische Zwecke genutzt. Zwei Drittel der Strecke führt über Gletscher. Dieser wird für die Rennen nicht mit Wasser präpariert. Sollte auf dem unteren Drittel Naturschnee fehlen, wird Schnee von einer bestehenden Anlage aus 100 Prozent Schmelzwasser produziert. Dank der großen Sturzräume braucht es keine fix installierten Masten. Für die Piste musste kein Baum gefällt werden.
Erbauer
Entworfen wurde die Strecke vom Schweizer Didier Défago, Abfahrts-Olympiasieger von 2010. Défago plante zusammen mit Bernhard Russi auch schon die Abfahrtsstrecke für die olympischen Winterspiele 2022 in Peking. «Nebst dem einzigartigen Panorama, der wilden Natur und natürlich dem Blick aufs Matterhorn überzeugt auch die Strecke an sich: Wir haben eine Abfahrt geschaffen, die komplett ist – von Sprüngen über lange Schwünge, Gleitpassagen bis hin zu Speed-Elementen ist alles vorhanden», sagt der Erbauer über seine Strecke.
Organisation
Treibende Kräfte hinter dem Grossprojekt Gran Becca sind Swiss-Ski, der italienische Wintersportverband FISI sowie die Tourismus-Destinationen Zermatt und Cervinia. Präsident des Organisationskomitees ist der Verwaltungsratspräsident der Zermatt Bergbahnen AG Franz Julen. Für die sportliche Organisation der Rennen wurde ein Expertenteam aus Gröden verpflichtet. Dieses bringt mit der Organisation der jährlichen Skirennen auf der Saslong die nötige Erfahrung im Skiweltcup mit. Der ehemalige Skirennfahrer Pirmin Zurbriggen arbeitet außerdem als Berater und Botschafter am Projekt mit. Für die Vermarktung ist Swiss-Ski zuständig. Als Produzentin der Fernsehübertragung ist die schweizerische SRG SSR eingeplant.[4]
Nebst vielen weiteren Punkten muss bis zum ersten Rennen noch geklärt werden, in welchem Land das Preisgeld versteuert werden muss und ob, wie bei anderen Skirennen in der Schweiz, Schweizer Soldaten auch auf dem italienischen Teil der Piste arbeiten dürfen.[5][6]
Kritik
Die Rennen auf der neuen Strecke sind aus verschiedenen Gründen nicht unumstritten.[7][8]
Höhe
Der italienische Skirennfahrer Dominik Paris stuft die Strecke aufgrund der Mischung aus Höhenlage und langen Gleitstücken als gefährlich ein. Er glaubt nicht, dass es der Sicherheit diene, wenn man die Abfahrts-Saison mit einem Rennen, dessen Laufzeit mehr als zweieinhalb Minuten beträgt, auf einer Höhe von 3800 Metern starten müsse. Ursprünglich hätte die Piste die längste Rennstrecke der Welt werden sollen. Pistenbauer Didier Défago kürzte die Strecke aus Sicherheitsgründen um ca. 1000 Meter.
Wetter
Das Wetter auf 3800 Metern kann unberechenbar sein und muss als gewisses Risiko betrachtet werden. Die Wetterstatistiken der letzten Jahre zeigen zwar für den November sehr oft längere, stabile Hochdrucklagen mit relativ warmen Temperaturen an. Der Schweizer Skirennfahrer Beat Feuz hat trotzdem Bedenken, dass der unberechenbare Wind für einen unfairen Wettkampf sorgen könnte.
Termin und Umwelt
Der Termin Ende Oktober/Anfang November sorgt ebenfalls für Kritik. Zu den prominentesten Kritikern gehört der ehemalige deutsche Skirennfahrer und heutige ARD-Skiexperte Felix Neureuther. Er meint: «Der Skisport hat die große Aufgabe, seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. Mit einer Abfahrt anfangs November auf einem Gletscher und zu einem Zeitpunkt, wo die Gletscher schmelzen, macht man sich angreifbar.» Der ORF-Skiexperte Hans Knauß gibt weiter zu bedenken: "Weil es in Europa abseits von Zermatt keine geeignete Abfahrts-Piste auf dem Gletscher gibt, können im Sommer einzig die Schweizer optimal trainieren. Deshalb würde eine Abfahrt Anfang November für die meisten anderen Teams zu früh kommen". Der FIS-Präsident Eliasch entgegnete auf die Kritiken: "Alle Teams werden das ganze Jahr über von Vor-Ort-Trainings profitieren können. Dies wird Reisen zu Langstrecken-Austragungsorten in der südlichen Hemisphäre reduzieren und wird zum Engagement der FIS beitragen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren."
Podestplatzierungen
Herren
Saison | Datum | Sieger | 2. Platz | 3. Platz |
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2022/23 | Herbst 2022 | |||
Damen
Saison | Datum | Sieger | 2. Platz | 3. Platz |
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2022/23 | Herbst 2022 | |||
Geschichte der Skirennen in Zermatt
- In den Jahren 1946 bis 1967 fand alljährlich das internationale Gornergrat-Derby statt. Die weltbesten Skifahrer und Skifahrerinnen nahmen daran teil und machten es zu einem der bedeutendsten internationalen Skirennen. Auf der heute als «Obere National» bezeichneten Piste am Blauherd fanden Abfahrten und Riesenslaloms statt. Der Riesenslalom wurde später durch einen Spezialslalom ersetzt. Das Gornergrat-Derby dauerte jeweils drei Tage: Freitag, Samstag und Sonntag.[9][10] Die Einführung des Alpinen Weltcups 1967 bedeutete zugleich das Aus für das Gornergrat-Derby sowie die Blauherdabfahrt. In Zermatt fand nie ein Weltcuprennen statt. Grund dafür war, dass der internationale Skiverband den Nationalverbänden zu Beginn des Weltcups pro Geschlecht nur zwei fixe Austragungsorte bewilligte und diese waren in der Schweiz bei den Männern Wengen und Adelboden.[11]
- 2012 kam die Idee auf, am Gornergrat eine Abfahrts- und Super-G-Strecke durch den renommierten Pistenbauer und ehemaligen Skirennfahrer Bernhard Russi bauen zu lassen. Das Projekt wurde nie in die Tat umgesetzt.[12]
- Am 30. November 2019 trafen sich die Verantwortlichen der beiden zusammenhängenden Skigebiete von Zermatt und Cervinia zum jährliche Strategie-Meeting der Bergbahnen in Cervinia. Federico Maquignaz, der CEO der Bergbahnen von Cervinia, brachte den Vorschlag, ein grenzüberschreitendes Weltcuprennen zu organisieren, seinen Kollegen aus Zermatt vor. Franz Julen Verwaltungsratspräsident und Markus Hasler CEO der Zermatt Bergbahnen AG waren sofort von der Idee begeistert. Auch der damalige FIS-Präsident Gian Franco Kasper sagte im Januar 2020: «November-Abfahrten in Zermatt – das passt wunderbar in unseren Kalender. Wir stehen voll und ganz hinter dem Projekt.»[13][14]
- Anfangs Oktober 2021 hat die FIS das Rennen am Fuß des Matterhorns in den Kalender gehoben. FIS-Präsident Johan Eliasch zeigte erfreut über die Idee, den Skisport auf diese „innovative“ Weise voranzubringen. Für Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann wird damit eine besserer Chancengleichheit zwischen Technikern und Speed-Skifahrern in der Weltcup-Saison erreicht und FISI-Präsident Flavio Roda meint: „Wir können eine Lücke im Rennkalender schließen und die Saison abrunden“.[15]
Weblinks
Einzelnachweise
- Zermatt-Tourismus: "Gran Becca: Die neue Strecke im Weltcup-Kalender" vom 26. November 2021
- Zermatt/Cervinia included in Alpine World Cup calendar 2022/23 FIS-Pressemeldung vom 28. Januar 2022
- «Meilenstein in Geschichte» - Vier Weltcup-Abfahrten am Matterhorn bereits im kommenden Winter In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 28. Januar 2022
- Weltcup-Skirennen vor dem Matterhorn – ein kühnes Vorhaben kommt flott voran In: Neue Zürcher Zeitung vom 13. Mai 2021
- Bereits in der nächsten Saison werden auf dem Matterhorn Rennen gefahren In: Sport.ch vom 28. Januar 2022
- Revolutionäres Skirennen am Matterhorn - Zurbriggen und Russi helfen: In Zermatt wird schon 2022 gefahren In: Der Bund vom 28. Januar 2022
- Leidet die Glaubwürdigkeit? - Eine Abfahrt Anfang November: Matterhorn-Rennen sorgt für Kritik In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 25. Oktober 2021
- Neue Weltcup-Abfahrt in Zermatt doch kürzer als geplant In: Schneehoehen.ch vom 24. August 2021
- 16. Internationales Gornergrat-Derby 1961 auf memovs.ch
- Skiclub Zermatt: Gornergrat-Derby
- Der grosse Kampf ums Lauberhorn - Jetzt bringt sich Zermatt als Joker ins Spiel! In: Blick online vom 15. Januar 2020
- Spektakel am Matterhorn - Zermatt will wieder Weltcup-Rennen In: Blick online vom 2. März 2012
- Bei Zermatt-Abfahrt würden Stars über Landesgrenze donnern! In: Blick online vom 24. Mai 2020
- Kein Angriff auf das Lauberhorn – aber Zermatt will eine Weltcup-Abfahrt bis nach Italien In: Neue Zürcher Zeitung vom 21. Mai 2020
- Alpiner Ski-Weltcup: Start in Italien, Ziel in der Schweiz In: FAZ vom 1. Oktober 2021