Grünberger Handschrift
Als Grünberger Handschrift (tschechisch rukopis zelenohorský, abgekürzt oft RZ) wird eine literarische Fälschung bezeichnet, die angeblich 1817 auf Schloss Grünberg bei Nepomuk gefunden wurde.
Beschreibung
Die Grünberger Handschrift besteht aus acht beschriebenen Seiten auf zwei Pergament-Doppelblättern. Die Doppelseiten sind grob verarbeitet, erkennbar beschädigt und messen 22,4 × 18 cm. Der fortlaufende Text ist mit einer Eisen-Kupfer-Tinte geschrieben, die heute grün ist und früher angeblich eine schwarze Kruste hatte. Verziert ist der Text mit vier zinnoberroten Initialen und einigen zinnoberroten Großbuchstaben. Außerdem kommen häufig winzig kleine rote Zeichen vor, deren Zweck unbekannt ist. Der Text ist ohne Leerzeichen (in continuo) geschrieben, die Anfangsbuchstaben der Wörter sind mit zinnoberroten Wurzelrubriken versehen.
Inhalt
Die Handschrift enthält Fragmente der in alttschechischer Sprache abgefassten Gedichte Sněmy (Der Landtag) und Libušin soud (Das Gericht der Libussa) mit dem Thema: Konflikt der Brüder Chrudoš und Šťáhlav um das Erbe und ihrer Aburteilung durch die Fürstin Libuše.
Geschichte
(Zum historischen Hintergrund und dem Streit um die Echtheit siehe auch: Königinhofer Handschrift)
Die Grünberger Handschrift soll im Herbst 1817 von Josef Kovář auf Schloss Grünberg entdeckt worden sein, der sie anonym an den Fürsten Kolowrat als Geschenk für das neu gegründete Nationalmuseum sandte.
Es wurde angenommen, dass diese Sammlung aus dem 8. oder 9. Jahrhundert stamme. Entspräche dies den Tatsachen, wären es die ältesten überlieferten Handschriften in ganz Böhmen. Die Handschrift wurde in der Zeit der Tschechischen Nationalen Wiedergeburt zusammen mit der ebenfalls gefälschten Königinhofer Handschrift zu einem nationalistischen Symbol.
Tomáš G. Masaryk und anderen gelang es ab 1886, die Falschheit dieser Werke wissenschaftlich nachzuweisen. Vermutlich sind die Autoren Václav Hanka und Josef Linda.
Heute wird die Handschrift in der Abteilung für kostbare Handschriften des 19. Jahrhunderts im Nationalmuseum (Národní muzeum) in Prag aufbewahrt, aber aus Gründen ihres schlechten Zustands nicht mehr ausgestellt.
Literatur
- Zelenohorský rukopis, in: Ottův slovník naučný, Band XXVII, S. 529–534.
- Mojmír Otruba (Hrsg.): Rukopisy královédvorský a zelenohorský: Dnešní stav poznání. Prag 1969.
- Václav Vladivoj Tomek: Die Grünberger Handschrift. Zeugnisse über die Auffindung des „Libušin soud.“ Aus der Böhmischen Museumszeitung übersetzt von Jakob Malý. Museum des Königreichs Böhmen, Prag 1859 (Digitalisat bei Google Books).
- Die ältesten Denkmäler der böhmischen Sprache: Libusǎ’s Gericht, Evangelium Johannis, der Leitmeritzer Stiftungsbrief, Glossen der Mater verborum, kritisch beleuchtet von Paul Joseph Šafařik und Franz Palacky. Kronberger und Riwnać, Prag 1840 (Digitalisat bei Google Books).
- Die Handschriften von Grünberg und Königinhof. Altböhmische Poesien aus dem IX. bis XIII. Jahrhundert. Eingeleitet und übersetzt von Siegfried Kapper. Bellmann, Prag 1859 (Digitalisat bei Google Books).
Weblinks
- Umfangreiche Seiten zu den Königinhofer und Grünberger Handschriften von Verteidigern der Echtheit (mit Digitalisat und ausführlicher Bibliographie; tschechisch, auch deutsche Texte)