Glockengießerei Rudolf Perner
Die Glockengießerei Rudolf Perner ist eine deutsche Glockengießerei in Passau. Ihre Produkte sind weltweit verbreitet. Im Jahre 2009 goss sie die über zehn Tonnen schwere Christus-Salvator-Glocke für die Klosterkirche Heilig Kreuz und Mariä Himmelfahrt in Scheyern. Ende 2013 wurde der Gussbetrieb zunächst eingestellt und nach betrieblichen Umstrukturierungen 2016 wieder aufgenommen.[1]
Geschichte
Pilsner- und Budweiser-Linie
Die Gießerfamilie stammt wahrscheinlich aus Brixen. Seit mindestens 1701 wurden von Jan (Johann) Perner in Pilsen Glocken gegossen. In dieser Stadt gibt es heute noch den Glockenhof (Zvony dvor). Die ersten nachweislich dokumentierten Glocken aus Pilsen befanden sich in Ledce, Diözese Pilsen. Sie wurden im Zuge der Glockenrequirierung im Ersten Weltkrieg zerstört. Die Glocken der Pilsener Glockengießer wurden von der Universität Prag (Tomas Chvatal) katalogisiert und fotografisch dokumentiert.
Die Gießerei in Budweis wurde 1760 von Johann Josef Perner gegründet, einem Nachkommen der in Pilsen ansässigen Glockengießerfamilie Perner. 1718 goss der Pilsener Gießer die älteste noch erhaltene Perner-Glocke für die Basilika zu Waldsassen. Sein Bruder Matthias zog nach Eichstätt, um in der dortigen Kanonen- und Stückgießerei tätig zu werden und heiratete dort 1729 die Glockengießerwitwe Stapf.[2] Die Pilsener Linie starb 1904 mit Robert Perner aus. Die Budweiser Linie wurde von Rudolf II. Perner fortgeführt. Er übernahm 1928 den Budweiser Betrieb von seinem Vater Rudolf I.
Umzug nach Passau
Rudolf II. Perner verlegte den Betrieb 1947 nach Passau. Er entwickelte die Perner Dur-Rippe (Glocken mit großer Terz im Teiltonaufbau).
1956 wurde das Bundespatent auf die Läutemaschine System P-F (Perner Feichtinger) erteilt.
1968 wurde der Betrieb von Rudolf III. übernommen. Dieser starb aber bereits 1973 im Alter von 43 Jahren. Rudolf II. Perner übernahm daher nochmals seinen früheren Betrieb und führte ihn bis zu seinem Tod 1982. In der Zwischenzeit wurde der Betrieb von den Familienmitgliedern geführt. Durch die Vererbung wurde das Unternehmen in die Rudolf Perner GmbH & Co KG und die Glockengießerei Perner GmbH aufgeteilt.
1985 wurde das Europapatent auf die erste elektronisch geregelte Läutemaschine erteilt. Das Grundprinzip, einen Impuls des Motors auf die Läutehöhe umzurechnen und diese entsprechend zu regeln, ist heute in allen gängigen Läutemaschinen zu finden, die eine dynamische Regelung der Glocke ermöglichen und den Läutewinkel konstant halten.
Seit 1987
1987 übernahm Rudolf jun. das Unternehmen noch während der Ausbildung als Gesellschafter. Nach Studium an der Universität Passau und Ausbildung zum Glockengießer übernahm er die Geschäftsführung 1993 und legte 2001 die Meisterprüfung im Glockengießerhandwerk ab.
2001 wurde der Glockenstuhl für die Berliner Freiheitsglocke hergestellt. Zu diesem Zweck war die Glocke vom Schweißwerk zur Gießerei transportiert worden und dort schon zur Probe geläutet, um den Klöppel optimal einstellen zu können.
1998 wurde die Karlsruher Glockengießerei von der Carl Metz GmbH übernommen. Der 1904 in Karlsruhe gegründete Betrieb wurde 2002 dann in den Standort Passau integriert. Somit ist die eigentliche Glockengießerei der Karlsruher Gießertradition der Gebrüder Bachert zusammen mit der Tradition von Friedrich Wilhelm Schilling (Heidelberg) 2002 in Passau zusammen gekommen.
In den verschiedenen Traditionen von Glockenrippen können individuelle Geläute mit einzigartigen Klangfarben hergestellt werden. In Sandl in Oberösterreich, in Windischgarsten, in St. Florian, in Veiprty (Tschech. Republik) und in vielen weiteren Orten wurden in der Zusammenarbeit der Gießereien Geläute in eigenen Harmonien gegossen (verschiedene Rippen, Moll- und Durglocken).
2003 wurde die alte Rippe des Glockengießers Matthias Perner rekonstruiert, eine Klein-Septimerippe, mittelschwer.
Mit dieser Rippe wurden Glocken für den Eichstätter Dom (historisches Geläute) und später für die Karlskirche in Wien gegossen.
Im Jahr 2005 war die Firma auf der Internationalen Handwerksmesse München IHM vertreten. Das neue Geläut für St. Magdalena in Linz diente samt Läutemaschinen und Glockenstuhl als Ausstellungsobjekt.
Zwischen 2013 und 2016 wurde der Gussbetrieb eingestellt, das Unternehmen umstrukturiert und von „Rudolf Perner GmbH & Co.KG“ in „Glockengießerei Perner GmbH“ umfirmiert. Heute bildet die Instandsetzung bestehender Glockenanlagen das Hauptgeschäft, die eigentliche Glockengießerei ist zum Nebenzweig der unternehmerischen Tätigkeit geworden.
Die Glockengießerei Perner GmbH beschäftigt heute ca. 15 festangestellte Mitarbeiter in Passau und 6 Mitarbeiter in einem Montagebetrieb in Österreich.
Einzelne Produkte
Vorhandene Glocken stehen in eckigen Klammern:
- Berlin-Lankwitz, Mater Dolorosa: 3 Glocken (e1–g1–a1); 1963[3]
- Eberswalde, Maria-Magdalenen-Kirche, 2 Glocken: Barbara, cis1, 2.000 kg und Missale, e1, 1.200 kg; gegossen in Karlsruhe 2002
- München, Liebfrauendom: 3 Glocken, Cantabona, Speciosa und Michael ([a0–c1–d1–es1–e1–]g1[–a1]–h1–c2[–es2]); 2003
- München, Heilig-Geist-Kirche. 1 Glocke, c2, 300 kg; Brezenreiterglocke. 27. Mai 2012. Gegossen in Passau.
- München, Offenbarungskirche: 1 Glocke, cis2 2018 (als Ersatz zur gesprungenen cis2 von Karl Czudnochowsky 1950) zu drei Glocken (gis1, h1, dis2 1962 Gebr. Bachert);
- Neunburg vorm Wald, Versöhnungskirche: cis2, 230 kg, 745mm Durchmesser, e2, 135 kg, 619mm Durchmesser, fis2, 93 kg, 552mm Durchmesser. Hörbeispiel
- Niederalteich, Klosterkirche St. Mauritius: Mauritiusglocke (as0[–c1–es1–f1–as1]), 4.820 kg, Ø 2.000 mm; 2003
- Passau, Dom: Pummerin (fis0), 1951 und Misericordia (g0); 1999
- Regensburg, Dom St. Peter: 5 Glocken ([g0]–a0–[h0]–d1–e1–[e1]–g1–d2); 1961, 1965 und 2000
- Ulm, St. Michael zu den Wengen: 5 Glocken (h0, cis1, dis1, fis1, gis1); 1962
- Eichstätt, Dom St. Willibald, 1 Glocke a1, 770 kg in schwerer Schillingrippe, gegossen 2003 in Passau
- Würzburg, Dom St. Kilian, Zimbelgeläute in überschwerer Schillingrippe 8 Glocken
- Rohr, Klosterkirche Mariä Himmelfahrt: 4 Glocken (h0–dis1–[fis1]–gis1–h1–[cis2]); 1974 und 1975[4]
- Scheyern, Klosterkirche Hl. Kreuz: 11 Glocken, darunter die Christus-Salvator-Glocke (e0–gis0–h0–cis1–[fis1]–gis1–[ais1]–h1–cis2–e2–fis2–[gis2]–a2–h2); 2009
- Vilsbiburg, Wallfahrtskirche Maria Hilf: 5 Glocken (as0-c1-es1-f1-g1), darunter die as0-Glocke als eine der größten Durglocken Deutschlands; 1953 und 1959
- Waldsassen, Basilika Ss. Johannes und Maria: 1 Glocke (es1), 1.900 kg; 1718 von Johann Josef Perner
- Budapest, Sz. Istvan Bazilika, f0, 1990, 9250kg, 245cm, und des1 (Dur) f1 as1 b1 1993
- Budapest, Matyas Templom 2010, neues Geläute as0-(b0-alte Glocke von Ferenc Walser, 1896)-des1-es1-(f1-von 1723)-as2, mit zwei Holzglockenstühlen und Gegenpendelanlage
- Liběšice u Žatce (Liebeschitz bei Saaz), Glocke „Maria“ (a1) für die Wallfahrtskirche St. Martin, gegossen im Oktober 2017, geweiht am 5. November 2017 durch den Leitmeritzer Bischof Jan Baxant
Einzelnachweise
- Glockengießerei Perner hat Gußbetrieb wieder aufgenommen, Online auf www.wamsiedler.de Abgerufen am 31. Juli 2017.
- Josef Ettle: "Wie herrlich, wie rein und wohlklingend". In: Eichstätter Kurier. 29. Mai 2009, abgerufen am 28. Dezember 2021.
- Mater Dolorosa – Glocken. Online auf www.mater-dolorosa-lankwitz.de. Abgerufen am 8. April 2016.
- Pfarr- und Klosterkirche Rohr – Glocken. Online auf glockenklaenge.de. Abgerufen am 8. April 2016.
Weblinks
- Offizielle Website
- Glockengießerei Perner stellt Gussbetrieb ein
- Letzter Glockenguss in der Glockengießerei Perner