Gitterschale
Eine Gitterschale oder Netzschale[1] ist ein räumliches Tragwerk mit den statischen Eigenschaften einer Schale, kann also Belastungen sowohl senkrecht als auch in ihrer Ebene aufnehmen. Es wird erzeugt durch Biegung ebener Stäbe.[2]
Strukturelemente
Im Gegensatz zu den Schalen (= Flächentragwerke, also Tragwerken aus flächigen Elementen) bestehen Gitterschalen aus länglichen Elementen und basieren somit auf Stabwerken. Die Elemente sind gitterförmig angeordnet und zeigen damit Parallelen zu Seilnetzen. Gitterschalen sind wie alle Schalen einfach oder doppelt gekrümmt. Das flächige Pendant wären Gitterroste (Plattenwirkung) und Gitterträger (Scheibenwirkung).
Die Gitterschalen bestehen aus Geflechten im strukturellen Sinn, bei denen viele relativ schwache, lineare Glieder durch viele Verbindungen verknüpft werden. Dabei liegen sie auf einer Mantelfläche, die einen Raum umschließt. So entsteht ein räumliches Tragwerk von insgesamt hoher Festigkeit. Das Flechten wird dabei selten wörtlich in den großen Maßstab übertragen, meist aber in recht abstrakter Weise.
Entwurf
Das Ziel des Entwurfs von Gitterschalen ist der Membranzustand, also ein momentenfreier Zustand. Als Voraussetzung dafür gilt eine kontinuierliche, doppeltgekrümmte Formgebung. Für die statische Auslegung von Schalen kann der entwerfende Ingenieur auf leistungsfähige Softwareprogramme zurückgreifen. Diese führen nach relativ einfacher Eingabe von Geometrie- und Lastwerten zu übersichtlichen Ergebnisdarstellungen. Trotzdem hilft ein solides theoretisches Wissen zum Tragverhalten von Schalen, um durch den Entwurf zu einem ästhetischen und effizienten Tragwerk der Gitterschale zu gelangen.[3]
Praktische Verwendungsszenarien
Gitterschalen werden vorrangig für Dachkonstruktion eingesetzt. Die tragende Konstruktion besteht zumeist aus Stahl oder Holz. Darauf können zum Beispiel Halteprofile aus Aluminium für eine Deckung mit Glasscheiben befestigt sein. In dieser Form ist beispielsweise der 13,5 Meter breite und 37 Meter lange, historische Innenhof des Maximilianmuseums in Augsburg mit einer Stichhöhe von 4 Meter überdacht.[4]
Anwendungsbeispiele
- Japanischer Pavillon auf der Expo 2000 aus Papprollen von Shigeru Ban
- Mehrere Holzgitterschalen in der Form von Sattelflächen auf der Expo 2000
- Wohnhaus mit Zollingerdach in Schweicheln-Bermbeck, NRW
Siehe auch
Weblinks
Beispiele:
- Multihalle – Gitterschale in Mannheim auf www.proholz.at
- Weald and Downland Living Museum – Gitterschale aus Frischholz auf www.baunetzwissen.de
- Deutsches Historisches Museum Berlin – Gitterschale von I.M. Pei auf www.baunetzwissen.de
- Odeon (München) – Odeon (München) (Memento vom 6. Januar 2013 im Webarchiv archive.today)
- Zollingerdach – Zollinger Lamellendach (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.today)
- Flugzeughangar Orvieto – Gitterschale von Pier Luigi Nervi auf structurae.de
- Gitterschalen von Frei Otto (Memento vom 12. November 2007 im Internet Archive)
- Wladimir Schuchow – Gittertürme und Gitterschalen auf YouTube
Literatur
- Hans Schober, Sven Plieninger, Stefan Justiz: Transparente Schalen: Form, Topologie, Tragwerk. Ernst & Sohn, 2015, ISBN 978-3-433-60598-1.
Einzelnachweise
- Sven Plieninger, Daniel Gebreiter, Jörg Mühlberger: Glasbau 2015. Hrsg.: Bernhard Weller, Silke Tasche. 1. Auflage. Ernst & Sohn, 2015, ISBN 978-3-433-60611-7, Die Netzschale der Jinji Lake Mall, S. 101 ff.
- Jan Knippers, Jan Cremers, Markus Gabler: Atlas Kunststoff + Membranen. 1. Auflage. 2010, ISBN 978-3-95553-003-7, Tragwerk und Form, S. 134.
- Hans Schober, Sven Plieninger, Stefan Justiz: Transparente Schalen: Form, Topologie, Tragwerk. Ernst & Sohn, 2015, ISBN 978-3-433-60598-1, S. 14.
- Jan Wurm: Glas als Tragwerk. Birhäuser, 2007, ISBN 978-3-7643-7607-9, S. 212.