Gitelman-Syndrom
Das Gitelman-Syndrom ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Nierenkrankheit. Es ist eine Tubulopathie.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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E26.8 | Sonstiger Hyperaldosteronismus - Gitelman-Syndrom |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Genetik
Das für das Gitelman-Syndrom verantwortliche SLC12A3-Gen [Solute carrier family 12 (sodium/potassium/chloride transporters), member 3] liegt beim Menschen auf Chromosom 16 Genlocus q13.
Mutationen im SLC12A3-Gen führen zum Gitelman-Syndrom. Das Gen kodiert das NCC-Protein (Thiazid-sensitiver NaCl-Co-Transporter), das im distalen Konvolut der Tubuli (distal convoluted tubule, DCT) des Nephrons in den Nieren für den transepithelialen Transport von Kochsalz (NaCl) verantwortlich ist. Über 100 verschiedene Mutationen, die sich über das gesamte Protein verteilen, sind bekannt.[1]
Prävalenz
Das Gitelman-Syndrom manifestiert sich erst, wenn die mutierten Allele in homozygoter Form vorliegen. Die Krankheit ist aus diesem Grund ausgesprochen selten.[2]
Die Prävalenz heterozygoter Merkmalsträger liegt nach Schätzungen mindestens bei 1 %.[3] Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet liegt die Prävalenz des Gitelman-Syndroms bei etwa 2:100.000.[4]
Symptome und Diagnostik
Die Symptome des Gitelman-Syndroms treten erstmals im Alter von ungefähr sechs Jahren auf.[1] Die Symptome können dabei ein breites Spektrum abdecken. So verläuft das Gitelman-Syndrom in einigen Fällen auch symptomlos. Von milden Symptomen, wie leichten Muskelkrämpfen und Müdigkeit, über Bauchschmerzen und Erbrechen bis hin zu schweren Manifestationen, wie krampfartigen Störungen in der Motorik (Tetanien), vollständiger Lähmung der Skelettmuskeln (Plegien) und Auflösung der quergestreiften Muskelfasern (Rhabdomyolyse), reicht dabei das Spektrum.[5][4]
Im Blut zeigt sich das Gitelman-Syndrom durch einen Magnesium- und Kaliummangel (Hypomagnesiämie bzw. Hypokaliämie) und im Urin durch eine entsprechend vermehrte Ausscheidung von Magnesium (Hypermagnesiurie). Im Urin ist des Weiteren eine verminderte Ausscheidung von Calcium (Hypokalziurie) messbar.[6] Die Ursachen der Hypomagnesiämie und der Hypokalziurie sind noch weitgehend unklar.[1] Im Gegensatz dazu liegt bei dem verwandten Bartter-Syndrom eine Hyperkalziurie vor. Bei den betroffenen Patienten manifestiert sich das Gitelman-Syndrom noch durch eine hypokaliämische Alkalose, durch einen renalem Salzverlust und durch einen erniedrigten Blutdruck (arterielle Hypotonie).[7][8][2]
Therapie
Die Therapie erfolgt abhängig von den Symptomen. Neben der Gabe von Magnesium-, Natrium- und Kalium-Ionen, können ACE-Hemmer und Spironolacton verabreicht werden.
Verlauf und Prognose
Die Prognose ist bei einer entsprechenden Therapie und Therapiekontrolle günstig. Über die Langzeitauswirkungen liegen noch zu wenige Daten vor.
Geschichtliches
Das Gitelman-Syndrom wurde erstmals 1966 von Hillel J. Gitelman (1932 bis 2015) beschrieben.[9] Bei einigen Patienten, die Symptome des Bartter-Syndroms zeigten, stellte Gitelman eine Reihe von unterschiedlichen Symptomen fest. So bemerkte er, dass diese Krankheit – im Vergleich zum Bartter-Syndrom – deutlich später ausbricht und sich nicht auf die Körperlänge der Patienten auswirkt. Ebenso entwickeln sie weder eine Polyurie noch eine Polydipsie.[10] Es kommt auch nicht zur Niereninsuffizienz.
Einzelnachweise und Fußnoten
- I. Meij, N. Knoers: Gitelman syndrome In: Orphanet encyclopedia. Mai 2003.
- Roland Schmitt: Die Expression von Natrium-Transportproteinen im distalen Rattennephron während der Ontogenese. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 2000.
- A. Voiculescu: Unverändert eine Herausforderung - Diagnostik und Therapie der Hypokaliämie. In: Der Klinikarzt. 35, 2006, S. 348–352, doi:10.1055/s-2006-954831.
- Henning Ott: Mutationsanalysen bei hereditären Salzverlusttubulopathien. Dissertation, Philipps-Universität Marburg, 2004.
- D. N. Cruz u. a.: Gitelman’s syndrome revisited: An evaluation of symptoms and health-related quality of life. In: Kidney Int. 59/2001, S. 710–7.
- A. Bettinelli u. a.: Use of calcium excretion values to distinguish two forms of primary renal tubular hypokalemic alkalosis: Bartter and Gitelman syndromes. In: J. Paediatr. 120/1992, S. 38–43.
- D. B. Simon u. a.: Gitelman´s variants of Bartter´s syndrome, inherited hypokalaemic alkalosis, is caused by mutations in the thiazide-sensitive Na Cl cotransporter. In: Nature Genetics. 12/1996, S. 24–30.
- D. B. Simon, R. P. Lifton: Ion transporter mutations in Gitelman´s and Bartter´s syndromes. In: Curr. Op. Nephrol. Hypert. 7/1998, S. 43–47.
- Hillel J. Gitelman u. a.: A new familial disorder characterized by hypokalemia and hypomagnesemia. In: Trans. Assoc. Am. Phys. 79/1966, S. 221–235. PMID 5929460
- whonamedit: Gitelman's syndrome, abgerufen am 14. April 2008.
Literatur
- M. J. Lentze, Klaus Heyne: Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. Springer, 2003, ISBN 3-540-43628-6.
- K. Lhotta: Tubuläre Nierenerkrankungen. In: Wiener klinische Wochenschrift Education. 2/2007, S. 59–71. doi:10.1007/s11812-007-0023-z
- H. J. Gitelman: Hypokalaemia, hypomagnesiaemia, and alkalosis: A rose is a rose-or is it? In: J. Paediatr. 120/1992, S. 79–80.
- N. V. Knoers, E. N. Levtchenko: Gitelman syndrome. In: Orphanet J Rare Dis. 2008 Jul 30;3, S. 22. PMID 18667063, PMC 2518128 (freier Volltext)
Weblinks
- Gitelman-Syndrom. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
- Gitelman-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
- Bartter Syndrome and Gitelman Syndrome (engl.)