Gerry Weber
Die Gerry Weber International AG ist ein börsennotiertes deutsches Unternehmen der Modeindustrie (Damenoberbekleidung) mit Sitz in Halle (Westf.). Der Vorstand besteht aus Alexander Gedat (CEO), Angelika Schindler-Obenhaus (COO) und Florian Frank (CRO).
GERRY WEBER International AG | |
---|---|
Rechtsform | Aktiengesellschaft |
ISIN | DE000A255G36 |
Gründung | 1973 |
Sitz | Halle (Westf.), Deutschland |
Leitung | Alexander Gedat Vorstandsvorsitzender, Angelika Schindler-Obenhaus (Chief Operating Officer), Florian Frank (Chief Restructuring Officer) |
Mitarbeiterzahl | 2.627 (H1 Bericht 08.2020) |
Umsatz | 330 Mio. Euro (Geschäftsbericht 2019 / Rumpfgeschäftsjahr 04-12.2019) |
Branche | Textilwirtschaft |
Website | group.gerryweber.com |
Stand: 26. August 2020 |
Das Unternehmen erzielte im Rumpfgeschäftsjahr 2019 (April bis Dez. 2019) einen Umsatz von 331,5 Mio. Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) betrug 130 Mio. Euro.[1]
Geschichte
Die Gerry Weber International AG geht auf die am 1. März 1973 in Halle (Westf.) von Gerhard Weber und Udo Hardieck gegründete Hatex KG zurück. Zunächst produzierte und vertrieb das Unternehmen Damenhosen, rasch wurde das Sortiment im Bereich Damenmode ausgebaut. In den Folgejahren wurden Teile der Produktion an Auftragnehmer ins Ausland vergeben (sogenannte Zwischenmeister). 1986 wurde der Markenname „Gerry Weber“ (nach dem Firmengründer Gerhard Weber) weltweit geschützt und erlangte durch das Sponsoring von Steffi Graf rasch Bekanntheit.
Im Jahr 1989 erfolgte der Börsengang und die Umbenennung in Gerry Weber International AG. Ebenfalls 1989 kam als weitere Modelinie die Taifun-Collection hinzu, 1994 folgte die Samoon-Collection für Damen mit Anschlussgrößen; die Produktion wurde zunehmend ins Ausland verlagert. Ab dem Jahr 2000 vergab das Unternehmen auch Lizenzen unter dem Label Gerry Weber (Schuhe, Brillen, Düfte, Taschen, Schmuck). 2006 wurde eine Herren-Kollektion unter dem Markennamen Gerry Weber Men geschaffen, die zunächst als Lizenz vergeben, ab 2008 eigengefertigt und 2009 vom Markt genommen wurde.
Im November 2011 übernahm Gerry Weber das österreichische Modeunternehmen Don Gil.[2]
Im Januar 2015 wurde bekannt, dass Ralf Weber, Sohn des Unternehmensgründers, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens werde.[3] Im Februar 2015 übernahm Gerry Weber nach Zustimmung des Kartellamtes das Modeunternehmen Hallhuber.[4][5] 2016 schloss das Unternehmen aus finanziellen Gründen 103 Filialen, davon zwei Drittel im Inland.[6] Im Dezember 2016 wurde bekannt, dass das Unternehmen außerdem eine große Immobilie in Düsseldorf veräußert habe.[7]
Im Sommer 2016 startete Gerry Weber eine neue Damenmodemarke mit Namen „talkabout“. Diese wird nicht in den konzerneigenen Geschäften verkauft, sondern über ausgewählte Partner.[8]
Am 25. Januar 2019 stellte die Muttergesellschaft Gerry Weber International AG mit rund 580 Mitarbeitern beim Amtsgericht Bielefeld den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung.[9] Von dem Insolvenzantrag war zunächst ausschließlich Gerry Weber International AG betroffen. Nicht betroffen waren demnach Tochtergesellschaften wie beispielsweise Hallhuber.[10] Am 8. Februar 2019 wurde mitgeteilt, dass die Gerry Weber Retail GmbH ebenfalls Insolvenzantrag gestellt hat. Für Hallhuber konnte eine Brückenfinanzierung durch einen Investor erreicht werden, der auch eine Kaufoption bekam, die dann im Juli 2019 gezogen wurde. In einem Interview mit dem Spiegel sagte Unternehmensgründer Gerhard Weber im Frühjahr 2019, der Bau eines Logistikzentrums, das 2015 in Künsebeck in Betrieb ging, sei zu groß und zu teuer gewesen.
Im April 2019 wurde die Schließung von 120 Gerry-Weber-Läden in Deutschland bis Ende 2021 im Rahmen der Restrukturierung des Unternehmens bekannt.[11] Im August 2019 legte Gerry Weber einen Insolvenzplan vor, über den die Gläubiger am 18. September 2019 abstimmen sollen.[12] Die Altaktionäre wurden in der Phase aus dem Unternehmen entfernt, Filialen und Stellen wurden abgebaut, die britischen Finanzinvestoren Robus, Whitebox und J.P. Morgan finanzierten das laufende Geschäft. Das Amtsgericht Bielefeld hob das Insolvenzverfahren nach Konzernangaben zum 1. Januar 2020 auf.[13] Im Juni 2020 stimmten die Insolvenzgläubiger mehrheitlich zu, 35 Prozent ihrer Forderungen bis Ende 2023 zu stunden, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern.[14]
Börsennotierung
Die Aktie des Unternehmens war bis zum 28. Juni 2011 im SDAX der Deutschen Börse notiert. Seit dem 29. Juni 2011 wurde das Unternehmen im MDAX gelistet und ersetzte dort die Aktie des Unternehmens Tognum.[15] Nach einem starken Kurseinbruch aufgrund von Gewinnwarnungen stieg die Aktie am 21. September 2015 wieder in den SDAX ab und musste diesen schließlich am 19. März 2018 verlassen.[16]
Unternehmensdaten
Die Marke Gerry Weber wird weltweit bei rund 2200 Wholesale-Partnern angeboten. Darüber hinaus sind die in Eigenregie (588 Stores weltweit) und von Franchise Partnern (243 Stores weltweit) betriebenen Houses of Gerry Weber und Mono-Label Stores maßgebliche Vertriebskanäle.
Produziert wird die Kleidung in der Türkei und Asien. Deutschland ist der wichtigste Absatzmarkt mit einem Anteil am Konzernumsatz von 59,0 %. Ein Anteil von 41,0 % entfällt auf die ausländischen Märkte. Die Logistik erfolgt größtenteils über ein Ende 2015 fertiggestelltes, vollautomatisiertes Logistikzentrum. Die Umschlagkapazität gibt das Unternehmen mit bis zu 30 Millionen Artikeln im Jahr an, mit einer Erweiterungsmöglichkeit auf bis zu 37 Millionen.[17][18]
Sponsoring
Bekannt ist das Unternehmen auch durch das im Gerry-Weber-Stadion ausgetragene ATP-Rasen-Tennisturnier Gerry Weber Open und die Sponsorenaktivitäten beim benachbarten Fußballbundesligisten Arminia Bielefeld (Trikot-Sponsor 1996/97 und 1997/98) sowie des Handballbundesligisten TBV Lemgo.
Datenschutz
Das Unternehmen stattet seit Januar 2011 alle in die Läden gelieferten Artikel mit einem RFID-Chip aus. Auf dem RFID-Chip ist der Elektronische Produktcode (EPC) als Zusammenfassung des vom Barcode bekannten EAN-Code, sowie einer Seriennummer der Bekleidungsstückes, gespeichert. Dieser Chip befindet sich bei der Mehrzahl der Teile im Pflegeetikett, welches meist in der linken unteren Seitennaht eingebracht ist. Auf dem Pflegeetikett ist ein englischsprachiger Hinweis auf die RFID-Technik vorhanden: „RFID inside. Remove before wearing“, übersetzt „Enthält RFID. Vor dem Tragen entfernen“.
Für den Einsatz der RFID-Technik erhielt das Unternehmen den ECR-Award 2010[19] sowie den Retail Technology Award[20] und gewann bei der RFID Journal LIVE! 2011 Konferenz einen Preis für die „beste RFID-Implemetierung“.[21]
Gerry Weber geriet 2012 in negative Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass Kleidung der Firma auch nach dem Verkauf noch mit RFID-Chips ausgestattet ist. In einem Feldversuch von FoeBuD zeigte sich, dass die weltweit eindeutigen Seriennummern der Chips aus einer Entfernung von bis zu 8 Metern berührungslos auslesbar sind. Der Nummerncode ist nach Unternehmensangaben in einer Datenbank hinterlegt.[22][23]
Die öffentliche Debatte der RFID-Praxis von Gerry Weber bewirkte, dass das Unternehmen Stellung bezog. So konstatiert Gerry Weber, dass einzelne gekaufte Kleidungsstücke über die auf dem RFID-Chip gespeicherten Daten nicht dem jeweiligen Käufer zuzuordnen seien. Zugleich weist das Unternehmen darauf hin, dass die Etiketten beim Kauf auf Wunsch noch an der Kasse entfernt werden können.[24] Für die Kundschaft legte das Unternehmen außerdem ein Informationsblatt zu dem Thema an, das im Internet zu finden ist.[25]
Einzelnachweise
- In: gerryweber.com, 13. September 2018, abgerufen am 28. Februar 2019
- Modekonzern Gerry Weber übernimmt Don Gil, derStandard.at, 16. November 2011
- Gründer-Sohn Ralf Weber übernimmt Modekonzern. In: Handelsblatt.com. 22. Januar 2015, abgerufen am 22. Dezember 2016.
- Kartellbehörden bestätigen Übernahme von Hallhuber. In: wirtschaft-regional.net. 12. Februar 2015, abgerufen am 22. Dezember 2016.
- Gerry Weber kauft Hallhuber. In: Handelsblatt.com. 22. Dezember 2014, abgerufen am 22. Dezember 2016.
- Sparkurs: Gerry Weber schließt 103 Filialen. In: Die Welt, 26. Februar 2016
- Georg Weishaupt: Gerry Weber verkauft sein Tafelsilber. In: Handelsblatt.com. 22. Dezember 2016, abgerufen am 16. Januar 2017.
- GERRY WEBER präsentiert die neue Linie talkabout. In: textilmitteilungen.de. 7. Juli 2016, abgerufen am 16. Januar 2017.
- Antonia Kögler: Gerry Weber rutscht in die Insolvenz. In: finance-magazin.de, 25. Januar 2019. (abgerufen 25. Januar 2019)
- Gerry Weber International AG beantragt Anordnung des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens, abgerufen am 25. Januar 2019
- Gerry Weber schließt 120 deutsche Läden - 450 Jobs weg Bericht der Tageszeitung Rheinische Post am 5. April 2019, abgerufen am 8. April 2019
- Gericht legt Insolvenzplan zur Einsicht nieder und beraumt Erörterungs- und Abstimmungstermin an. Gerry Weber International AG, abgerufen am 30. August 2019.
- "Gerry Weber lässt Insolvenzverfahren hinter sich" Faz.de vom 2. Januar 2020
- Modekonzern: Gläubiger von Gerry Weber stunden in Coronakrise ihre Forderungen. Abgerufen am 3. Juni 2020.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Juni 2011
- Börse Frankfurt: Vonovia löst Lanxess im Dax ab. (handelsblatt.com [abgerufen am 7. Juni 2018]).
- Geschäftsbericht 2015/16. Abgerufen am 7. Juni 2018.
- Archivierte Kopie (Memento vom 23. Dezember 2017 im Internet Archive)
- Kategorie Unternehmenskooperation | ECR Award 2018. Abgerufen am 7. Juni 2018.
- Preisträger 2010 (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive)
- Archivlink (Memento des Originals vom 30. Januar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Gerry Weber verwanzt Kleidung mit Schnüffelchips. In: focus.de, abgerufen am 3. Januar 2013
- Datenschuetzer-warnen-vor-RFID-Chips-in-Kleidung. In: welt.de, abgerufen am 3. Januar 2013
- RFID und Datenschutz. (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive) In: gerryweber.com, abgerufen am 20. November 2017
- FAQ zu RFID. (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive) In: gerryweber.com, abgerufen am 20. November 2017