Georgius Stephani
Georgius Stephani (* 29. Februar 1740 in Gergeschdorf, ung. Gergelyfája, rum. Ungurei Alba, Siebenbürgen, ab 1765 Großfürstentum Siebenbürgen, ung. Erdélyi Nagy Fejedelemség, rum. Marele Principat al Transilvaniei, Königreich Ungarn, Gergeschdorf, heute zugehörig zur Gemeinde Rothkirch, ung. Székásveresegyháza, rum. Roșia de Secaș; † nach 1761/62, während der sozialen Wirren infolge der großen Pestepidemie in Gergeschdorf) war ein siebenbürgischer Freiheitskämpfer und Anführer der sächsischen Jobagen bzw. Angehörigen der Leibeigenschaft im Zekescher Land (rum. Țara Secașelor) gegen den ungarischen Landadel im 18. Jahrhundert.
Leben
Georgius Stephani war ein Sohn des evangelischen Kirchenkurators und Organisten Michaëlis Stephani (1690–1761), der während einer Pestepidemie, die damals in Südsiebenbürgen viele sächsische Gemeinden entvölkerte, ums Leben kam. Sein Großvater, Johannis Stephani (1670–1734), Lehrer und Kantor, bekannt unter dem Beinamen „Honz Cantoratus“, Sohn des Organisten Johannis Stephani (1650–1733), war ein Vertreter der sächsischen Jobagen (Hörigen) im Zekescher Land, in Gergeschdorf und Rothkirch im Kampf gegen Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit. Nach dem Besuch der evangelischen deutschen Elementarschule in Gergeschdorf, an der später, im 20. Jahrhundert, auch eine Reihe bekannter deutscher Pädagogen und Musiker gewirkt haben, wie der Komponist Wilhelm Fisi, der Schriftsteller Hans Bergel und der Musikpädagoge und Dirigent Ernst Fleps, beschäftigten den noch sehr jungen Georgius die sozialen Probleme seiner Landsleute und die Ungerechtigkeiten der ungarischen Landadligen und Grundherren, die damals über einige Dörfer im noch vorwiegend deutsch besiedelten Zekescher Land herrschten.
Tätigkeit
Bald nachdem die Besiedlung des „Freien Königsbodens“ im 13. Jahrhundert abgeschlossen war, entstanden – als sogenannte „Sekundärsiedlungen“ – die Ortschaften mit deutscher (siebenbürgisch-sächsischer) Bevölkerung auf „Komitatsboden“. Damals wurden auch die adligen Grundherren unterstehenden – hörigen – Ortschaften mit deutscher und teils auch rumänischer Bevölkerung im späteren Zekescher Land gegründet. Eine dieser frühen Siedlungen, die bereits vor dem großen Mongoleneinfall (1241) bestand, war Gergeschdorf.
Der erste „Grundherr“ dieser Besitzung, die nach ihrem Gründer Gregorius bzw. Gregor benannt wurde, war der Adlige von Wasyan (dt. Warschand bei Pell, rum. Vărșand/Pilu). Ihm folgten in den Jahrhunderten danach andere Besitzer, darunter auch im 14. Jahrhundert die sächsischen Grafen Daniel und Nikolaus von Kelling (rum. Câlnic), die damals allein im Zekescher Gebiet über zehn Dörfer mit sächsischen, rumänischen und ungarischen Leibeigenen herrschten. In den Jahrhunderten danach gab es immer wieder Streitigkeiten und Prozesse zwischen den verschiedenen, teils ungarischen Adelshäusern und Grundherren dieser und anderer Besitzungen – wie Schönau (rum Șona), Weingartskirchen (rum. Vingard), Simkragen (rum. Șintereag), Benzendorf (rum. Aurel Vlaicu), Zäckeschdorf (rum. Cunța), Troschen (rum. Drașov) und Gespreng (rum. Șpring) –, wobei diese Machtkämpfe oft zu Lasten der hörigen Bauern ausgetragen wurden.
Am 27. September 1762 begaben sich Georgius Stephani, zum ersten Mal und in Begleitung seines Freundes Johannes Tonts, als Delegierte der Jobagen (Hörigen) des ungarischen Freiherrn Korda mit einer Klageschrift zum Gubernium nach Hermannstadt. Hermannstadt in Südsiebenbürgen war damals das politische Zentrum der Siebenbürger Sachsen und Sitz der Universitas Saxonum (Sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen), einer Art Siebenbürger Parlament. In dieser Eingabe, die der sächsische Ortslehrer Petrus Hoch aufgesetzt hatte, wurden die soziale Lage der sächsischen Bauern und die häufigen Übergriffe der verschiedenen ungarischen Landadligen anhand von Tatsachenberichten dargestellt.
Als danach Stephani und Tonts nach Gergeschdorf zurückkehrten, waren sie erneut – besonders Stephani als „Urheber des Protests“ – seitens des Gutsverwalters Péter Dalnoki schlimmsten Schikanen und Verfolgungen ausgesetzt. Dalnoki erwirkte sogar vom ungarischen Obergespan Ábrahám Dózsa (Vorsteher der Gespanschaft) einen Erlass, dass Georgius Stephani „gebunden von Ort zu Ort ins Magistratsgefängnis zu Weißenburg“ (später: Karlsburg, heute rum. Alba Iulia) geführt werden soll.
Am 22. Oktober wurde Stephani verhaftet, in Ketten gelegt und von drei Wachsoldaten nach Thörnen (heute rum. Păuca) abgeführt. Unterwegs wurden jedoch die Wachsoldaten von sechs jungen sächsischen Männern, die „mit Heugabeln, Sensen und Knüppeln bewaffnet“ waren, überfallen und Georgius Stephani wurde befreit. Noch in derselben Nacht ritt Stephani, zusammen mit zwei Begleitern, wieder nach Hermannstadt, um erneut beim Gubernium seine Klage vorzubringen.
Nun erging am 16. November 1762 eine von Baron Samuel von Brukenthal – damals Provinzialkanzler, ab 1777 Gouverneur von Siebenbürgen – unterzeichnete „Ermahnung“ an den Grundherrn Korda, „die allerhöchsten Bestimmungen seyner Unterthanen zu befolgen“. Als dann jedoch – aus Rache wegen dieser Beschwerde bei höchster Stelle – die Schikanen und Ungerechtigkeiten seitens des ungarischen Gutsverwalters erneut begannen, reichte Georgius Stephani wieder eine Beschwerde ein. Am 29. November 1762 – nach einer etwas schärfer gehaltenen „Ermahnung“ Brukenthals – musste dann der Grundherr nachgeben.
Das Ergebnis dieser von Georgius Stephani angeführten Protestaktionen der sächsischen Jobagen im Zekescher Land, bzw. im Zekesch-Hochland, bewirkte unter anderem, dass von den damals dreiunddreißig sächsischen Hörigenfamilien fast alle die sogenannte „Weinabgabe“ und diverse andere Frondienstleistungen von nun an den Landadligen verweigerten und sich somit zum ersten Mal im beginnenden „Klassenkampf“ solidarisierten.
Als Folge dieser neuen für die Feudalherrn bedrohlichen Situation fand am 23. Februar 1763 im eigens dazu hergerichteten Gergeschdorfer Gemeindesaal ein gerichtliches „Verhör“ statt, wonach der Fall des Georgius Stephani – um weitere soziale und interethnische Konflikte zu vermeiden –, durch den aus Hermannstadt angereisten Hofrichter Martinus Stephani, als „abgeschlossen“ betrachtet wurde.
Literatur
- Johann Hann: Aus dem Gergeschdorfer Kirchenbuch. In: Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Hermannstadt, 1899, S. 109–113.
- Hermann Hienz: Quellen zur Volks- und Heimatkunde der Siebenbürger Sachsen. Verlag von S. Hirzel: Leipzig, 1940.
- Martin Ganesch: Kleine Heimatkunde: Unter der Willkür des Adels. Gergeschdorf in alten Urkunden. In: Neuer Weg. Bukarest, 28. Jg., 12. Oktober 1976, S. 4.
- Carl Göllner: Soziale Konflikte im Fürstentum Siebenbürgen. In: Studien zur Geschichte der deutschen Nationalität und ihrer Verbrüderung mit der rumänischen Nation. Bd. 1. Politischer Verlag: Bukarest, 1976, S. 283–329.
- Ernst Wagner: Historisch-statistisches Ortsnamenbuch für Siebenbürgen. Studia Transylvanica Bd. 4. Böhlau Verlag, Köln/Wien 1977, ISBN 3 412 01277 7.
- Martin Ganesch: Ein aufschlussreiches „Kleiderverbot“. Zur sächsischen Tracht im Zekescher Land. In: Volk und Kultur. Bukarest, 30/6, 1978, S. 40.
- Maja Czekelius: Vorarbeit für eine Ortsmonographie. Gespräch mit Volkskundler Prof. Martin Ganesch. In: Volk und Kultur. Bukarest, 30/4, 1978, S. 45–46.
- Martin Ganesch: Unter der Herrschaft der Gräfen. Zur Siedlungsgeschichte des Zekeschgebietes (1). In: Neuer Weg. Bukarest, 30/9016, 13. Mai 1978, S. 4.
- Martin Ganesch: Geschichten aus dem Heimatdorf. Aufzeichnungen aus dem Zekescher Land. In: Volk und Kultur. Bukarest, 31/1, 1979, S. 45 ff.
- Carl Göllner: Geschichte der Deutschen auf dem Gebiete Rumäniens, Band 1. 12. Jh.–1848, Akademie Verlag: Bukarest, 1979.
- Martin Ganesch: Kleine Heimatkunde. Den Frondienst verweigert. Kampfaktionen der Zekescher Jobagen im 18. Jahrhundert. In: Neuer Weg. Bukarest, 33/9914, 7. April 1981, S. 6.
- Béla Köpeczi (Hrsg.): Kurze Geschichte Siebenbürgens. Akadémiai Kiadó / Akademie Verlag: Budapest, 1990, S. 169 ff.
- Lexikon der Siebenbürger Sachsen. Wort und Welt Verlag: Thaur, 1993; S. 490–491: Soziale Frage. Die sozialen Probleme in Siebenbürgen.
- Paul Philippi: Land des Segens? Fragen an die Geschichte Siebenbürgens und seiner Sachsen. Böhlau Verlag: Wien, Köln, Weimar, 2003, S. 335–337.
- Hans Ganesch: Zekescher Heimatforscher Martin Ganesch wäre 75 geworden. In: Siebenbürgische Zeitung. München, 25. September 2010.