GEBUS
Beim GEBUS-System (auch als GEBUS-Prinzip, System GEBUS oder schlicht als GEBUS bzw. Gebus bezeichnet) handelt es sich um ein benzin- bzw. diesel-elektrisches Antriebssystem für Schienenfahrzeuge. Es wurde vom österreichischen Ingenieur Moriz Gelinek entwickelt und trug maßgeblich zur Verbreitung der elektrischen Kraftübertragung bei. Die dazugehörige, mit der Vermarktung der Patente beschäftigte und in kleinen Stückzahlen auch selbst Schienenfahrzeuge bauende Firma GEBUS trug ebenfalls diesen Namen.
Name
Der Name „GEBUS“ leitet sich von den Initialen der Firmengründern Moriz Gelinek, Franz Buchleitner und Adolf Strizek beziehungsweise dem ursprünglichen Firmenstandort Salzburg her.
Das GEBUS-Prinzip
Kernstück dieser Art der Kraftübertragung ist der sogenannte Gebus-Generator, eine Nebenschlussmaschine mit spezieller Wicklung. Der elektrische Generator ist magnetisch schwach gesättigt, zusätzlich besitzt er eine schwache Hilfsverbund-Erregung. Diese Charakteristik bedingt ein sehr „weiches“ Maschinenverhalten, d. h. relativ kleine Drehzahländerungen am Verbrennungsmotor entsprechen relativ großen Spannungsänderungen des Generators. Dadurch ist eine gleichmäßige Leistungsausnützung möglich, die elektrische Spannung – und damit die Geschwindigkeit des Fahrzeuges – passt sich automatisch der erforderlichen Stromstärke, d. h. der notwendigen Zugkraft, an.[1][2]
Dank dieser Eigenheiten erfolgt die Geschwindigkeitsregelung des Fahrzeuges bis hin zur Stillsetzung rein durch die Drehzahländerung des Verbrennungsmotors mittels der Einspritzpumpe (ugs. als „Gas geben“ bezeichnet). Das bedeutet der Generator ist so ausgelegt, dass sich das Fahrzeug erst nach überschreiten der Leerlaufdrehzahl in Bewegung setzt. Im Gegensatz zu anderen Systemen war hier eine stufenlose Regelung der Motordrehzahl (und damit der Geschwindigkeit) möglich.[1][3]
Anfänglich dienten meist Benzinmotore als Antriebsquelle, ab den 1930er Jahren kamen die zunehmend stärker und gleichzeitig kompakter werdenden und sicherer arbeitenden Dieselmotore zur Anwendung. Die anfänglich propagierte stufenlose Regelung der Verbrennungsmotor-Drehzahl wich jedoch in den frühen 1930er Jahren fix eingestellten Drehzahlstufen und somit abgestuften Generatorspannungen.
Geschichte und Verbreitung
Das System GEBUS zeichnete sich durch eine einfache und solide Konstruktion aus und fand deshalb in der Anfangszeit der Schienenfahrzeuge mit Verbrennungsmotorantrieb rasch größere Verbreitung.
1924 meldete Gelinek seine Entwicklung zum Patent an.[4] Anfänglich wurde es von der Firma GEBUS nur bei kleinen Feldbahn- und Rangierlokomotiven eigener Produktion zur Anwendung gebracht, nach der Erteilung der Patente im Jahre 1926 wurden jedoch auch Lizenzen an andere Hersteller vergeben.[5] Wurden zunächst nur Feldbahnen und Schmalspurfahrzeuge mit diesem Antriebssystem ausgerüstet, kam es ab 1925 auch bei normalspurigen Rangierlokomotiven und in Folge kleineren Triebwagen zur Anwendung. 1927 wurde mit dem SKGLB TCa 672 das erste Fahrzeug in Bosnischer Spurweite mit dem GEBUS-Prinzip ausgerüstet, das im selben Jahr gebaute Einzelstück BBÖ 2021/s wurde später die erste Lokomotive mit Verbrennungsmotor der Österreichischen Bundesbahnen. Im Jahre 1929 konnten die Fahrzeuge der mit Gleichstrom betriebenen Montafonerbahn dank GEBUS-Aggregaten in den mit Wechselspannung versorgten Bahnhof Bludenz der Arlbergbahn einfahren.[6] 1931 waren die GEBUS-Patente bereits in 13 europäischen Staaten und den USA geschützt.[4]
Der Erfolg des nach dem System GEBUS angetriebenen Schnelltriebwagens Fliegender Hamburger im Jahr 1933 mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h sorgte für eine zunehmende Verbreitung dieses Antriebsprinzips in ganz Europa, etwa bei Bahnverwaltungen in Tschechien, den Niederlanden, Belgien oder Bulgarien.[7] Während die meisten Bahnverwaltungen das System als Antrieb für Schnelltriebwagen verwendeten, nützten die Tschechoslowakischen Staatsbahnen das Gebus-Prinzip auch für Nebenbahn-Triebwagen wie etwa die Reihen ČSD-Baureihe M 132.0, M 122.0, M 131.0 oder den auf Hauptbahnen eingesetzten vierachsigen M 231.0.[8]
Die Österreichischen Bundesbahnen BBÖ nützten das System GEBUS neben normalspurigen Motorturmwagen vor allem bei den Schmalspurlomotiven der Reihen 2190 und 2091 sowie bei den ab 1934 gebauten und 110 km/h schnellen Triebwagen VT 42. Diese wurden von der Simmeringer Waggon- und Maschinenfabrik gebaut, welche neben Fahrzeugen in Normal- und Schmalspur auch „Simmeringer Benzin-Elektrische Lokomotiven System ‚Gebus‘ für Feld- und Industriebahnen, Gruben und Baustellen“ erzeugte.[9]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das GEBUS-Prinzip von der aufkommenden Leistungselektronik bzw. anderen ebenso einfach und sicher arbeitenden Schaltungen zunehmend abgelöst. Lokomotiven nach diesem Antriebsprinzip wurden zumindest von GEBUS selbst bis in die 1950er Jahre gebaut, die letzten aufgrund des Konkurses der Firma GEBUS im Jahre 1962.[10] Aufgrund des einfachen Aufbaues und der daraus resultierenden einfachen Wartung existieren heute noch einige historische Fahrzeuge mit GEBUS-Antrieb, welche sich zum Teil durch ein recht eigenwilliges Design auszeichnen.
Hersteller von Fahrzeugen mit GEBUS-Antrieb waren neben GEBUS selbst u. a. die Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf, die WUMAG in Görlitz, die Simmeringer Waggon- und Maschinenfabrik und die Waggonfabrik Stauding. Erzeuger von Motoren waren u. a. Gräf & Stift, Tatra oder Maybach, die elektrischen Komponenten lieferten ELIN und Siemens-Schuckert.
Galerie
- BBÖ 2021/s von 1927
- Führerstand der BBÖ 2021/s, der lange Hebel rechts steuert die Brennstoffpumpe und damit die Geschwindigkeit
- SKGLB TCa 51 bei seiner Abnahmefahrt im März 1928, stehend zweiter von links Ing. Moriz Gelinek
- ČSD-Baureihe M 132.0 (1928)
- Der "Fliegende Hamburger" vor seiner Rekordfahrt (1933)
- Dieseltriebwagen BBÖ VT 42 von 1935
- Schmalspur-Diesellok ÖBB 2091 von 1936
- Elektrisch und diesel-elektrisch angetriebene Lok ELFI der Rheinregulierungsbahn (GEBUS 1958)
Literatur
- Doleschal/Gerl/Petrovitsch/Saliger: Triebfahrzeuge österreichischer Eisenbahnen – Diesel-Lokomotiven und Diesel-Triebwagen, Alba Verlag, Düsseldorf, 1999.
Weblinks
- Moriz Gelinek und das System "GEBUS"
- Lieferlisten GEBUS-Fahrzeuge vor dem Krieg und denen der Nachkriegszeit
- Bilder von GEBUS-Lokomotiven
- Artikel "Triebwagen (...) mit elektrischer Kraftübertragung. System Gebus." von Ing. Otto Judtmann, in: Die Lokomotive, Dezember 1932
- Artikel "Dieselfahrzeuge mit elektrischer Kraftübertragung, System Gebus" von Ing. Otto Judtmann, in: Die Wasserwirtschaft, 1933
Einzelnachweise
- Triebfahrzeuge österreichischer Eisenbahnen - Diesel-Lokomotiven und DIese-Triebwagen. In: Eisenbahn-Fahrzeug-Archiv. 2. Auflage. A.3. Alba, Düsseldorf 1999, ISBN 3-87094-175-8, S. 105 ff.
- ÖNB-ANNO - Die Lokomotive. Abgerufen am 29. November 2021.
- ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 29. November 2021.
- Moriz Gelinek und das System "GEBUS". Abgerufen am 29. November 2021.
- GEBUS Lokomotiv-Werke Vorkriegsloks. Abgerufen am 29. November 2021.
- ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 29. November 2021.
- ÖNB-ANNO - Die Wasserwirtschaft. Abgerufen am 29. November 2021.
- ÖNB-ANNO - Die Lokomotive. Abgerufen am 29. November 2021.
- Gallery. Abgerufen am 30. November 2021.
- GEBUS Lokomotiv-Werke Nachkriegsloks. Abgerufen am 30. November 2021.