Friedrich von Lössl
Friedrich Ritter von Lössl (* 14. Januar 1817 in Weiler im Allgäu; † 14. Mai 1907 in Wien[1]; manchmal auch Lößl und Loeßl) war ein technisch vielseitig interessierter und naturwissenschaftlich gebildeter Ingenieur, ein herausragender Pionier des Eisenbahnstreckenbaus des 19. Jahrhunderts in Bayern und in Österreich, Flugpionier und Erfinder (unter anderem des autodynamischen Uhrensystems). Daneben trat er als Schöpfer schöner Landschafts- und Gebäudeskizzen und als Förderer von Kunst und Kultur hervor.[1]
Leben
Friedrich Lössl besuchte das „Alte Gymnasium“ in München (heute: Wilhelmsgymnasium München)[2] und studierte von 1836 bis 1841[1] an der Universität und an der Polytechnischen Schule München, heute Technische Universität München. Zusätzlich belegte er Zeichenkurse an der dortigen Kunstakademie. Seinen Ingenieurtitel erhielt er im Alter von 24 Jahren.
In den ersten 15 Berufsjahren war er als Eisenbahn- und Hochbauingenieur für die Planung und den Bau von Eisenbahnlinien und Brücken in Bayern tätig. 1856 wechselte er als Ingenieur I. Klasse nach Österreich zur Kaiserin-Elisabeth-Westbahn.
Lössls Wohnsitz änderte sich mit seinen Projekten. So hielt er sich von 1856 bis 1858 in Salzburg auf, dann in Linz (Oberösterreich), dann für ein Jahr in Immenstadt im Allgäu (Bayern) und schließlich nach Wien bevor er seinen Altershauptwohnsitz nach Aussee (seit 1911 Bad Aussee) verlegte.[1]
1907 starb Lössl 90-jährig an einer Lungenentzündung in Wien, kurz vor einer geplanten Abreise nach Aussee.
Familie
Die Vorfahren von Lössls stammten aus Rötz in der Oberpfalz und hatten dort über Generationen das Messerschmiede- bzw. Schuhmacherhandwerk betrieben. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wanderten die Brüder Johann Andreas und Johann Baptist aus und siedelten sich in München an. Beide machten in der bayerischen Verwaltungshierarchie Karriere und wurden 1790 von Kurfürst Karl Theodor mit dem Prädikat Edle in den Reichsritter- und alten Landadelstand aufgenommen.[3]S. 2–4 Der Sohn von Johann Baptist von Lössl war der Landgerichtsassessor Josef Valentin Johann Baptist Ritter von Lössl, der es ebenfalls zu hohem Ansehen brachte.[4]S. 21 Er wurde der Vater Friedrich Ritter von Lössls, starb aber bereits 1820, als sein Sohn erst drei Jahre alt war. Die Mutter ging nach München zurück, wo Friedrich unter der Vormundschaft des Bruders seiner Mutter Dr. Johann Perner aufwuchs und zur Schule ging.[3]S. 4
Friedrich von Lössl heiratete 1849 Luise Maria Probst (1826–1897). Sie war das älteste von 9 Kindern des Kaufmanns Jakob Joseph Probst (1788–1859), der mit vier Söhnen die Mechanische Bindfadenfabrik Immenstadt gründete. Die Lössls hatten 10 Kinder. Sohn Siegmund von Lössl (* 1856; † 1938) war von April 1906 bis Dezember 1918 Mitglied im Staatsrat des bayerischen Königs und in diesem beratenden Gremium zuständig für Außenpolitik.[5]
- Abstammungsliste
- Hans Georg Lösel (* um 1660), Schuhmacher in Rötz; ∞ Anna Margarethe Lösl
- Georg Balthasar Lösl (* 1690 in Rötz); 2∞ Anna Maria Greiner
- Johann Andreas Ritter und Edler von Lössl (1733–1788), kurfürstlich pfalzbayerischer Hofkammerrat, Obersiegelamtswalter
- Johann Baptist Ritter und Edler von Lössl (1746–1824), kurfürstlich pfalzbayerischer Landrichter, Kastner und Lehensprobst, Amtsverweser der Landgrafschaft Haag (nördlich von Wasserburg am Inn)
- Josef Valentin Johann Baptist Ritter von Lössl, Landsgerichtsassessor
- Friedrich Ritter von Lössl (1817–1907), Erfinder, Eisenbahn- und Luftfahrtpionier
- Siegmund Ritter und Edler von Lößl (1856–1938), Bayerischer Staatsrat
- Friedrich Ritter von Lössl (1817–1907), Erfinder, Eisenbahn- und Luftfahrtpionier
- Josef Valentin Johann Baptist Ritter von Lössl, Landsgerichtsassessor
- Georg Balthasar Lösl (* 1690 in Rötz); 2∞ Anna Maria Greiner
Lebenswerk
Vermessungsingenieur und Kartograf
Lössl suchte beim Zeichnen von Landkarten nach Möglichkeiten, Höhenunterschiede auf flacher Zeichnung erkennbar zu machen. Er erfand dabei eine spezielle Methode der Landschaftsdarstellung mit Hilfe der schon bekannten (nicht von ihm erfundenen) Höhenschichtlinien und der daraus gestalteten Schichtenreliefs und wurde dafür auf der Weltausstellung 1873 in Wien mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.[6][7]
Eisenbahnpionier
Lössl trassierte insgesamt 2500 km Eisenbahnlinien in Bayern und im Kaiserreich Österreich (nach 1867 Österreich-Ungarn), darunter die Bahnstrecke München – Salzburg und einen Teil der Salzkammergutbahn Schärding – Ried – Ebensee – Bad Ischl – Stainach/Irdning. Er war dabei einer der ersten, der regelmäßig mit den vorgenannten Höhenschichtlinien arbeitete.
Erfinder
Lössl hatte zahlreiche Ideen, von denen er sechs patentieren ließ (Privilegien). Darunter ein Schiff, das die Wasserströmung nutzte und damit flussaufwärts fahren konnte.
In Salzburg wollte er einen Lenkballon zum Transport von Sommerfrischlern auf den Gaisberg einsetzen, konnte das Projekt aber nicht verwirklichen.[1]
Die autodynamische Uhr
1880, im Alter von 63 Jahren, stellte er der Öffentlichkeit seine bekannteste Erfindung, die von ihm konstruierte autodynamische Uhr vor, die als Energiequelle für den Aufzug die Schwankungen von Luftdruck und Lufttemperatur nutzte. Er erhielt ein Patent des Kaiserlichen Patentamtes vom 28. Oktober 1880. Er hatte die Idee einer „kostenlosen“ Energiequelle lange vor dem Ingenieur Jean-Léon Reutter, der 1928 – also 48 Jahre später – die heute noch hergestellte Atmos entwickelte, deren Funktion auf den gleichen physikalischen Grundlagen basiert. Ritter von Lössls Tragik war, dass die damals aufkommende Elektrizität als Energielieferant für Uhren bevorzugt wurde und seine Technologie in Vergessenheit geraten ließ. Wahrscheinlich wurden nicht mehr als 14 Uhren gebaut.[8]
Lössls Uhren in Paris, Hamburg, Wien, Linz und Marburg sind von der Bildfläche verschwunden. Das einzig erhaltene, aber nunmehr elektrisch betriebene Exemplar steht in Bad Aussee.
Die Lössl-Uhr in Bad Aussee
Das einzig erhaltene Exemplar einer Autodynamischen Uhr von Lössl steht in Bad Aussee. 1897 machte von Lössl die Uhr der Gemeinde Bad Aussee zum Geschenk. Bis 1894 hatte sie in Wien gestanden, musste aber dem Stadtbahn-Bau am Währingergürtel weichen.[9] Heute wird die Lössl-Uhr durch ein elektrisches Laufwerk angetrieben, da die Erschütterungen des vorbeifließenden Verkehrs dem sensiblen Uhrwerk stark zugesetzt hatten.
„Es war vor 100 Jahren schon eine Einzigartigkeit, die Form des Aufzuges und vor allem die Form der Hemmung - das Kreispendel. […] Der Umbau auf „elektrisch“ erfolgte […] aus dem Grund, dass die Uhr auf einer Verkehrsfläche steht, die auch stark von Schwerverkehr befahren wird. Wäre dies nicht, bliebe zumindest ein enormer Wartungsaufwand, um den über 100 Jahre alten Mechanismus zum Laufen anzuhalten. Auch die Dichtheit des 0,5 Kubikmeter - Luftbehälters und der Druckdosen war nicht mehr gegeben.
Vor gut einem Jahr habe ich den elektrischen Uhrenantrieb repariert und möchte folgendes festhalten: Das mechanische Uhrwerk ist konserviert und befindet sich im Heimatmuseum unter sicherem Verschluss. Das Kreispendel befand sich nicht mehr in der Säule der Uhr. Die Triebwelle zwischen Uhrwerk und Winkelgetriebe der Zeigerspiele habe ich geborgen. Weiters einen kleinen Hebel, der von der Pendelaufnahme stammen dürfte. Die Druckdosen sind noch vor Ort und in einem erbärmlichen Zustand. Ich werde sie demnächst ausbauen und ebenfalls ins Museum verbringen.
Ansonsten wird diese einzigartige Monumentaluhr von der Stadtgemeinde Bad Aussee pfleglich behandelt und […] zeigt auf allen vier Zifferblättern die genaue Zeit an.“
„Unter der Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg hatten übermütige junge amerikanische Soldaten diese Uhr als Zielscheibe auserkoren. Ein sehr guter Pistolenschütze unter ihnen sagte: Nicht das Zifferblatt, auch nicht der Adler am obersten Spitz sondern dessen Kopf soll getroffen werden. Wie man auf dem eingestellten Foto erkennen kann, fehlt dieser seitdem. So hat der Ehrgeiz dieser Männer [zufälligerweise] die Uhr vor größeren Schäden bewahrt.“
Flugpionier
In Bad Aussee erinnern darüber hinaus seine mit Flug-Versuchsmodellen gefüllte Villa Gentiana, die er 1890 baute und bis zu seinem Lebensende 1907 bewohnte, sowie die dort beginnende Lössl-Promenade an den großen Erfinder und Gönner von Bad Aussee.
Lössl zeigte sein technisches Genie auch als Forscher und Pionier auf dem Gebiet der Luftfahrt. Sein Hauptwerk: Die Luftwiderstands-Gesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug: mathematisch-mechanische Klärung auf experimenteller Grundlage (1895) war für die Entwicklung der Flugzeuge bahnbrechend. Heute ist der Techniker und Erfinder zu Unrecht fast vergessen.[9]
Ehrungen
- Weltausstellung 1873 in Wien: Goldmedaille für seine Methode der Planung von Eisenbahntrassen mit Schichtenreliefs.
- 5. Oktober 1913: Enthüllung einer Gedenktafel an der Villa Gentiana.[10]
- 1960: Benennung der Verkehrsfläche Lösslweg in Wien-Leopoldstadt (2. Gemeindebezirk).
Literarische Werke Lössls
- Über Isopeden-Reliefe. Traunstein: 1854.
- Relief einer Terrain-Partie bei Traunstein in Isopeden von 10 zu 10 bayr. Fuss Verticalabstaenden nebst den Meertiefen von 2 zu 2 bayer. Fuss; hierzu zwei variante Projections-Stücke der München-Salzburger-Eisenbahn, dargestellt von F. R. v. Loessl. Traunstein: Miller, 1854.
- Technischer Bericht zum Projekte eines Schifffahrtskanales zwischen der Save und Donau in der Militärgrenze und Slavonien. Wien 1869.
- 39 Tafeln isopedische Terrain-Aufnahmen aus dem im Jahre 1871 von Friedrich Ritter von Loessl verfassten Detail-Projekte der Salzkammergut-Bahn enthaltend den Übergang der Trace über das Hausruckgebirge mit dem Thomasroither Kohlenrevier. Wien: Hölder, 1873.
- Aussee und Umgebung mit allen bestehenden Fahr- und Geh-Wegen. 1882.
- Der Luftwiderstand in Allgemeinen und in seiner besonderen Beziehung auf Luftschiffahrt. Wien: Selbstverlag des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, 1886.
- Die Luftwiderstands-Gesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug: mathematisch-mechanische Klärung auf experimenteller Grundlage. Wien: Hölder, 1896.
- Vier Tagebücher, Kurrentschrift, Tinte auf Büttenpapier: Tagebuch 1: 1833–1839, Tagebuch 2: 1840–1849, Tagebuch 3: 1850–1880, Tagebuch 4: Juli 1880–1905
Weitere Werke von Lössl siehe Literaturverzeichnis im Buch von Gschwandtner.
Literatur
- Mechtler: Friedrich von Lössl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 281 f. (Direktlinks auf S. 281, S. 282).
- Lothar Hofer: Ökonomische und energetische Potenziale des Luftdrucks. Diplomarbeit (pdf; 2 MB, auf Internetseite Stefan P. Schleicher, Uni. Graz, Institut für Volkswirtschaftslehre; mit vielen biografischen Details)
- Martin Gschwandtner: Friedrich Ritter von Lössl (1817-1907). Unermüdlicher Technik-Pionier, Organisator, Tüftler und U(h)rgroßvater. Hof bei Salzburg 2008 (mit Rechercheprotokoll, 400 Seiten).
- Martin Gschwandtner: Friedrich Ritter von Lössl (1817-1907). Unermüdlicher Technik-Pionier, Visionär, Tüftler und U(h)rgroßvater. München, Ravensburg, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-640-56700-3 (ohne Rechercheprotokoll, 320 Seiten; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Martin Gschwandtner: Der "Privilegien-Ritter". Die Privilegien (Patente) des unermüdlichen Technikpioniers und Visionärs Friedrich Ritter von Lössl (1817-1907). München, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-640-88056-0.
- Röll, Victor Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Bayerische Eisenbahnen, Band 10. Berlin, Wien 1923, Kap. 2 Die ersten Anfänge des Staatsbahnbaues bis 1856, 8. Abs.
- Peter Payer: Die Wiener Lössl-Uhr In: Die synchronisierte Stadt – Öffentliche Uhren und Zeitwahrnehmung, Wien 1850 bis heute, S. 37, Wien 2015, Verlag Holzhausen
- Kurt von Lössl: Der Lebenslauf Friedrich Ritter von Lössls. In: Schütƶenhofer V. (Hrsg.): Blätter für Technikgeschichte – Technikgeschichte in Wien, vol 10. Springer, Wien, 1948
Zu Werken:
- Josef H. Schröer: Die autodynamische Uhr des Friedrich Ritter von Lössl, die Uhr mit selbsttätigem Luftdruckaufzug. Günter-Druck, Georgsmarienhütte: Deutsche Gesellschaft für Chronometrie e.V., 2003. ISBN 3-9807704-5-1
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich von Lössl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Friedrich Ritter von Lössl. In: Salzburger Nachrichten: Salzburgwiki.
- Friedrich Ritter von Lössl im Uhrenlexikon Watch-wiki
Zum Werk:
- Die Lössl-Uhr auf der Homepage der Gemeinde Bad Aussee (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
- Eintrag zu Lössl-Uhr im Austria-Forum (im Heimatlexikon)
Einzelnachweise
- siehe Weblink Salzburg-Wiki
- Leitschuh, Max: Die Matrikeln der Oberklassen des Wilhelmsgymnasiums in München, 4 Bde., München 1970–1976.; Bd. 4, S. 9
- siehe Literatur Gschwandtner: Der "Privilegien-Ritter" Friedrich Ritter von Lössl (1817-1907)
- siehe Weblink Lothar Hofer: Ökonomische und energetische Potenziale des Luftdrucks
- siehe Historisches Lexikon Bayerns
- Artikel Gönner von Aussee in der Wiener Zeitung (Memento des Originals vom 3. Januar 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- siehe Literatur Victor von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Bayerische Eisenbahnen
- aus Josef H. Schröers: Die autodynamische Uhr siehe Literaturhinweis
- siehe Weblink Bad Aussee
- Kleine Chronik. (…) Enthüllung einer Loeßl-Gedenktafel in Aussee. In: Wiener Zeitung, Wiener Abendpost, Nr. 225/1913, 30. September 1913, S. 3, unten links. (online bei ANNO). .