Friedhof am Kettwiger Tor
Der ehemalige kommunale Friedhof am Kettwiger Tor befand sich zwischen 1827 und 1955 südlich der ehemaligen Essener Stadtmauer vor deren Kettwiger Tor. Hier waren unter anderem bedeutende Essener Persönlichkeiten, darunter die Mitglieder der Industriellenfamilien Krupp und Waldthausen, beigesetzt.
Geschichte
Ursprung
Der Friedhof am Kettwiger Tor wurde 1827 als erster kommunaler Friedhof der Stadt Essen außerhalb ihrer Stadtmauer errichtet. Im Vergleich zur heutigen Bebauung lag er etwa an der Freiheit vor dem Hauptbahnhof.
Der katholische Friedhof auf dem nördlichen Teil des heutigen Burgplatzes wurde 1827 aufgelassen und 1830 auf den Friedhof am Kettwiger Tor verlegt; ebenso der alte evangelische Friedhof an der Weberstraße. Entlang der Außenmauern und der mittleren Querachse des außerhalb der Stadtmauer gelegenen Friedhofes am Kettwiger Tor befanden sich Familiengruften mit Erbbegräbnissen des alteingesessenen, teils bedeutenden Essener Bürgertums. Im Jahre 1849 fand eine Friedhofserweiterung statt.
Neben dem öffentlichen Eingangstor an der Kettwiger Chaussee, der heutigen Huyssenallee, lag rechts die katholische und links die evangelische Geistlichkeit. Dabei war der katholische Bereich mit Einzelgräbern und einem Gemeinschaftsgrab größer als der nur aus Einzelgräbern bestehende evangelische. Auf der evangelischen Seite wurde u. a. Pfarrer Friedrich Laar im Jahre 1827 beigesetzt; dies war die erste Bestattung auf dem neuangelegten Friedhof.
Familienfriedhof Krupp
Ab 1887, mit dem Tode des Industriellen Alfred Krupps, wurde der Kruppsche Privatfriedhof im Osten an den kommunalen Friedhof angegliedert. Dieser wurde parkähnlich angelegt und war durch eine Mauer und ein verschließbares Tor räumlich vom kommunalen Friedhof getrennt. Aus heutiger Sicht wird er in Teilen vom Parkhaus an der Südseite des Hauptbahnhofes überdeckt.
Wegen Erweiterung des südlichen Bahnhofsvorplatzes der sich rasch vergrößernden Essener Innenstadt, begründet durch hohe Zuwanderung von Arbeitern für Bergbau und Stahlindustrie, musste der nördliche Teil des Friedhofes am Kettwiger Tor an der damaligen Hohenburgstraße[1] bereits in den 1910er Jahren aufgegeben werden. Von hier aus musste die 1860 verstorbene Therese Krupp geb. Wilhelmi, die Witwe des Firmengründers Friedrich Krupp, an die Freiheit umgebettet werden.
Des Weiteren waren auf dem Privatfriedhof Alfred Krupp und seine Frau Bertha (geborene Eichhoff), deren Sohn Friedrich Alfred Krupp und seine Frau Margarethe sowie die Ur-Enkel Alfreds, Claus und Arnold von Bohlen und Halbach beigesetzt worden.[2]
- Beisetzung Friedrich Alfred Krupps am 26. November 1902; rechts Kaiser Wilhelm II.
- Familienfriedhof Krupp um 1906; links das Grabmal von Alfred Krupp, rechts das seines Sohnes Friedrich Alfred Krupp
Schließung und Verlegung
1955 wurde der Friedhof schließlich wegen des beginnenden Neubaus des Ruhrschnellweg-Tunnels, der heutigen Bundesautobahn 40, komplett aufgegeben. Im November 1954 wurde mit der vielfachen Umbettung von Gräbern begonnen.
Die gesamten Gräber der Familien Krupp und Waldthausen gelangten auf den Friedhof Bredeney, wobei die Gruften der Familie Krupp unter Anwesenheit von Direktoren des Krupp-Vorstandes geöffnet und die Arbeiten der Umbettungen genau dokumentiert wurden.
Rund 150 Gräber weiterer Persönlichkeiten wurden auf den Ostfriedhof verlegt. Dazu wurden grundsätzlich alle Familien von der Stadt Essen angeschrieben und angefragt, ob und wie sie der Umbettung der Gräber zustimmten. Zudem musste die Stadt die Angehörigen nach Unterlagen fragen, denn die städtischen Unterlagen gingen alle im Zweiten Weltkrieg verloren. Schließlich wurden alle Gräber umgesetzt, auch einige gesammelt an einem bestimmten Bereich der Grabfelder 5 und 6 auf dem Ostfriedhof.
Umgebettete Persönlichkeiten (Auswahl)
- Gottschalk Diedrich Baedeker – Gründer des G. D. Baedeker Verlags
- Alfred Baedeker – Verlagsbuchhändler, ab 1922 Alleininhaber des G. D. Baedeker Verlags
- Julius Baedeker – Verleger, Buchhändler und Redakteur
- Peter Beising – katholischer Theologe und Ehrenbürger der Stadt Essen
- Richard Bömke – Kommerzienrat, Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Zeche Friedrich der Große und der Essener Credit-Anstalt sowie Essener Stadtverordneter
- Otto Budde – Angehöriger des Krupp-Direktoriums, Leiter des Kanonenressorts
- Carl Funke – Industrieller, Geheimer Kommerzienrat, in gemeinsamer Familiengruft mit dem Bauunternehmer und Stadtverordneten Johann Wilhelm Schürenberg
- Friedrich Funke – Industrieller, Kommerzienrat
- Fritz Funke – Bauunternehmer, Industrieller und Stadtverordneter
- Friedrich Grillo – Großindustrieller
- Gustav Hache – Oberbürgermeister der Stadt Essen
- Heinrich Heintzmann – Geheimer Bergrat, Stadtrat und Direktor der Gesellschaft Verein
- Ewald Hilger – Bergwerksdirektor und Geheimer Bergrat
- Familie Ernst Honigmann, Enkel des Markscheiders und Bergamtsdirektors Johann Ehrenfried Honigmann, der 1803/1804 den Honigmann´schen Stadtplan, die erste topographische Karte der damaligen Stadt Essen entwarf
- Heinrich Arnold Huyssen – Industrieller und Bürgermeister der Stadt Essen
- Adolf Knaudt und Carl Julius Schulz – die beiden Gründer des Unternehmens Schulz-Knaudt
- Johann Conrad Kopstadt – Dritter Essener Bürgermeister aus der Familie Kopstadt
- Edmund Lührmann – Essener Mäzen
- Albert Müller – Bankier, Stadtverordneter und Geheimer Kommerzienrat
- Wilhelm Nedelmann – Kaufmann, Stadtrat, Musiker und Komponist, Gründer des Essener Musikvereins, des heutigen Philharmonischen Chors Essen
- Felix Rauter – Unternehmer, Stadtverordneter, Kommerzienrat
- Konrad Ribbeck – einer der ersten Essener Stadthistoriker, Stadtarchivar
- Johann Wilhelm Schürenberg, Bauunternehmer, Industrieller, Stadtverordneter
- Heinrich Carl Sölling – Essener Mäzen und Ehrenbürger der Stadt Essen
- Theodor Wilhelm Varnhorst – Bürgermeister von 1804 bis 1808
- Erich Zweigert – Oberbürgermeister der Stadt Essen
Literatur
- Gerhard Müller: Die Friedhöfe in der Entwicklung Essens; in: Vergänglichkeit und Denkmal. Bonn 1985.
- Heike Schmidt: Friedhof und Grabdenkmal im Industriezeitalter am Beispiel Essener Friedhöfe: Geschichte - Gestaltung - Erhaltung; eine kunsthistorische Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung des Steinzerfalls. Brockmeyer, Bochum 1993, ISBN 978-3-8196-0151-4.
Weblinks
Fußnoten
- Der Straßenzug der Hohenburgstraße ist heute nicht mehr vorhanden. Sie verlief südlich direkt angrenzend an den Hauptbahnhof. Die heutige Bert-Brecht-Straße zwischen Bahntrasse und der Schenker-Zentrale bzw. dem RUHR Tower bildet in etwa die Verlängerung der ehemaligen Hohenburgstraße.
- Route der Industriekultur: Krupp-Familienfriedhof; abgerufen am 5. Juli 2016