Freieslebenit
Freieslebenit, auch als Basitomglanz, Donacargyrit, Dunkles Weißgültigerz oder Schilfglaserz bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung AgPbSbS3[1] und damit chemisch gesehen ein Silber-Blei-Antimon-Sulfid. Aufgrund seiner komplexen Struktur zählt Freieslebenit allerdings zu den Sulfosalzen.
Freieslebenit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | AgPbSbS3[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfide und Sulfosalze |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
2.JB.15 (8. Auflage: II/D.05c) 03.04.06.02 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m |
Raumgruppe | P21/a (Nr. 14, Stellung 3)[2] |
Gitterparameter | a = 7,53 Å; b = 12,79 Å; c = 5,88 Å β = 92,2°[2] |
Formeleinheiten | Z = 4[2] |
Häufige Kristallflächen | {011}, {021}, {110}[3] |
Zwillingsbildung | nach {100}[3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2 bis 2,5[3] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 6,20 bis 6,23; berechnet: 6,22[3] |
Spaltbarkeit | unvollkommen nach {110}[3] |
Bruch; Tenazität | schwach muschelig bis uneben[3] |
Farbe | bleigrau bis stahlgrau, silberweiß[3] |
Strichfarbe | bleigrau bis stahlgrau, silberweiß[3] |
Transparenz | undurchsichtig (opak)[3] |
Glanz | Metallglanz[3] |
Freieslebenit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt prismatische, schilfartige und krummflächige Kristalle mit einem metallischen Glanz auf den Oberflächen. Typisch für dieses Mineral sind dessen parallel zur c-Achse gestreiften Kristallflächen. Die Kristalle sind vollkommen undurchsichtig (opak) und deren Farbe und Strichfarbe kann von bleigrau über stahlgrau bis silberweiß reichen.
Etymologie und Geschichte
Erstmals beschrieben wurde das Mineral 1783 durch Jean-Baptiste Louis Romé de L’Isle, der es als Mine d’antimoine grise tenant argent bezeichnete. Bei seiner Beschreibung der Mineralproben aus der Grube Himmelsfürst bei Brand-Erbisdorf im sächsischen Erzgebirge konzentrierte sich L’Isle fast ausschließlich auf die Morphologie der Kristalle und deren auffällige Längsstreifung.[4]
Da Johann Carl Freiesleben die Publikation von L’Isle anscheinend nicht bekannt war,[4] beschrieb er das Mineral 1817 ein zweites Mal, ging dabei vorrangig auf dessen Eigenschaften ein und gab ihm den Namen Schilfglaserz.[5]
Seinen bis heute gültigen Namen Freieslebenit nach dem sächsischen Bergbeamten und Verfasser zahlreicher mineralogischer Arbeiten, Johann Carl Freiesleben, erhielt das Mineral 1845 von Haidinger.[6][4]
Von der International Mineralogical Association (IMA) wird der Freieslebenit mit der Kurzbezeichnung „Flb“ geführt. Er ist als eigenständige Mineralart schon lange bekannt und wurde von der Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) daher als sogenanntes grandfathered Mineral anerkannt. Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist bisher nicht bekannt.[7]
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Freieslebenit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung „Komplexe Sulfide (Sulfosalze)“, wo er als Namensgeber die „Freieslebenit-Reihe“ mit der Systemnummer II/D.05c und dem weiteren Mitglied Marrit bildete.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/E.17-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfosalze (S :As,Sb,Bi = x)“, wo Freieslebenit zusammen mit Diaphorit, Marrit, Owyheeit und Zoubekit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[8]
Die seit 2001 gültige und von der IMA bis 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Freieslebenit dagegen in die neu definierte Abteilung der „Sulfosalze mit PbS als Vorbild. (As,Sb,Bi)S6-Oktaeder“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Struktur oder der Art der PbS-Derivate, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Galenit-Derivate mit Blei (Pb)“ mit der Systemnummer 2.JB.15 zu finden ist, wo es ebenfalls namensgebend zusammen mit Marrit die „Freieslebenitgruppe“ bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Freieslebenit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „“ ein. Hier ist er in der unbenannten Gruppe 03.04.06 innerhalb der Unterabteilung „Sulfosalze mit dem Verhältnis 3 > z/y und der Zusammensetzung (A+)i(A2+)j[ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.
Kristallstruktur
Freieslebenit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3) mit den Gitterparametern a = 7,53 Å; b = 12,79 Å, c = 5,88 Å und β = 92,2 ° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]
Bildung und Fundorte
Freieslebenit bildet sich durch hydrothermale Vorgänge in Silbererz-Gängen.[10] Als Begleitminerale können unter anderem Andorit, Akanthit, Galenit, Pyrargyrit, Siderit und gediegen Silber auftreten.[3]
Als seltene Mineralbildung konnte Freieslebenit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 110 Fundstätten[11] dokumentiert sind (Stand 2022). Außer an seiner Typlokalität, der Grube Himmelsfürst, fand sich das Mineral in Sachsen noch in den Gruben Beschert Glück und Segen Gottes Herzog August bei Freiberg, Alte Hoffnung Gottes bei Kleinvoigtsberg, Gesegnete Bergmannshoffnung bei Obergruna, Neue Hoffnung Gottes bei Bräunsdorf (Oberschöna) sowie in einigen Schächten bei Lauta. Weitere bisher bekannte Fundorte in Deutschland sind unter anderem St. Ulrich im Schwarzwald und Flammeck (Gemeinde Glottertal) in Baden-Württemberg sowie die Graf Jost-Christian-Zeche bei Wolfsberg (Sangerhausen) und eine Antimon-Vererzung bei Dietersdorf (Südharz) in Sachsen-Anhalt.[12]
Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich ist der alte Bergbau Arzberg bei Steinhaus am Semmering in der Steiermark.
In der Schweiz konnte Freieslebenit bisher nur in der ehemaligen Mine de la Lapine Rousse bei Ayer und der Mine de Baicolliou bei Grimentz im Val d’Anniviers des Kantons Wallis entdeckt werden.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Armenien, Australien, Bolivien, Bulgarien, Chile, China, Ecuador, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kosovo, Mexiko, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Usbekistan und den Vereinigten Staaten von Amerika.[12]
Siehe auch
Literatur
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 58.
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 477 (Erstausgabe: 1891).
Weblinks
- Freieslebenit. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 2. März 2022.
- Thomas Witzke: Entdeckung von Freieslebenit. In: www.strahlen.org/tw/. Abgerufen am 2. März 2022.
Einzelnachweise
- Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2022. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2022, abgerufen am 2. März 2022 (englisch).
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 145.
- Freieslebenite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB]).
- Thomas Witzke: Entdeckung von Freieslebenit. In: www.strahlen.org/tw/. Abgerufen am 2. März 2022.
- J. C. Freiesleben: Beschreibung einiger in meiner Mineraliensammlung befindlichen merkwürdigen sächsischen Fossilien, nebst historischen und geognostischen Bemerkungen über dieselben. Schilf-Glaserz (Geognostische Arbeiten 6). In: Beyträge zur Mineralogischen Kenntniß von Sachsen. Zweyte Lieferung, 1817, S. 97–101.
- W. Haidinger: Handbuch der bestimmenden Mineralogie, enthaltend die Terminologie, Systematik, Nomenklatur und Charakteristik der Naturgeschichte des Mineralreiches. Braumüller & Seidel, Wien 1845, S. 569.
- Catalogue of Type Mineral Specimens – F. (PDF 633 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 4. März 2022.
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 2. März 2022 (englisch).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 477 (Erstausgabe: 1891).
- Localities for Freieslebenite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 4. März 2022 (englisch).
- Fundortliste für Freieslebenit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 4. März 2022.