Franzbrötchen
Ein Franzbrötchen ist ein aus Plunderteig bestehendes süßes Feingebäck, das mit Zucker und Zimt gefüllt ist. Es ist eine Spezialität der Hamburger Küche und wird häufig zu Kaffee und Kuchen oder zum Frühstück gereicht. Die Verbreitung beschränkte sich auf die Großregion Hamburg, seit Anfang des 21. Jahrhunderts sind Franzbrötchen in verschiedenen Varianten auch in anderen Städten Deutschlands bekannt.[1]
In Variationen gibt es Franzbrötchen auch mit Rosinen, Streuseln, Schokoladenstückchen, Marzipan, Mohn oder Kürbiskernen.
Geschichte
Der Name ist möglicherweise eine Reminiszenz an die Hamburger Franzosenzeit (1806–1814). Einer Überlieferung zufolge gab es damals ein längliches Franzbrot (auch Franzbroot, Franschbroot, Plural Franzbreud, Franschbreud), das dem Baguette ähnlich war. Ein Hamburger Bäcker soll danach ein solches Franzbrot in einer Pfanne mit Fett angebraten haben. Daraus soll das heutige Franzbrötchen entstanden sein.[2] Der Historiker Dirk Brietzke ist allerdings der Meinung: „Alles, was Sie dazu finden, egal ob gedruckt oder im Netz, ist pure Spekulation“.[3]
Dennoch finden sich sowohl in älteren Büchern als auch in neueren Veröffentlichungen einige belegte Zusammenhänge, die ein stimmiges Bild der Entstehung von Franzbrötchen aufzeigen. Als eine der ältesten Quellen gilt ein Handzettel aus dem Jahr 1825, mit dem ein Hamburger Bäcker namens Hieronymus Frisch, eingetragen als Los- und Kuchenbäckerambstsmeister, zum 1. April 1825 die Eröffnung einer Backstube in der Altstadt ankündigt. In seinem angepriesenen Sortiment bietet er neben anderem an: „rundes und krauses Franzschbrod, sehr fett und blätterich, sind nach dem Rezept vom Franzschen Bäcker in Altona“.[4] Da sich dieser Hinweis mit Überlieferungen deckt, deuten der Autor Manfred Beseler und die Kunsthistorikerin Annette Hillringhaus dies als deutliches Indiz, dass das Franzbrötchen eine Kreation des Franzschen bzw. Französischen Bäckers in dem damals unter dänischer Verwaltung stehenden Altona ist.[5]
Der Franzsche Bäcker war über mehrere Generationen eine Art Institution in Altona, die mit der Erteilung einer Ausnahme von der sogenannten Bäckergerechtigkeit durch den dänischen König Friedrich V. vom 13. Februar 1747 für den hugenottischen Glaubensflüchtling Antoine Sabatier (1684–1764) begründet wurde. Bereits im Jahr zuvor hatte Antoine Sabatier in der Großen Bergstraße ein Backerbe erworben, darunter gefasst ist ein Backofen bzw. Backhaus mit dem dazugehörigen Wohnhaus für Familie, Gesellen und Lehrlinge sowie dem Privileg, Brot für den Verkauf zu backen, aber auch der Pflicht, jederzeit gutes und unverfälschtes Brot zu liefern. Gekauft hat er Haus und Grundstück von der Familie Harry, die an dieser Stelle bereits seit 1688 eine Bäckerei betrieb und deren Geschichte gut dokumentiert ist.[6] So findet sich in der Firmenchronik auch die Notiz:
„Diese Bäckerei wurde nun ein besonderes Stück Stadtgeschichte. Settegasts Sohn verkaufte das Grundstück 1746 an den Hugenotten Antoine Sabatier, der auf besonderen Befehl des dänischen Königs als erster Konditormeister in das Bäckeramt von Altona aufgenommen werden mußte. Das süße Plunderteiggebäck, das man heute in Dänemark Wiener Brot nennt, scheint damals am Königshof Mode geworden zu sein und seinen Siegeszug begonnen zu haben. Zur Blüte kam die französische Bäckerei unter Sabatiers Sohn Jean, und bis zum Zweiten Weltkrieg gab es an dieser Stelle in der Großen Bergstraße eine beliebte Konditorei, die immer noch Franzsche Bäckerei genannt wurde.“
Der Sohn Jean Sabatier (1718–1798) führte die Bäckerei nach dem Tod des Vaters weiter, die Konzession für die Bäckerei wurde am 15. Dezember 1766 durch Christian VII erneuert. Ab 1793 übernahm dessen Sohn Jean Stephan Sabatier (1758–1804) in der dritten Generation das Backerbe.[7] Nach dessen Tod überschrieb die Witwe Margaretha Sabatier dem ehemaligen Gesellen Johann Heinrich Thielemann (1776–1836) im Jahr 1808 das Backerbe. Die Bezeichnung Franzscher Bäcker hat sich auch auf ihn sowie die folgenden Generationen übertragen: Johann Heinrich Thielemann (1811–1875) und Johann Heinrich Thielemann (1848–1901).
Im Jahr 1899 verkaufte die Familie Thielemann der Stadt Altona ein Teil des Grundstücks zur Umgestaltung der Großen Bergstraße und baute an gleicher Stelle ein neues Wohn- und Geschäftshaus mit drei Etagen und zwei Läden im Erdgeschoss. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm zunächst Catharina Thielemann (unbekannt – 1948) das nun als Bäckerei und Conditorei ausgewiesene Erbe. 1907 übertrug sie die Bäckerei auf den Konditormeister Heinrich Dittmer. Von 1917 bis etwa 1940 war dessen Sohn Heinrich Dittmer junior der letzte Franzsche Bäcker von Altona am Backerbe Große Bergstraße 9. Das Haus wurde 1943 durch Bomben zerstört. Durch die Umgestaltung Altonas in der Nachkriegszeit bezog man diesen Abschnitt in die Straße Nobistor ein. Anfang der 1960er Jahre wurde auf dem Grundstück das Bekleidungsunternehmens C&A gebaut. Nachdem die Filiale 1993 schloss, stand das Gebäude einige Jahre leer oder wurde teilweise von kreativen Gruppen genutzt. 2007 erfolgte der Abbruch für die Erweiterung einer Endoklinik.
Zubereitung
Für den Plunderteig wird zunächst ein Hefeteig angesetzt und touriert, das heißt mit Ziehfett, in der Regel Butter, mehrfach ausgerollt und gefaltet. Nach einer letzten Ruhephase wird der Teig dünn ausgerollt und mit einer Zucker-Zimt-Mischung bestreut, anschließend zu einer Rolle aufgerollt und diese in vier bis fünf Zentimeter große Stücke geschnitten. Die in den letzten Jahren typisch gewordene gequetschte oder gedrehte Form wird durch Drücken mit einem dünnen Rundholz – beispielsweise dem Stiel eines Kochlöffels – in der Mitte des Teiglings bewirkt. Dadurch tritt die Zucker-Zimt-Füllung seitlich heraus. Beim Backen karamellisiert der Zucker an der Oberfläche und bestimmt neben anderen Bestandteilen den typischen Geschmack des Franzbrötchens. Bis in die 1990er Jahre war eine gedrückte Form vorherrschend.[8]
Belletristik
Thomas Mann lässt in seinem Roman Buddenbrooks: Verfall einer Familie wiederholt den Hausarzt der Familie, einen Dr. Grabow, auftreten. Dieser verordnet bei mehreren Gelegenheiten „Ein wenig Taube, ein wenig Franzbrot...“, was wohl, im Grabowschen Sinne, nicht medikamentöse Wirkung haben soll, sondern vielmehr die ansonsten opulenten Essgewohnheiten der reichen Lübecker Kaufmannsfamilie konterkarieren will.
Siehe auch
Literatur
- M. Beseler, S. Ingwersen, A. Treichel: Das Franzbrötchen – Wunderbarer Plunder aus Hamburg. Franzbrötchen-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-936712-02-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ausbreitung des Franzbrötchens. In: franzbroetchen.de. Franzbrötchen-Verlag, archiviert vom Original am 18. Januar 2018; abgerufen am 18. Januar 2018.
- B. Henning, J. Meier: Kleines Hamburgisches Wörterbuch. Wachholtz, Neumünster 2006, ISBN 3-529-04650-7.
- Wiebke Dördrechter: Klebrig, süß und lecker – das Franzbrötchen von damals bis heute. In: www.shz.de. 13. August 2017, archiviert vom Original am 14. August 2017; abgerufen am 15. März 2018.
- Ernst Stallmann: Chronik des Hamburger Bäckerhandwerks 1883-1983, Bäckerinnung Hamburg, 1984
- Manfred Beseler, Sören Ingwersen, Adriana Gagliardi: Das Franzbrötchen. Wunderbarer Plunder aus Hamburg; Hamburg 2012, S. 44
- Sybil Gräfin Schönfeldt: Die Harry-Bäcker. 300 Jahre Brotgeschichte 1688 bis 1988, Hamburg 1988, S. 31 f.
- Manfred Beseler, Sören Ingwersen, Adriana Gagliardi: Das Franzbrötchen. Wunderbarer Plunder aus Hamburg; Hamburg 2012, Neuauflage 2015, S. 45
- Manfred Beseler: Mein Franzbrötchen; in: Claudia Thorn (Hrsg.): Mein Hamburg: Mitglieder des Vereins für Hamburgische Geschichte über ihre Stadt; 175 Jahre VHG, S. 163 (google books; eingeschränkte Vorschau)