Franz Stadtmüller

Franz Georg Andreas Stadtmüller (* 20. Januar 1889 i​n Kassel; † 25. März 1981 i​n Hof (Saale)[1]) w​ar ein deutscher Mediziner u​nd Autor v​on Schriften z​ur Studentengeschichte. Er wirkte a​ls Hochschullehrer i​n Göttingen u​nd Köln.

Franz Stadtmüller

Leben

Nachdem e​r 1909 i​n Kassel d​as Abitur gemacht hatte, studierte Stadtmüller Vorklinik a​n der Georg-August-Universität Göttingen. Nach d​er Fuchsenzeit w​urde er a​m 4. Dezember 1909 i​m Corps Hildeso-Guestphalia Göttingen recipiert.[2][3] Nach d​em Physikum wechselte e​r an d​ie Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Als Volontärassistent v​on Robert Wiedersheim schrieb e​r seine Doktorarbeit i​n vergleichender Anatomie. Examen u​nd Promotion z​um Dr. med. fielen 1914 f​ast zusammen.[4]

Er g​ing als Volontärassistent z​u Ernst Gaupp i​n die Anatomie d​er Albertus-Universität Königsberg, musste a​ber als Sanitätsoffizier i​n den Ersten Weltkrieg ziehen. 1916 w​ar er i​n Kowno stationiert u​nd dort Mitgründer u​nd Vorstandsmitglied d​es AHSC.[5] Als Oberarzt d​es deutschen Heeres entlassen, kehrte e​r 1917 a​ls planmäßiger Assistent a​n die Göttinger Anatomie zurück.[4] Nachdem e​r sich 1919 d​ort habilitiert hatte, w​urde er 1921 zweiter Prosektor u​nd 1926 a.o. Professor.[6][7]

Nach dem Wahlsieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bei der Reichstagswahl März 1933 gehörte Stadtmüller zu den 42 Göttinger Professoren, die am 24. April 1933 im Göttinger Tageblatt eine Gegenrede zu einem dort wenige Tage zuvor publizierten Protestschreiben des jüdischen Physikers James Franck veröffentlichten. Als Weltkriegsteilnehmer vor der Entlassung zunächst geschützt, hatte der Nobelpreisträger sein Hochschulamt kurz nach Bekanntwerden der rechtswidrigen Entlassung jüdischer und politisch missliebiger Staatsbediensteter aus dem Staatsdienst aus Protest freiwillig aufgegeben und öffentlich auf die Diskriminierung deutscher Juden verwiesen. Die Kollegen bezeichneten diese von James Franck geäußerte Kritik an der staatlichen Diskriminierung von Juden als „Sabotageakt“ gegenüber den neuen NS-Machthabern und empfahlen eine beschleunigte Durchführung der „notwendigen Reinigungsmaßnahmen“ der Regierung.[8] Stadtmüller unterzeichnete im November 1933 das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler. 1939 wurde er in Göttingen beamteter außerplanmäßiger apl. Professor.[3]

1940 w​urde er v​on der Universität Köln a​ls Ordinarius u​nd Direktor d​es Anatomischen Instituts berufen.[9] Im Zweiten Weltkrieg unabkömmlich ("UK") gestellt, w​ar er n​ur fünf Wochen „als Schipper“ i​m Reichsarbeitsdienst a​m Westwall eingesetzt.[3] 1944 i​n Köln ausgebombt, z​og er zurück n​ach Göttingen.[3] Vergeblich bemühte e​r sich u​m eine Vorlesungstätigkeit a​n der Universität.[6]

Seit 1949 im Ruhestand, widmete er sich der Göttinger Studentengeschichte und der Geschichte mecklenburgischer Verbindungen (der Vandalen) an deutschen Hochschulen. Aus der 1917 geschlossenen Ehe mit Elisabeth geb. Israel gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. Ein Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg.

Veröffentlichungen

Medizin

  • Ein Beitrag zur Kenntnis des Vorkommens und der Bedeutung hyalinknorpeliger Elemente in der Sclera der Urodelen. 1914. GoogleBooks
  • Zur Beurteilung der plastischen Rekonstruktionsmethode der Physiognomie auf dem Schädel. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie 22 (1922), S. 337–372.
  • Über enantioplastische Erscheinungen in der Entwicklung von Schädelkapsel und Inhalt mit besonderer Berücksichtigung des Schläfenbeins. Archiv für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde 152 (1943), S. 110–140[9]
  • Die Rekonstruktion der Weichteile des Schädels, 1961. GoogleBooks

Studentengeschichte

  • Geschichte des Corps Hildeso-Guestphalia zu Göttingen. Göttingen 1954
  • Das Corps Hansea II zu Göttingen und der Göttinger Bierkrawall vom Jahre 1881. Einst und Jetzt 1 (1956), S. 85–100.
  • Gab es in Frankfurt a. O. eine Vandalia? Einst und Jetzt 2 (1957), S. 24–26.
  • Die Göttinger Vandalia mit ihren Tochterverbindungen sowie einige Bemerkungen zur Entstehung der Vandalenfarben. Einst und Jetzt 4 (1959), S. 106–117. – Ergänzungen zum Corpsbestand der Vandalia Göttingen [1815–1818]. Bd. 12 (1967), S. 92–95.
  • Otto v. Bismarck als Student in Göttingen 1832/33 und seine späteren Beziehungen zu seinem Corps Hannovera, zur Georgia Augusta und zur Stadt. Göttinger Jahrbuch, ISSN 0072-4882 (1960), S. 1–18
  • Auszug aus dem Paukbuch der Hannovera vom SS 1831–SS 1834: Mensuren Otto v. Bismarck's 1832/33. Göttingen 1960. GoogleBooks
  • Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809–1959. Göttingen 1963.
  • Die Entwicklung der Landsmannschaften (Corps) in Rostock zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Vandalia I, Saxonia I, Rostochia). Einst und Jetzt 9 (1964), S. 52–82
  • Corpstafel der Hildeso-Guestphalia zu Göttingen, in erweiterter Form, 10. Juni 1854 bis 1. April 1961. 1966. GoogleBooks
  • Vom jungen Bismarck – Briefwechsel mit seinem Corpsbruder Gustav Scharlach (1833–1853). Hamburg 1966.
  • Erinnerungen des stud. Carl v[on]. Düring (1773–1862) an seine Universitätsjahre 1791–1793 in Jena und Göttingen. Einst und Jetzt 13 (1968), S. 119–131.

Einzelnachweise

  1. Sterberegister des Standesamtes Hof Nr. 252/1981.
  2. Kösener Corpslisten 1960, 44, 290; 119, 560; 42, 1167
  3. Archiv Corps Hildeso-Guestphalia
  4. Göttinger Tageblatt vom 20. Januar 1969
  5. Deutsche Corpszeitung 32 (1915/16), S. 582.
  6. Universitätsarchiv Göttingen (2013)
  7. Anatomischer Anzeiger (Internet Archives)
  8. Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung. Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus, mit einer biographischen Dokumentation der entlassenen und verfolgten Hochschullehrer: Universität Göttingen - TH Braunschweig - TH Hannover - Tierärztliche Hochschule Hannover. Wallstein, Göttingen 2000, ISBN 978-3-89244-381-0 (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945), Band 15, zugleich Dissertation an der Uni Hannover 1998), S. 48 f.
  9. Franz Stadtmüller: Über enantioplastische Erscheinungen in der Entwicklung von Schädelkapsel und Inhalt mit besonderer Berücksichtigung des Schläfenbeines. In: Archiv für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde. Band 152, Nr. 2-4, Juni 1943, S. 110–140, doi:10.1007/BF01587038.
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