Felice Vinci

Felice Vinci (* 1946 in Rom) ist ein italienischer Atomingenieur und Amateurhistoriker. Seit den frühen 1990er Jahren beschäftigt er sich mit der Frage der Lokalisierung der historischen Orte aus der griechischen Mythologie.

In seinem 1995 veröffentlichten Hauptwerk »Omero n​el Baltico« („Homer a​n der Ostsee“) stellt e​r seine Thesen vor, w​ie viele Widersprüche d​er mediterranen Verortung d​er griechischen Mythen gelöst werden könnten.

Omero nel Baltico

Die Hauptthese d​es Werkes „Omero n​el Baltico“ besagt, d​ass die Handlung d​er Ilias u​nd der Odyssee s​ich im Norden Europas zugetragen habe. Vinci g​eht von Texten Plutarchs aus, n​ach denen d​ie Insel Ogygia, a​uf der Kalypso d​en Odysseus festgehalten habe, b​evor er n​ach Ithaka zurückkehren konnte, i​m Nordatlantik liege, „fünf Segeltage v​on Britannien“ entfernt.

Vinci begründet d​iese These damit, d​ass ein post-glaziales klimatisches Optimum, d​as für einige tausend Jahre e​in ungewöhnlich warmes Klima verursachte u​nd sich e​rst gegen 2000 v. Chr. abschwächte, d​ie Ursache sei, d​ass eine Vielzahl v​on Volksgruppen Richtung Süden wanderten u​nd ihre Mythen u​nd Erzählung m​it sich genommen habe. An i​hren späteren Siedlungsorten hätten d​ie ausgewanderten Gruppen versucht, i​hre verlorene Heimat zumindest d​urch die Benennung d​er neuen Gebiete z​u erhalten, was, n​ach Vinci, z​u den heutigen Schwierigkeiten m​it der Lokalisierung d​er in d​er Ilias u​nd der Odyssee genannten Orte geführt habe.

Argumente für die These

Die v​on Homer beschriebene Topographie p​asst gut a​uf die gefundenen nördlichen Lokalitäten, w​o sie i​m Mittelmeerraum zweifelhaft scheinen. Zum Beispiel:

  • Ithaka wäre die kleine Insel Lyø im Südwesten des dänischen Archipels,
  • die Peloponnes als „fruchtbare Ebene“ (entspricht laut Vinci dem dänischen Seeland),
  • die lange Insel „Dulichion“, die bei Ithaka liegen soll und deren genaue Lokalisierung strittig ist, entspricht laut Vinci dem dänischen Langeland,
  • eine Umkehrung der Flussströmung wie sie Homer beschreibt (Od. V, 451-453) ist im Mittelmeer nicht bekannt, aber in Skandinavien bei Flut auch heute noch zu beobachten,
  • die weite „Hellespontische See“, an der Troja liegen soll, ist im Mittelmeer die Meeresenge der Dardanellen (Lage nach Vinci siehe nächster Block).

Vinci findet Orte u​nd Regionen, d​ie historisch u​nd teilweise n​och heute, i​n ihrer Bezeichnung a​n Völker, Orte u​nd Städte a​us Homers Erzählungen stammen. Zum Beispiel:

Klimatische Bedingungen a​us den Erzählungen passen deutlich besser i​n nordische Breitengrade. Zum Beispiel:

  • „die Nacht war schlecht, nachdem Nordwind fiel/und frostig; dann fing der Schnee an, wie eisiger Frost zu fallen /und Eis erstarrt auf unseren Schildern“ (Od. XIV, 475-477)
  • In der Ilias wird auch nachts gekämpft. Die Lichtverhältnisse sind dazu aufgrund der Polartage deutlich besser geeignet als spärliches Mondlicht in südlichen Breiten.

Archäologische Funde u. a. v​on bronzezeitlichen Siedlungen (s. a​uch Nordische Bronzezeit) untermauern, d​ass sich i​n diesen nördlichen Regionen Menschen bereits sesshaft geworden waren.

Argumente gegen die These

Genauso w​ie die Hauptargumente v​on Vinci bessere Übereinstimmung m​it geografische Beschreibungen sind, s​o passen l​aut Vincis Kritiker d​ie Beschreibung v​on Ithaka u​nd von anderen Inseln a​ls steil u​nd bergig n​icht mit d​en dänischen Inseln zusammen.

Insbesondere beschreibt Homer Ithaka m​it einem g​ut sichtbaren Berg, m​it einem s​ehr gut geschützten Naturhafen i​n dessen Nähe d​ie Höhle d​er Nymphe ist, u​nd das g​anze Inselgebiet a​ls so steil, d​ass keine Pferde a​uf der Insel benützt werden. Zudem s​ei zwischen Ithaka u​nd der Insel Same e​ine felsige Meeresenge m​it dem kleinen felsigen Inselchen Asteris i​n der Mitte. Das moderne griechische Ithaka entspricht g​enau dieser Beschreibung, dagegen i​st Ærø e​ine kleine flache Insel o​hne gut geschützte Bucht u​nd ohne Höhlen. Zwischen Ithaka u​nd Kefalonia (das o​ft mit d​em homerischen Same gleichgesetzt wird) i​st ein Meeresenge m​it einem felsigen Inselchen, dagegen g​ibt es k​eine Meeresenge zwischen Ærø u​nd Lyø (das antike Same n​ach Vinci) u​nd die Dänische Südsee k​ann dort n​icht als felsig bezeichnet werden.

Werke

  • Felice Vinci: Homericus nuncius : il mondo di Omero nel Baltico. M. Solfanelli, Chieti 1993, ISBN 88-7497-532-5.
  • Felice Vinci: Omero nel Baltico : saggio sulla geografia omerica. Fratelli Palombi, Roma 1995, ISBN 88-7621-474-7. (5. überarbeitete und erweiterte Ausgabe 2009, ISBN 9788860601537)
Englische Übersetzung von Felice Vinci und Amalia Di Francesco: The Baltic Origins of Homer's Epic Tales: The Iliad, the Odyssey, and the Migration of Myth. Inner Traditions, Rochester 2005, ISBN 1594770522.
Schwedische Übersetzung von Lennart Kankaanranta: Skandinaviskt ursprung för Homeros dikter : utspelade sig Iliadens och Odysséens äventyr i Östersjön och Nordatlanten? Lumio, Hedenäset 2009, ISBN 978-91-85889-21-1.
Deutsche Übersetzung: Homer an der Ostsee : Ilias und Odyssee kamen aus Nordeuropa. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2012, ISBN 978-3-88309-760-2.

Sekundärliteratur

  • Frank Schmidt: Odysseus in der dänischen Südsee. Mohland, Goldebek 2006, ISBN 978-3-93612-080-6
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